Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Schäden sind noch nicht beseitigt
In einzelnen Privathaushalten in Meckenbeuren gibt es bis zu 50 000 Euro Schaden
MECKENBEUREN - In vielen Kellern und Garagen an der Sammletshofer Straße in Kehlen brummen noch immer die Bautrocknungsmaschinen – auch einen Monat nach dem großen Hochwasser. Für private Haushalte sind die Folgen der Überschwemmungen noch längst nicht vergessen. Wo die Feuerwehr helfen musste, könnte sogar noch eine weitere Rechnung ins Haus flattern. Wer Elementarschäden mitversichert hatte, bekommt vieles ersetzt. Manche Bürger bleiben jedoch auf erheblichen Schäden sitzen. Die Betroffenen ziehen Bilanz – und überlegen, was für die Zukunft zu tun ist.
Harald Stumpf, Prälat im Ruhestand, kann sich noch gut an die Hochwassernacht vom 29. auf den 30. Januar und die Stunden danach erinnern: „Das Wasser stand so hoch im Hausflur, dass die anderen Mieter durch unser Wohnzimmer mussten, wenn sie hinaus oder herein wollten“, erzählt er. Das Haus Sammletshofer Straße 2/1 in dem er wohnt, wurde geflutet. In den hofseitig eingebauten Garagen stand das Wasser fast bis zur Decke. Stumpfs Nachbar Fritz Keinath hat in seiner Garage eine Markierung angebracht. „Diesmal habe ich aber alles rechtzeitig herausbekommen,“erzählt der Mann, der sich in seiner Garage eine Werkstatt eingerichtet hat. „Beim Hochwasser davor hat der Motorroller in der Garage schwimmen gelernt. Ersetzt bekommen habe ich das nicht“, erzählt Keinath. Allerdings: Die Bautrocknungsmaschine zieht noch immer täglich zwischen vier bis fünf Liter Flüssigkeit aus den feuchten Wänden der Garagen, wie Stumpf und Keinath berichten.
Die Kosten fürs Trockenlegen feuchter Wände verursachen durch die Trocknungsaggregate hohe Stromkosten. Für kaputte Fliesen oder die Wiederherstellung des Estrichs können Betroffene über ihre Wohngebäudeversicherung ersetzt bekommen, wenn bei dieser ausdrücklich die sogenannten „Elementarschäden“mitversichert sind.
Bei Joachim Dirlewanger von der Württembergischen Versicherung, liegen die Schadensmeldungen schon lange auf dem Tisch. „Innerhalb von vier Tagen waren die Schadensregulierer vor Ort“, verkündet er stolz. Aber: Wer sein in Keller oder Garage lagerndes bewegliches Hab und Gut versichern möchte, braucht den Elementarschadenschutz auch als Baustein seiner Hausratversicherung. „Ich versichere Elementarschäden immer mit“, berichtet Joachim Dirlewanger, der seit den 80erJahren eine Versicherungsagentur in Meckenbeuren betreibt, und mit Hochwasserschäden schon einige Erfahrungen sammeln konnte. „Wir sind hier Überschwemmungsgebiet. In den Hochwassergebieten gibt es unterschiedliche Zonen.“Alle Versicherer versuchen das Risiko für die Preiskalkulation der Versicherungspolice vorher abzuschätzen.
Nach Joachim Dirlewangers Erfahrungen kostet ein normaler Hochwasserschaden zwischen 1500 und 10 000 Euro. Dieses Mal schlugen einige Schäden mit 30 000 bis 40 000 Euro zu Buche. In Gerbertshaus entstanden Schäden bis zu 50 000 Euro.
Margrit Stoppel, die an der Sammletshofer Straße wohnt, hat so eine Elementarschadenversicherung. Auch bei ihr sind Schränke und Inventar aus dem Keller zerstört worden. Die Dämmung hinter den Fliesen ist immer noch feucht, obwohl die Bautrocknungsmaschinen schon seit gut drei Wochen laufen. „Das hätte ich in 100 Jahren nicht gedacht, dass da ein Wasser hinkommt“, erzählt sie.
Margit Stoppel lobt aber auch die große Hilfsbereitschaft der Nachbarn in der Überschwemmungsnacht. „Von überall kamen Pumpen. Die Jugendlichen haben eine Kette gebildet und haben das Wasser, das zur Hintertür hereinkam, vorn wieder raus geschaufelt“, berichtet sie dankbar. Wenn es die Coronalage im Sommer erlaubt, will sie ihre Helfer zu einem Grillfest einladen. Zur Hochwasservorsorge müsse man ihrer Meinung nach einen Blick über die Grenzen werfen. „Wenn die in Ravensburg die Dämme erhöhen, schießt das Wasser bis zu uns durch“, befürchtet Stoppel.
Stoppels Tochter Anja Badent, die nebenan wohnt, ist bei diesem Hochwasser glimpflich davongekommen. Die Familie hatte schon nach dem letzten Hochwasser wasserfeste Kellerfenster eingebaut. „Die Investition hat sich gelohnt“, resümiert Badent. Künftig will sie alles, was im Falle eines Hochwassers gebraucht wird, griffbereit zusammen aufbewahren: Hohe Gummistiefel, Stirnlampen, Verlängerungsschläuche und Steckverteiler dafür. „Das ist eine Ausnahmesituation. Da sollte man nicht suchen müssen“, findet sie. Auch sie lobt die Hilfsbereitschaft untereinander: „Uns ist sogar ein Notstromaggregat angeboten worden“, erzählt Anja Badent.
Simon Schmid hat alle Kleintiere und Vögel, die zahlreich sein „Ländle“bevölkern, schon am Freitagmorgen in Sicherheit eine Etage höher gebracht. „Wir kennen das schon und haben in den Ställen einschiebbare Zwischenböden“, erzählt er.
„Die Nachbarschaft funktioniert“lobt auch Harald Stumpf. Was ein Hochwasser anrichten kann, hat er schon als Jugendlicher gelernt, denn er ist in der Vogelsiedlung in Brochenzell aufgewachsen. Dort laufen bei Hochwasser immer zuerst die Pumpen der Feuerwehr.
„Feuerwehreinsätze, zum Beispiel zum Kellerauspumpen, sind kostenpflichtig“, erinnerte Kämmerer Simon Vallaster bei der jüngsten Gemeinderatssitzung. Beim Hochwasser 2013 seien Kosten von 20 000 bis 30 000 Euro entstanden. Auch in diesem Jahr hat es nach ersten Schätzungen der Feuerwehr während des Hochwassers 50 bis 60 Einsätze in privaten Haushalten gegeben. 2008 und 2013 sei kein Kostenersatz eingefordert worden. „Ob das für das jüngste Hochwasser auch so gehandhabt werden kann, wird gerade verwaltungsintern abgeklärt und es wird so bald wie möglich eine Entscheidung erfolgen“, teilt Pressesprecherin Lisa Heinemann auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit.
Einen Verbesserungsvorschlag für die Zukunft hat Harald Stumpf parat: An der tiefsten Stelle zwischen Brochenzell und Kehlen einen See ausbaggern. „Ein Sammletshofer See könnte ein tolles Naherholungsgebiet für die Bürger aus Meckenbeuren werden. Vielleicht schreibe ich der Bürgermeisterin das mal“, sagt Harald Stumpf.