Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
So erobern Frauen männerdominierte Jobs
Drei Frauen aus dem Kreis berichten – 18 Prozent der Betriebe haben Chefinnen
KREIS SIGMARINGEN (sz) - Nach wie vor müssen sich Frauen in männerdominierten Berufen mit Vorurteilen auseinandersetzen. Aber mit Selbstsicherheit, Fleiß und Humor könnten Frauen im Handwerk erfolgreich ihren Weg gehen und Karriere machen, so die Kreishandwerkerschaft Sigmaringen in einer Pressemitteilung. Zum Weltfrauentag am Montag hat sich die Kreishandwerkerschaft Sigmaringen mit der Situation von Frauen im Handwerk beschäftigt und drei Unternehmerinnen aus dem Kreis über ihre Erfahrungen befragt.
Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks beträgt der Anteil der Handwerksbetriebe mit weiblichen Inhaberinnen, Geschäftsführerinnen oder Gesellschafterinnen in Deutschland 27 Prozent. Zwischen den einzelnen Branchen sind allerdings deutliche Unterschiede zu erkennen: Im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen wie dem Friseurhandwerk werden zwei Drittel der Betriebe von Frauen geführt. Dagegen sind im Bauhauptgewerbe mit elf Prozent und im Kraftfahrzeuggewerbe mit zwölf Prozent nur wenige Frauen in Führungspositionen zu finden. Da aber immer mehr junge Frauen auch in diesen Branchen eine handwerkliche Ausbildung erlernen, steigt ihr Anteil kontinuierlich, so der Zentralverband.
Im Landkreis Sigmaringen sind derzeit 1695 Einzelunternehmer in die Handwerksrolle eingetragen, berichtet Patricia Griener, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Sigmaringen. Davon werden 360 Betriebe von Frauen geleitet. Dies entspricht einer Quote von 18 Prozent. Geschäftsführerinnen und Gesellschafterinnen von Personen- und Kapitalgesellschaften sind in dieser Zahl nicht erfasst.
Wie eine Karriere von Frauen im Handwerk aussehen kann, zeigt beispielhaft Sattlermeisterin Karin Mutschler. Nach ihrer Meisterprüfung 2003 hat sie als damals jüngste Meisterin mit 21 Jahren die Sattlerei Pegasus gegründet. Der Unternehmenssitz ist seit 2011 in Herbertingen. Ihr Start als junge Unternehmerin bezeichnet die Mutter von drei Kindern aufgrund bestehender Vorurteile als schwierig, aber „mit den Jahren, mit viel Fleiß und Kontinuität konnten wir diese Zweifel widerlegen“, sagt sie. Wenn sie heute Kunden nach dem Chef fragen, nimmt sie die Situation mit Humor.
Durch ihre Mitarbeit und ehrenamtliches Engagement in verschiedenen Handwerksorganisationen setzt sie sich für die Belange des Handwerks ein. Sie hofft, dass der Frauenanteil im Handwerk weiterhin steigen wird, „weil wir dann die Möglichkeit haben, etwas zu verändern, zu verbessern“, sagt sie.
Vor allem auch Frauen mit einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung oder einem Studium können im Handwerk erfolgreich ihr unternehmerisches Potential entfalten, wie die 29-jährige Betriebswirtin Lena Irßlinger-Kratt. Nach der Ausbildung zur Industriekauffrau und der Weiterbildung zur Betriebswirtin arbeitet sie seit 2018 bei der Irßlinger Nutzfahrzeug-Service GmbH in Meßkirch. Im elterlichen Betrieb ist sie zuständig für die kaufmännische Leitung und den Personalbereich. Gemeinsam mit ihrem Cousin steht sie für die Zukunft des Unternehmens.
Als junge Frau im Kfz-Handwerk ist sie regelmäßig mit Klischees über Frauen im Handwerk konfrontiert. „Damit habe ich tagtäglich zu tun. Aber wir wissen damit umzugehen,“erzählt sie. Ihrer Ansicht nach sollten die verschiedenen Geschlechter Synergien nutzen. „Das ist eine optimale Ergänzung. Meiner Meinung nach sind gemischte Teams, egal auf welcher Führungsebene, immer eine Bereicherung,“bekräftigt sie.
Sie spricht sich grundsätzlich für eine Förderung des Frauenanteils im Beruf aus, zum Beispiel über flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit der Arbeit im Homeoffice. Dies erleichtere es Frauen, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Da sie sich derzeit in Mutterschutz befindet, ist sie mit dieser Thematik vertraut.
Die berufliche Laufbahn von Daniela Baisch, 49 Jahre, begann als freie Architektin. Über verschiedene Weiterbildungen vertiefte sie ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Seit 2011 ist sie Geschäftsführerin der Holzbau Ott GmbH in Gammertingen. „Eine gute Kommunikation auf Augenhöhe ist für mich das A und O“, betont sie.
Mit Vorurteilen oder Geschlechterrollen hatte die Mutter von zwei Kindern während ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn selten Probleme. Durch ihr Mitwirken in verschiedenen Gruppen zum beruflichen Erfahrungsaustausch ist sie oft mit Frauen in Kontakt, welche in einem Handwerksbetrieb eine leitende Position einnehmen. „Das ist mittlerweile normal“, stellt sie fest. Als Obermeisterin der Zimmerer-Innung Sigmaringen und somit erste Obermeisterin in Baden-Württemberg setzt sie ebenfalls ein Zeichen für mehr Diversität.
Einig sind sich alle drei befragten Unternehmerinnen: Familie und ein erfolgreiches erfülltes Berufsleben schließen sich ihrer Ansicht nach nicht aus. Sie wünschen sich, dass mehr Frauen verantwortungsvolle Positionen in Unternehmen besetzen. Zukünftig soll es nicht mehr ungewohnt klingen, wenn es heißt: „Kann ich mal die Chefin sprechen?“