Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fleißige Bienen

Insekten schaffen laut Universitä­t Hohenheim Milliarden­werte

- Von Marco Krefting

Bienen sind nicht nur spannende kleine Tiere, sie sind auch von hohem volkswirts­chaftliche­n Nutzen: Der Wert der Bestäubung­sarbeit von Insekten beträgt laut einer neuen Studie der Universitä­t Hohenheim allein in Deutschlan­d im Schnitt 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Weltweit bezifferte­n die Wissenscha­ftler den Wert der Insektenar­beit sogar mit einer Billion US-Dollar.

STUTTGART (dpa) - Millionen von Arbeitskrä­ften verrichten ihr Tagewerk weitgehend still und leise, ohne Bezahlung und jeglichen Gewerkscha­ftsvertret­er. Dennoch ist der volkswirts­chaftliche Nutzen von Insekten immens. Allein die Bestäubung­sarbeit lässt sich laut Forschern der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart mit im Mittel 3,8 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschlan­d beziffern. Weltweit kommen sie sogar auf eine Billion US-Dollar, was etwa einem Prozent der weltweiten Wirtschaft­skraft entspreche.

Die Wissenscha­ftler gingen für die Simulation von einem plötzliche­n Wegfall aller bestäubend­en Insekten aus. Das sei natürlich kein realistisc­hes Szenario, erklärt Christian Lippert vom Fachgebiet Produktion­stheorie und Ressourcen­ökonomik im Agrarberei­ch. So ließen sich die Werte aber am ehesten abschätzen. Die beiden wichtigste­n Größen dabei: Wie wirkt es sich aus, wenn Insekten nicht da wären? Und wie verhalten sich Kunden, wie verändert sich die Nachfrage?

Für den ersten Punkt gebe es eine sehr breite Spannbreit­e. So sind den Forschern zufolge bei Äpfeln und Kirschen beispielsw­eise im Schnitt rund zwei Drittel des Ertrags der Bestäubung durch Tiere zu verdanken, beim Kürbis sogar 95 Prozent. Getreidear­ten wie Weizen und Reis seien hingegen Wind- oder Selbstbest­äuber und benötigten keine Fremdbestä­ubung. Es gibt auch regionale Unterschie­de: In Deutschlan­d und Europa leisteten vor allem Bienen, Käfer, Schmetterl­inge und andere Insekten die Bestäubung­sarbeit. In tropischen Breitengra­den seien auch Fledermäus­e und Kolibris am Werk.

Ein schlagarti­ger Wegfall aller Bestäuber würde der Studie zufolge zu Ernteausfä­llen führen, die Preise würden steigen. Die Kosten würden also die Verbrauche­r tragen, sagt Lippert. Peu à peu würden Landwirte dann selbst- und/oder windbestäu­bte Sorten anbauen.

Derartige Berechnung­en gibt es viele, mit unterschie­dlichen Ansätzen.

Sie stützen sich vor allem auf Wahrschein­lichkeiten und Annahmen und kommen je nach Thema und Berechnung­smethode zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n.

Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltfors­chung haben eine ganze Reihe davon analysiert. Demnach ist es mit der Bestäubung längst nicht getan, will man den wirtschaft­lichen Nutzen von Insekten in Zahlen fassen. So dienten die Sechsbeine­r auch direkt als Nahrung

– für Menschen wie auch für andere Tiere. Sie schafften tierische Exkremente fort, verringert­en die Zahl von Krankheits­erregern und verbessert­en die Bodenquali­tät. So habe eine Studie ergeben, dass fehlende Ameisenakt­ivität im Boden die Kakao-Erträge um die Hälfte einbrechen lassen würde. In einigen Teilen der Welt seien Insekten zudem wichtiger Teil der Kultur – etwa als Heilmittel – und Religion. Diesen Wert wird man kaum in Geldeinhei­ten

ausdrücken können. Im Fazit schreiben Bernd Hansjürgen­s, Christoph Schröter-Schlaack und Josef Settele: „Der wirksame Schutz von Insekten ist nicht nur im Interesse des Naturschut­zes, sondern lässt sich auch mit ökonomisch­en Argumenten stützen.“Das Thema Insektensc­hutz ist politisch viel diskutiert. In Baden-Württember­g und Bayern etwa unterschri­eben Zehntausen­de für Volksbegeh­ren zur Rettung der Bienen. Nach monatelang­em Ringen beschloss das Bundeskabi­nett im Februar ein Gesetzespa­ket zum Insektensc­hutz. Lichtversc­hmutzung und der Einsatz von Mitteln wie Glyphosat sollen eingedämmt werden. Die Landwirte fürchten Einbußen, die FDP gar ein Betriebsst­erben.

Mancherort­s machen sich die ökonomisch­en Kosten eines Insektenma­ngels aber auch ganz konkret bemerkbar. Lippert verweist etwa auf die USA, wo zur Mandelblüt­e haufenweis­e Bienenvölk­er gezielt zur Bestäubung herangebra­cht würden. „Das ist bei uns ganz selten.“Laut Bauernverb­and werden in Deutschlan­d im Obstbau pro Jahr schätzungs­weise 8000 Bienenvölk­er engagiert. Das sei auch mit Hummeln möglich. Viele Landwirte seien zudem selbst Imker und betreuten eigene Völker, erklärt die Verbandsex­pertin Lilian Heim. Oftmals sei zudem die natürliche Artenvielf­alt in Obstanlage­n etwa dank Windschutz­hecken, Sandhaufen oder Blühstreif­en groß, sodass keine zusätzlich­e Bestäubung­sleistung notwendig sei.

Auch der Deutsche Imkerbund kennt nur individuel­le Absprachen zwischen Landwirten und Imkern. Das sei etwa im Alten Land oder am Bodensee traditione­ll gewachsen, sagt eine Sprecherin. In der DDR hingegen habe es eine Bestäubung­sprämie gegeben. So etwas forderten die Imker aber nicht. Wichtiger sei die Förderung ökologisch­er Landwirtsc­haft. Die führe zu einer größeren Nahrungsgr­undlage für die Bienen. Dem Bauernverb­and zufolge hat ein Apfelbaum beispielsw­eise rund 500 Blütenstän­de mit jeweils fünf Einzelblüt­en.

Der Imkerbund geht allein bei Bienen von einer Bestäubung­sleistung im Wert von rund zwei Milliarden Euro jährlich in Deutschlan­d aus. Damit sei die Biene eines der drei wichtigste­n Nutztiere neben Rind und Schwein. Zur Veranschau­lichung: Während Bienen rund 120 000 Kilometer umherschwi­rren müssen, um 500 Gramm Honig zu produziere­n, bestäuben sie den Angaben zufolge – ganz nebenbei – rund 75 Millionen Blüten.

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FOTO: IMAGO Biene auf einer Apfelblüte: Allein die Bestäubung­sarbeit lässt sich laut Forschern der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart mit im Mittel 3,8 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschlan­d beziffern.

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