Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Frauengruppe organisiert Weltgebetstag in Scheer
In der Sankt-Nikolaus-Kirche kommen Menschen zusammen, um der Frage „Worauf bauen wir?“nachzugehen
SCHEER - Der Frauenweltgebetstag hat in der Sankt-Nikolaus-Kirche stattgefunden. Er war in diesem Jahr aus mehreren Gründen bewegend. Zum einen hat die ökumenische Frauengruppe aus Mengen, Ennetach, Scheer, Blochingen und Heudorf daran festgehalten, obwohl die Vorbereitung und Veranstaltung unter den Pandemie-Bedingungen eine Herausforderung war. Zum anderen haben Frauen der Pazifik-Inseln Vanuatu mit der Frage „Worauf bauen wir?“gerade in diesen Tagen eine Kernfrage gestellt. Das Inselgebiet Vanuatu stand ab 1887 unter der Herrschaft der Kolonialmächte Frankreich und England. Die Bevölkerung litt unter Ausbeutung, Krankheiten und Rechtlosigkeit. Erst 1980 erlangten die Inseln die Unabhängigkeit und Souveränität. Auf ihrer Flagge steht der Wahlspruch: „Mit Gott bestehen wir“.
Jedes Jahr beten Frauen am Weltgebetstag in 160 Ländern gemeinsam. „Gerade in diesen Zeiten brauchen wir Halt. Ich wollten den Weltfrauengebetstag nicht verschieben oder absagen“, erklärt Michaela Löffler, Leiterin der Frauengruppe. Die Instrumentalgruppe hatte auf der Empore Platz genommen, spielte und sang die Lieder der Frauen aus Vanuatu.
Vanuatu gilt als Urlaubsparadies: Sonne, Palmen, weiße und schwarze Strände, überbordende Natur, blaues Meer, Korallenriffe, luxuriöse Hotelanlagen. In der Nikolaus Kirche lag vor dem Altar ein kleiner Sandstrand, es standen Palmen darauf und auf der Leinwand flossen Bilder dieser Welt. Vanuatu hat aber eine dunkle Kehrseite: Die ländliche Bevölkerung ist arm, Kinder können nicht zur Schule, Jugendliche sind arbeitslos. Frauen werden von patriarchalen Strukturen unterdrückt und fast die Hälfte hat
Gewalt erfahren. Die Naturgewalten erschüttern die Inseln: Aktive Vulkane, Erdbeben und Stürme gefährden von jeher das Leben der Menschen. Der Klimawandel macht sich bereits spürbar und Zyklone zerstören in immer kürzeren Abständen die Lebensgrundlage. Als Überlebensstrategie vergräbt die ländliche Bevölkerung das Lebensnotwendige in die Erde, um nach einem Zyklon das Weiterleben zu sichern. Der Glaube an Gott stützt die Frauen in diesen schwierigen und unsicheren Lebensverhältnissen. „Worauf bauen wir?“, ist die Frage, die sie an alle Frauen der Welt stellen. Gerade in der Pandemie-Zeit hatte diese Frage eine besondere Qualität.
Die Frauen der Weltgebetsgruppe, zusammen mit Pfarrerin Heidrun Stocker und Gemeindereferentin Claudia Roeder, lasen die Lebensgeschichten der Vanuatu-Frauen. Es waren erschütternde Geschichten. Rhetoh ist das zweite Kind einer achtköpfigen Familie, weil sie ein Mädchen ist, durfte sie nur bis zur 6. Klasse in die Schule. In der Kirchengemeinde fand sie die Möglichkeit, weiter zu lernen. Durch ihren Glauben und ihre Hartnäckigkeit habe sie Wege gefunden, sich weiterzubilden. Nun verkauft sie Handarbeiten auf dem „Mama-Markt“und kann zum Unterhalt ihrer Familie beitragen.
Mothy musste, nachdem die Mutter wieder geheiratet hatte, weichen. Sie lebte auf der Straße. „Irgendwann traf ich Menschen, die an Gott glaubten und mir sagten, dass er mich liebt. Weil es mir so schlecht ging, konnte ich diese Art von Liebe nicht wirklich verstehen. Ich entschied mich zu vertrauen, dass Gott sich um mich kümmern werde, auch wenn ich in meiner Familie kein Zuhause mehr hatte“, berichtet sie. Und Jacklynda hat ihr Dorf verlassen, um in der Hauptstadt in Port Villa in der Tourismusbranche zu arbeiten, weil sie keine Ausbildung hat, bekommt sie keine richtige Stelle. Sie lebt arm, allein, am Rande der Stadt. Zurück ins Dorf kann sie nicht mehr. Sie vertraue dennoch darauf, dass Gott einen Plan für sie habe.
Pfarrerin Stocker predigte, es sei wichtig, einen festen Grund zu haben, auf dem man stehe. Der Weltgebetstag zeige jedes Jahr starke Frauen, die den Sorgen trotzen. Die Kollekte des Weltgebetstags ermögliche kleine Projekte für Frauen. Als Gegengabe für die Spende gab es ein kleines Überlebenspaket mit einer Karte, Kokosriegel, Blütensamen und Tee.
Die Vorbereitung des Frauenweltgebetstags hatte Michaela Löffler übernommen, weil es der Frauengruppe nicht möglich war, zusammenzusitzen und gemeinsam den Gebetsabend zu erarbeiten. Doch in der Kirche haben sich einige aktiv zum Lesen eingebracht. Es wurde Abstand gehalten, auf das Singen verzichtet sowie auf das anschließende traditionelle Essen und Gespräche im Gemeinderaum. Aber das Gebet hat Frauen und Männer aus Mengen, Ennetach, Scheer, Blochingen und Heudorf mit den anderen Frauen auf der Welt verbunden.