Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Wir klatschen. Das ist ja fast schon Hohn,“
Susanne Fuchs spricht über den Weg zur Gleichberechtigung, traditionelle Rollenbilder und eine Frauenquote
sagt Susanne Fuchs, Frauenbeauftragte des DGB-Kreisverbands Sigmaringen. Was das mit dem Weltfrauentag zu tun hat, steht auf
Der 8. März ist internationaler Frauentag. Seit mehr als 100 Jahren steht das Datum für den Kampf um Gleichberechtigung und Frauenrechte. Susanne Fuchs sitzt für die SPD im Sigmaringer Gemeinderat und ist Frauenbeauftragte des DGBKreisverbands Sigmaringen und spricht anlässlich des Aktionstages mit SZ-Redakteur Lukas M. Heger.
Frau Fuchs, brauchen wir den Weltfrauentag überhaupt noch?
Aber sicher. Was wir in Deutschland teilweise als Gleichberechtigung erleben ist reine Rhetorik. Es gibt Bereiche, da sind wir in Sachen Gleichberechtigung weit entfernt.
Wo denn?
Zum Beispiel bei der Bezahlung. Vom 1. Januar bis zum 10. März, dem Equal Pay Day, arbeiten alle Frauen quasi unentgeltlich. Und im Schnitt verdienen Frauen in Deutschland noch immer 19 Prozent weniger als Männer, die in der gleichen Position der gleichen Arbeit nachgehen. Das macht mich wütend!
Wie lässt sich diese offensichtliche Ungerechtigkeit beseitigen?
Vielleicht schon damit, dass wir damit anfangen, Frauen und deren Arbeit mehr wertzuschätzen. Schauen wir doch mal auf die aktuelle Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, dort werden viele Arbeiten von Frauen ausgeführt. Und was machen wir? Wir klatschen. Das ist ja fast schon Hohn. Aber Wertschätzung hat in diesem Fall eben auch etwas mit Geld zu tun.
Und wenn die Gehälter angeglichen sind?
Haben wir immer noch ein gesellschaftliches Problem. Während der Corona-Pandemie machen wir eine gewaltige Rolle rückwärts und verfallen in veraltete Rollenmuster – sofern wir sie überhaupt abgelegt haben. Frauen halten zuhause den Laden zusammen, kümmern sich um die Kinder, das Homeschooling, kochen und kümmern sich nebenher noch um den Haushalt.
Das hört sich ja nach längst vergangenen Jahrzehnten an.
Aber es ist leider die Realität in vielen Haushalten. Der Mann sorgt fürs Einkommen, die Frau besorgt den Rest.
Gefallen sich nicht manche Frauen auch in der Rolle?
Das mag sein, aber vielleicht sollten dabei Mann und Frau auch mal ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen. Denn die Kinder sind irgendwann aus dem Haus und dann steht die Frau da, der Mann ständig bei der Arbeit und sie hat seit Jahren nicht gearbeitet, kann eventuell nicht zurück in den alten Job und ist weiterhin abhängig von ihrem Mann. Wenn dann auch noch die Beziehung zu Bruch geht, steht die Frau vor dem Abgrund.
Wie kann die Situation verhindert werden?
Indem sich Gesellschaft und Politik ändern, die dieses Modell momentan noch unterstützen. Es muss wahrgenommen werden, dass Frauen systemrelevant sind und deshalb in allen Bereichen des Lebens vernünftig und gleich behandelt werden sollten. Stellen Sie sich doch mal vor, wir Frauen würden einfach mal sagen: Wir streiken heute.
Dann ginge in diesem Land gar nichts mehr.
Eben. Da kann Gleichberechtigung zehn Mal im Grundgesetz stehen, wenn weiter Ungleichheit herrscht, haben wir ein Problem.
Und der Weg dahin ist steinig.
Absolut. Man versucht etwas mit einer Quote, dann findet sicher irgendjemand ein Schlupfloch, um den Posten nicht mit einer Frau zu besetzen. Ständig wird man ausgebremst, es hakt an allen Ecken und Enden
Also ist eine Frauenquote keine gute Idee?
Ich bin eine Verfechterin der Quote. Denn Freiwilligkeit bringt uns nicht weiter. Ich kam selbst als „Quoten-Frau“der Gewerkschaft in den Verwaltungsrat der Agentur für Arbeit in Balingen und habe mich, ehrlich gesagt, am Anfang auch nicht gut damit gefühlt. Aber wir als Gesellschaft müssen das jetzt angehen und in viele Bereiche mehr Frauen reinbringen.
Können wir morgen damit beginnen?
Natürlich, wieso auch nicht. Frauen werden doch in Deutschland genauso wie Männer mit guter Bildung ausgestattet.
Was kann denn ein Mann heute schon daheim ausrichten?
Ganz einfach: Mitmachen. Irgendwo zwischen Wäschewaschen und Kartoffelschälen findet sich sicher was. Denn wenn man nicht aus seinen Rollen rauskommt, richtet man sich ein und die Veränderung bleibt auf der Strecke.
„Ganz schön anstrengend, ich war doch den ganzen Tag im Geschäft“, möchte da vielleicht der ein oder andere sagen.
Dann wäre es vielleicht schon ein Anfang, einfach mal auf die Frau zu gucken. Und ihr dann aber nicht sagen, du kannst dir alles kaufen was du willst, sondern sie dazu ermutigen, ihre Talente an anderer Stelle als im Haushalt und der Kinderbetreuung einzusetzen. Vielleicht ja im Gemeinderat? Aber das ist wieder eine weitere Baustelle.
Da stehen wir wohl noch vor einem Haufen Arbeit.
Definitiv!