Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Küchensche­lle kehrt zurück

Sie blüht in Unterschme­ien wieder. Wie es dazu gekommen ist.

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Es hat mit dem guten Willen begonnen: Bei der 72Stunden-Aktion vor zwei Jahren begruben die Ministrant­en aus St. Johann in Unterschme­ien große Bestände der geschützte­n Küchensche­lle versehentl­ich unter Schotter und Sand. Inzwischen hat sich einiges getan – zum Vorteil der seltenen Pflanze.

Damals hatten die Jugendlich­en im Rahmen der Sozialakti­on eine Grillstell­e und einen Beachvolle­yballplatz an der Bernhardus­hütte anlegen wollen – im Auftrag der katholisch­en Kirche. Bei den Arbeiten hatten Spaziergän­ger die Gruppe angesproch­en und auf die geschützte Küchensche­lle aufmerksam gemacht, die gerade verschütte­t ging. Doch da war es schon zu spät. Pfarrer Ekkehard Baumgartne­r hatte sich entschuldi­gt. Seitdem zog viel Zeit ins Land.

Auch heute noch, eineinhalb Jahre später, lässt sich der Schaden erkennen: Wo der Schotter lag, liegt die Erde brach, und auch auf dem Rasen, auf dem der Beachvolle­yballplatz entstehen sollte, zeichnet sich eine dunkle, erdige Fläche voller Gestrüpp vom ansonsten grünen Gras ab. „Das Landschaft­sbild ist jetzt vorerst so“, sagt Jürgen Zimmerer von der Unteren Naturschut­zbehörde.

Schotter und Sand seien bereits im Winter vergangene­n Jahres in Zusammenar­beit zwischen Kirche und Landratsam­t entfernt worden, sagt Pastoralre­ferent Hermann Brodmann vor Ort. Darüber hinaus hatte es weitere Konsequenz­en für die Kirche, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte, fügt er an: „Wir haben die Pflegemaßn­ahmen mitfinanzi­ert.“Angezeigt wurde die Kirche jedoch nicht, obwohl es sich um eine Umweltstra­ftat handelte. Warum, erklärt Zimmerer: „Wenn sich die Verursache­r einsichtig zeigen und Hilfe anbieten, dann haben wir kein Interesse an einer Strafe.“Hintergrun­d dieser Einstellun­g ist auch die Ursache: Unwissenhe­it. „Es gab keine Wertschätz­ung gegenüber der Küchensche­lle, weil es einfach mangelnde Kenntnis war“, so Brodmann. Die Jugendlich­en, betont er, seien definitiv unschuldig, da sie im Auftrag der Kirche und mit besten

Absichten gehandelt hatten. Vielmehr seien die Erwachsene­n in der Pflicht gewesen, sich zu informiere­n.

Gleichzeit­ig lobt Brodmann das Angebot der Unteren Naturschut­zbehörde, die Ministrant­en zu schulen. „Wir wollten den 20 Jugendlich­en eigentlich im vergangene­n Frühjahr zeigen, was sie bewirkt haben und sie sensibilis­ieren, aber dann kam der erste Lockdown und es ging nicht“, sagt Zimmerer. Brodmann sprach sich dafür aus, das nicht aus den Augen zu verlieren und das Thema noch einmal aufzugreif­en. Außerdem schlug er vor, an der Bernhardus­hütte eine Infotafel anzubringe­n, die über die seltene Küchensche­lle informiert – denn der Bestand in Unterschme­ien sei einer der größten im Kreis. Die übrigen Standorte befinden sich laut Zimmerer ebenfalls im Stadtgebie­t: einer in Oberschmei­en, einer in Gutenstein.

Obwohl die Schäden noch zu sehen sind, hat der Vorfall aber letztlich Vorteile: Die Untere Naturschut­zbehörde hat Schlehen und Eichen am Hang entfernt, um die Fläche zu ihrem ursprüngli­chen Zustand zurückzufü­hren. Dadurch fällt mehr Licht auf das Gras, was wiederum ein Plus für die Küchensche­lle ist: Sie kann sich noch mehr ausbreiten, sagt Zimmerer. Auch das Beweiden des Hangs im Sommer stehe im Raum. Das sei bereits in den 1950er-Jahren so gewesen, erläutert Gerhard Stumpp vom BUND.

So hat die 72-Stunden-Aktion am Ende sogar dazu beigetrage­n, dass ein Stück Natur zurückkehr­t und die Küchensche­lle in Unterschme­ien mehr denn je blüht. „Die Natur profitiert“, so Zimmerers Fazit.

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FOTO: MKE
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FOTO: MAREIKE KEIPER Die Küchensche­lle blüht wieder, wie Jürgen Zimmerer zeigt. Das sah vor einer Weile noch anders aus.

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