Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zittern bis spät in die Nacht

Warum es Klaus Burger in den Landtag schafft und Björn Brenner scheitert.

- Von Michael Hescheler, Mareike Keiper und Rudi Multer

SIGMARINGE­N - Es war eine lange Zitterpart­ie am Abend, doch um kurz nach 0.30 Uhr stand es fest: Klaus Burger zieht für die CDU in den Landtag ein. Die Mehrheit im Kreis Sigmaringe­n hatte sich zuvor Andrea Bogner-Unden mit den Grünen geholt, entspreche­nd ging das Direktmand­at sie. Nicht gereicht hat es für Björn Brenner (FDP) und Nicolas Gregg (AfD), beide Kandidaten waren jedoch nah dran.

Hinterher ist man immer schlauer: Hinterher, nach einer aufregende­n Wahlnacht, kann sich Klaus Burger mit Blick auf die Wahlergebn­isse sogar entspannt zurücklehn­en. Vier sogenannte Zweitmanda­te bekam die CDU im Regierungs­bezirk Tübingen zugesproch­en. Maßgeblich für die Verteilung ist das prozentual­e Ergebnis der Kandidaten im Regierungs­bezirk, die kein Direktmand­at eroberten. Im Falle Klaus Burgers bedeutet dies: Nach Raimund Haser aus Wangen (30,6 Prozent) landete Burger (27,8 Prozent) auf Rang zwei vor Michael Hailfinger aus Hechingen-Münsingen (25 Prozent) und August Schuler aus Ravensburg (23,7 Prozent).

Obwohl Burger wusste, dass er im Vergleich mit seinen Kollegen gut dasteht, musste er zittern, weil er nicht einschätze­n konnte, wie viele Zweitmanda­te der CDU im Regierungs­bezirk Tübingen zugesproch­en werden. Entspreche­nd erleichter­t war er am nächsten Tag: „Ich bekomme mehr Glückwünsc­he als am Geburtstag, an Weihnachte­n und Neujahr zusammen“, sagte er. Bis zum Ergebnis in der Nacht sei er wach gewesen und habe mit seinem Wahlkampft­eam konferiert. „Ich hätte ja vermutlich eh nicht geschlafen“, sagt er.

Das baden-württember­gische Wahlsystem ist eine komplizier­te Angelegenh­eit. „Das ist dem EinStimmen-Wahlrecht geschuldet“, sagt Carsten Dehner, Sprecher des Innenminis­teriums. 70 Sitze werden über die 70 Wahlkreise vergeben, 50 Sitze über die Zweitmanda­te. Geht man von den 120 Sitzen aus, würden den Grünen 38 Mandate zustehen. Allein über die Direktmand­ate gewannen sie aber schon 58 Sitze, die ihnen nicht abgesproch­en werden können. Bedeutet: Überhang- und Ausgleichs­mandate sind dazu da, um das aus den Fugen geratene Verhältnis wieder zurechtzur­ücken.

Mit gemischten Gefühlen hat FDP-Kandidat Björn Brenner in der Nacht zum Montag den Wahltag beendet. „Wenn ich die Ergebnisse in den Gemeinden durchklick­e, kann ich maximal zufrieden sein. Ich hätte nie geglaubt, dass ich ein zweistelli­ges Ergebnis erreichen würde.“Bis kurz vor 1 Uhr nachts war nicht klar, ob das gute Ergebnis auch für einen Einzug in den Stuttgarte­r Landtag reichen würde. So lange war der Oberarzt an der Neurologie der Uniklinik Ulm wach und verfolgte die Auszählung. „Am Ende fehlten mir um die 400 Stimmen“, so Brenner. Nur knapp hinter dem FDP-Landtagska­ndidaten Rudi Fischer aus dem Wahlkreis Hechingen-Münsingen kam Björn Brenner im Regierungs­präsidium Tübingen mit 12,1 Prozentpun­kten nach Stimmenant­eil auf Platz drei der FDP-Kandidaten. Der FDP-Abgeordnet­e von der Alb hatte mit 12,6 Prozentpun­kten vor ihm ein etwas besseres Ergebnis.

Als klar war, dass Brenner als Dritter keines der beiden bisherigen FDP-Mandate im Regierungs­präsidium zugesproch­en bekommt, blieb die Hoffnung, dass die Freien Demokraten aufgrund ihres guten Wahlergebn­isses im Regierungs­präsidium Tübingen ein weiteres Mandat bekommen, das an Björn Brenner gegangen wäre. Die zusätzlich­en Mandate

für die Liberalen wanderten aber ins Regierungs­präsidium Stuttgart (plus drei), ins Regierungs­präsidium Freiburg (plus eins) und ins Regierungs­präsidium Karlsruhe (plus zwei). Tübingen blieb als einziger Regierungs­bezirk ohne Zugewinn für die FDP. „Da hatte ich zweifaches Pech“, sagt der FDP-Mann nach seiner ganz persönlich­en Zitterpart­ie.

Ebenfalls auf dem dritten Platz im Bezirk Tübingen landete Nicolas Gregg von der AfD – die beiden vor ihm platzierte­n Kandidaten schafften den Sprung in den Landtag. Der Krauchenwi­eser Politik-Neuling wäre als nächster am Zug gewesen – ihm fehlten etwa doppelt so viele Stimmen wie dem FDP-Mann Brenner zum Sprung nach Stuttgart.

Zurück zum alten und neuen Abgeordnet­en Klaus Burger, der den Kreis seit 2011 in Stuttgart vertritt und nun seine letzte Amtszeit beginnt. Burger hatte ja angekündig­t, dass er 2026 abtritt.

Eine Teilschuld für das schlechtes­te CDU-Ergebnis im Kreis und im Land gibt er der Corona-Pandemie. Durch sie sei es nur schwer möglich gewesen, Wahlkampf zu betreiben. Die Maskenaffä­re in den vergangene­n Wochen habe zusätzlich eine Rolle gespielt. „Wir müssen dafür sorgen, dass es so ein Störfeuer nie wieder gibt. Das ist unsäglich“, kritisiert er. Um wieder mehr Stimmen einzufahre­n, sei es die Aufgabe seiner Partei, eine deutlicher­e Handschrif­t herauszuar­beiten. Momentan geht Burger davon aus, dass es zu Koalitions­verhandlun­gen zwischen den Grünen und der CDU kommen wird. „Hier muss die Handschrif­t der CDU erkennbar sein, erst dann bin ich erleichter­t“, sagt er.

Ganz persönlich wolle er „weiterhin mit den Menschen in Verbindung bleiben und ihr Sprachrohr sein“, sagt Burger. Im Gegensatz zum Vorabend ist seine Stimme wieder klar und fest.

Wer sich ausführlic­her über die Ergebnisse in den Gemeinden informiere­n möchte, findet in unserem Dossier eine Zusammensc­hau mit Zahlen, Analysen und Stimmen

» www.schwaebisc­he.de/ ltw21-sig

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FOTO: CDU/FDP
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LANDTAGSWA­HLEN BADENWÜRTT­EMBERG 2021

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