Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bad Saulgauer Pilotpraxis impft 162 Patienten
54 Impfdosen werden in der Testphase jede Woche an über 70-Jährige verabreicht – Aufklärung in Kleingruppen
BAD SAULGAU - Die Praxisgemeinschaft Dr. Andreas Müller/Dr. Claudia Maier an der Schützenstraße in Bad Saulgau ist eine von etwa 40 Arztpraxen in Baden-Württemberg – die einzige im Landkreis Sigmaringen – die sich am Pilotprojekt „Impfen in Praxen“beteiligt. Ziel des Projekts ist es, schon frühzeitig die Voraussetzungen für den Übergang der Corona-Impfungen in die Regelversorgung durch niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte zu schaffen. Die Bad Saulgauer Praxisgemeinschaft verabreicht den Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Der Start der sechswöchigen Testphase ist geglückt: Am Mittwoch, 10. März, durften sich nach Ende der Sprechstunde 54 über 70-jährige Patienten kostenlos gegen das Coronavirus impfen lassen. Denn exakt 54 Impfdosen stehen der Praxisgemeinschaft zur Verfügung. „Wir haben die Patienten nach einem Suchlauf im Computer herausgefiltert“, sagt Andreas Müller. Insgesamt 162 Patienten werden von der Praxis angerufen und in gleichgroßen Gruppen an drei Mittwochnachmittagen in Folge zum Termin gebeten. Alle Termine sind bereits ausgebucht. „Das Bedürfnis nach einer Impfung ist unwahrscheinlich groß“, ergänzt Müller.
Die erste Impfgruppe vom 10. März kommt demnach wieder Ende
März in die Praxis, um sich die zweite Impfung verabreichen zu lassen. „Wir kennen unsere Patienten, ihre Allergien, ihre Medikamentation“, sagt Claudia Maier über den Vorteil, die Patienten in der Praxis zu impfen. Maier hatte im Ärzteblatt über das gemeinsame Projekt des Sozialministeriums, der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und der Kommunalen Landesverbände
gelesen. Die Praxisgemeinschaft bewarb sich und wurde kurze Zeit später zur Pilotpraxis ernannt.
Den aufgetauten Impfstoff bekommt die Praxisgemeinschaft vom Impfzentrum Hohentengen geliefert. Maximal fünf Tage lang darf das Präparat im Kühlschrank gelagert werden. „Sobald der Impfstoff aufgezogen ist, muss er innerhalb von fünf Stunden verabreicht werden“, sagt Andreas Müller. Eine mehrseitige Handlungshilfe für die Vorbereitung und die Imfpung an sich liegt in seinem Zimmer. Die mussten die beiden Ärzte erst einmal genau studieren. „Der Impfstoff ist schwierig zum Händeln“, so Müller über Biontech/Pfizer. Denn der Impfstoff muss zuerst durch mehrmaliges Schwenken gemischt, dabei aber nicht geschüttelt werden. Er muss durch eine Injektion verdünnt werden, wobei in der Durchstechflasche Druck entstehen kann. „Man muss dabei unheimlich aufpassen, dass sich keine Luftbläschen bilden“, sagt Andreas Müller über die schwierige Vorbereitung des Präparats.
Vor der eigentlichen Impfung werden ab 13 Uhr die ersten acht Patienten in Kleingruppen über die Impfung zehn Minuten aufgeklärt. Nach dem Piks in den Oberarm müssen die auf alle Zimmer verteilten Patienten noch einige Minuten zur Nachbeobachtung in der Praxis bleiben.
Im 20-Minuten-Takt kommen die nächsten acht Patienten, die symptomfrei sein müssen, zum Zug – siebenmal das gleiche Prozedere, siebenmal die gleiche Aufklärung pro Termin. „Wir haben noch keine Rückmeldungen von Nebenwirkungen erhalten“, sagt Müller – außer einem Ziehen im Arm aufgrund des Stichs. Bei der zweiten Impfung bleibt den niedergelassenen Ärzten die Aufklärung erspart. Jeder Impftermin muss von der Praxisgemeinschaft dokumentiert werden. Denn bei diesem Pilotprojekt sollen die Lieferketten sowie die Dokumentation und die Weitergabe von Informationen an das Robert Koch-Institut erprobt werden, um die Voraussetzungen
für einen künftigen reibungslosen und nahtlosen Übergang der Impfungen in die Hausarztpraxen im großen Stil zu schaffen.
20 Euro pro Impfung bekommt die Praxisgemeinschaft vom Land bezahlt. „Wir machen das vor allem, um einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu leisten“, sagt Claudia Maier. Und auch zeitlich muss das Team der Praxisgemeinschaft auf ihren freien Mittwochnachmittag verzichten. Trotzdem zeigt die Praxisgemeinschaft Bereitschaft, mehr Impftermine anzubieten. „An uns soll es nicht liegen. Es gibt derzeit einfach zu wenig Impfstoff“, sagt Andreas Müller, der nicht nur impft, sondern auch nach wie vor seine Patienten auf das Virus testet. „Wir fischen fast jeden Tag Leute heraus, die positiv sind“, ergänzt Müller, der auf die Uhr schaut und sich von Arzthelferin Brigitte Rundel die Spritzen geben lässt. Denn draußen vor der Eingangstür stehen schon die nächsten Patienten, die sich impfen lassen wollen.