Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Küchenschelle kehrt zurück
Sie blüht in Unterschmeien wieder. Wie es dazu gekommen ist.
SIGMARINGEN - Es hat mit dem guten Willen begonnen: Bei der 72Stunden-Aktion vor zwei Jahren begruben die Ministranten aus St. Johann in Unterschmeien große Bestände der geschützten Küchenschelle versehentlich unter Schotter und Sand. Inzwischen hat sich einiges getan – zum Vorteil der seltenen Pflanze.
Damals hatten die Jugendlichen im Rahmen der Sozialaktion eine Grillstelle und einen Beachvolleyballplatz an der Bernhardushütte anlegen wollen – im Auftrag der katholischen Kirche. Bei den Arbeiten hatten Spaziergänger die Gruppe angesprochen und auf die geschützte Küchenschelle aufmerksam gemacht, die gerade verschüttet ging. Doch da war es schon zu spät. Pfarrer Ekkehard Baumgartner hatte sich entschuldigt. Seitdem zog viel Zeit ins Land.
Auch heute noch, eineinhalb Jahre später, lässt sich der Schaden erkennen: Wo der Schotter lag, liegt die Erde brach, und auch auf dem Rasen, auf dem der Beachvolleyballplatz entstehen sollte, zeichnet sich eine dunkle, erdige Fläche voller Gestrüpp vom ansonsten grünen Gras ab. „Das Landschaftsbild ist jetzt vorerst so“, sagt Jürgen Zimmerer von der Unteren Naturschutzbehörde.
Schotter und Sand seien bereits im Winter vergangenen Jahres in Zusammenarbeit zwischen Kirche und Landratsamt entfernt worden, sagt Pastoralreferent Hermann Brodmann vor Ort. Darüber hinaus hatte es weitere Konsequenzen für die Kirche, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte, fügt er an: „Wir haben die Pflegemaßnahmen mitfinanziert.“Angezeigt wurde die Kirche jedoch nicht, obwohl es sich um eine Umweltstraftat handelte. Warum, erklärt Zimmerer: „Wenn sich die Verursacher einsichtig zeigen und Hilfe anbieten, dann haben wir kein Interesse an einer Strafe.“Hintergrund dieser Einstellung ist auch die Ursache: Unwissenheit. „Es gab keine Wertschätzung gegenüber der Küchenschelle, weil es einfach mangelnde Kenntnis war“, so Brodmann. Die Jugendlichen, betont er, seien definitiv unschuldig, da sie im Auftrag der Kirche und mit besten
Absichten gehandelt hatten. Vielmehr seien die Erwachsenen in der Pflicht gewesen, sich zu informieren.
Gleichzeitig lobt Brodmann das Angebot der Unteren Naturschutzbehörde, die Ministranten zu schulen. „Wir wollten den 20 Jugendlichen eigentlich im vergangenen Frühjahr zeigen, was sie bewirkt haben und sie sensibilisieren, aber dann kam der erste Lockdown und es ging nicht“, sagt Zimmerer. Brodmann sprach sich dafür aus, das nicht aus den Augen zu verlieren und das Thema noch einmal aufzugreifen. Außerdem schlug er vor, an der Bernhardushütte eine Infotafel anzubringen, die über die seltene Küchenschelle informiert – denn der Bestand in Unterschmeien sei einer der größten im Kreis. Die übrigen Standorte befinden sich laut Zimmerer ebenfalls im Stadtgebiet: einer in Oberschmeien, einer in Gutenstein.
Obwohl die Schäden noch zu sehen sind, hat der Vorfall aber letztlich Vorteile: Die Untere Naturschutzbehörde hat Schlehen und Eichen am Hang entfernt, um die Fläche zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückzuführen. Dadurch fällt mehr Licht auf das Gras, was wiederum ein Plus für die Küchenschelle ist: Sie kann sich noch mehr ausbreiten, sagt Zimmerer. Auch das Beweiden des Hangs im Sommer stehe im Raum. Das sei bereits in den 1950er-Jahren so gewesen, erläutert Gerhard Stumpp vom BUND.
So hat die 72-Stunden-Aktion am Ende sogar dazu beigetragen, dass ein Stück Natur zurückkehrt und die Küchenschelle in Unterschmeien mehr denn je blüht. „Die Natur profitiert“, so Zimmerers Fazit.