Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vom Chef verordnete Spritzen
Was die Wirtschaft bei ausreichend vorhandenem Impfstoff von Mitarbeitern im Corona-Kampf verlangen kann
BERLIN - Die Selbsttests sind da, und Schnelltests sind in fast beliebiger Menge verfügbar. Zugleich nimmt die Impfkampagne mit knapp zehn Millionen erwarteten Dosen pro Monat deutlich an Fahrt auf. Doch was bedeutet das für die Situation in den Unternehmen? Wie können Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit den neuen Gegebenheiten umgehen?
Können Unternehmen die Impfung zur Bedingung für die Rückkehr aus dem Homeoffice machen?
Grundsätzlich ja. „Der Trend wird dahin gehen, alternativ die Impfung oder eine negative Testung zu verlangen“, sagt Kerstin Minge, Expertin für Arbeitsrecht in der Kanzlei von Simmons & Simmons in Frankfurt. Gleichwohl wird es weiterhin nur in den seltensten Fällen möglich sein, jemanden zu verpflichten, sich impfen zu lassen. Ungeimpfte Mitarbeiter müssen dann jedoch eventuell länger im Homeoffice bleiben oder Schnelltests über sich ergehen lassen. Das gilt als zumutbar.
Kann ein Betrieb von Mitarbeitern einen aktuellen Schnelltest verlangen, bevor sie das Betriebsgelände oder einen Konferenzraum betreten dürfen?
Das wird vor allem dann gehen, wenn eine konkrete Gefahr besteht. Wenn die Inzidenz am Ort hoch ist oder in der Firma bereits Corona kursiert, wäre das auf jeden Fall machbar. „Die Tests gelten dann grundsätzlich als angemessen, zumal der körperliche Eingriff minimal ist“, sagt Minge. Bei unauffälligem Infektionsgeschehen und symptomloser Belegschaft ist der Fall dagegen weniger klar. Wo sich die Hygieneregeln nur schwer einhalten lassen, kann die Betriebsleitung aber auf jeden Fall Reihentests zum Schutz der Mitarbeiter anordnen.
Was ist, wenn sich ein Mitarbeiter weigert, den Test machen zu lassen?
Abhängig von den genauen Umständen ist das ganze betriebliche Instrumentarium bis hin zu Abmahnung und – im hartnäckigen Wiederholungsfall – der Kündigung möglich. „Wenn die Maßnahme rechtmäßig angewiesen wurde und ein Infektionsrisiko besteht, dann lässt sich die Ablehnung des Tests als Verweigerung werten“, sagt Minge. Das kann dann die entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Der Test ist hier ähnlich zu sehen wie andere Sicherheits- und Hygieneregeln vom Helm auf der Baustelle bis zum Händewaschen in der Großküche.
Reicht heutzutage ein Selbsttest, den die Mitarbeitenden zu Hause selbst vornehmen?
Das ist eine Frage des Vertrauens. Wer als Chef auf Nummer Sicher gehen will, kann aber auch Schnelltests unter Aufsicht im Betrieb verlangen.
Können die Betriebe den Mitarbeitern Anreize geben, sich impfen zu lassen?
Solche Impf-Boni sind grundsätzlich denkbar. Vor allem in Produktionsbetrieben kann für die Arbeitgeber die Notwendigkeit bestehen, die Belegschaft ohne hohen Krankenstand wieder in die Werkhalle zu bekommen. „Das Interesse, wieder Produktionsbedingungen wie vor der Pandemie zu schaffen, wiegt so hoch, dass Anreize hier gerechtfertigt sein dürften“, sagt Minge. Wenn ein Unternehmen dagegen mit dem Homeoffice bestens zurechtkommt, dann stellt sich die Lage zwar schon wieder anders dar – aber es gibt zu Impfanreizen noch keine wegweisenden Gerichtsentscheidungen. Arbeitgeber sollten aber andererseits Nachteile für Mitarbeitende vermeiden, die sich nicht impfen lassen mögen.
Dürfen Arbeitgeber Impfnachweise einfordern?
Die Abfrage ist nicht verboten, aber es handelt sich um eine Form von Gesundheitsdaten, die mit Vorsicht behandelt werden müssen. Es sollte Gründe geben, die ein Interesse des Arbeitgebers am Impfstatus rechtfertigen. „Als Arbeitgeber geht man den sicheren Weg, wenn man den Nachweis freiwillig ausgestaltet“, sagt Minge. Die Abfrage sollte sich im Rahmen des Erforderlichen bewegen und der Nachweis nur so lange wie unbedingt nötig gespeichert werden.
Welche Rolle sollen und können die Betriebsärzte spielen?
Viele Großunternehmen haben signalisiert, dass ihre Betriebsärzte die Impfung der eigenen Belegschaften übernehmen könnten. Das würde die Hausärzte und Impfzentren enorm entlasten. Zugleich könnten die beteiligten Unternehmen schnell eine hohe Impfquote erreichen.
Sollen Betriebe im Rahmen der Pandemiebekämpfung generell kostenlose Tests anbieten?
Von der Politik ist eine solche Regel bisher nicht vorgesehen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert jedoch bereits Tests für Arbeitnehmer auf Firmenkosten. DGB-Chef Reiner Hoffmann begrüßt einen entsprechenden Appell der Wirtschaftsverbände an Unternehmen, das Testangebot auszuweiten: „Beschäftigten, die in Präsenz arbeiten, müssen kostenlose Tests angeboten werden.“
Unterliegen die Impfärzte der Schweigepflicht?
Ja. Die Arbeitnehmer können gegenüber dem Arzt Gründe anführen, die gegen die Impfung sprechen – auch, wenn der Arbeitgeber nichts von den Details wissen sollte.
Wer haftet für Impffehler im Betrieb?
Die Ärzte. „Der Arbeitgeber kann für Folgen der Injektion grundsätzlich nicht belangt werden“, sagt Minge. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Betrieb Impfanreize setzt. Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, den Impfarzt ordnungsgemäß auszuwählen – das Übrige läuft dann auf medizinischer Ebene.
Können Unternehmer und Freiberufler die Tests von der Steuer absetzen?
Ja. Es handelt sich um voll abzugsfähige Betriebsausgaben, wenn die Schnell- oder Selbsttests für die Tätigkeit wichtig sind.