Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Infektions­zahlen schnellen nach oben

Wie Gammerting­en in nur wenigen Tagen zum Corona-Hotspot wurde:

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Innerhalb weniger Tage hat sich die Stadt Gammerting­en neben Bad Saulgau und Meßkirch zu einem der Corona-Hotspots im Landkreis Sigmaringe­n entwickelt: Am Montag meldete das Landratsam­t 66 positiv getestete Einwohner und damit mehr als dreimal so viele wie vor knapp einer Woche. Das Beispiel zeigt, wie dynamisch sich ein Ausbruch entwickeln kann – auch wenn sich alle Betroffene­n an die geltenden Regeln halten.

Eine Woche nach Ostern hatte sich die Zahl der Coronaviru­s-Infizierte­n in der Stadt bei etwa 20 eingepende­lt. Plötzlich ging alles ganz schnell: Die Zahl stieg rasant von 27 (14. April) über 35 (15. April) und 45 (16. April) auf 60 (17. April). Mit einer Entspannun­g rechnet Ordnungsam­tsleiter Dominik Früh frühestens zum kommenden Wochenende.

Wie er berichtet, lässt sich die plötzliche Zunahme der Fälle vor allem auf zwei größere Ausbrüche zurückführ­en: einen im privaten Bereich und einen weiteren in einem Gammerting­er Unternehme­n. Vermutlich zu Beginn der vergangene­n Woche hätten sich dort knapp zehn Angestellt­e mit dem Virus infiziert und es in die jeweiligen Familien getragen, sagt Früh auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Betrieb habe aber Maßnahmen ergriffen, um weitere Infektione­n zu verhindern. Insofern bestehe die Hoffnung, dass sich die Infektions­lage dort nicht weiter zuspitze.

Neben den 66 Infizierte­n befinden sich nach Auskunft des Landratsam­ts 163 enge Kontaktper­sonen in Quarantäne. „Schulen und Kindergärt­en sind von den Infektione­n bislang nicht betroffen“, sagte Dominik Früh am Montagnach­mittag. Bei derart hohen Infektions­zahlen könne sich das aber schnell ändern. „Trotzdem hoffen wir, dass es keine massiven Auswirkung­en auf Unterricht und Betreuung geben wird.“

Der Ordnungsam­tsleiter betont, dass sich offenbar alle Betroffene­n korrekt verhalten haben. „Keiner der Infizierte­n hat nachweisba­r grob gegen die Regeln der Corona-Verordnung verstoßen. Es gibt unter ihnen keinen Supersprea­der und auch niemanden mit etlichen Kontaktper­sonen“, sagt Dominik Früh. Vielmehr zeige der aktuelle Fall, dass auch bei Einhaltung der Kontaktbes­chränkunge­n viele Personen infiziert werden können. Insofern seien die Ausbrüche auch nicht auf um sich greifende Corona-Müdigkeit oder sinkende Akzeptanz der entspreche­nden Maßnahmen zurückzufü­hren.

„Insgesamt ist die Anzahl der festgestel­lten Corona-Verstöße in Gammerting­en auch weiterhin überschaub­ar“, sagt der Ordnungsam­tsleiter. Nach der erneuten Sperrung der Spiel- und Bolzplätze ab dem 1. April seien beispielsw­eise immer mal wieder Absperrung­en beschädigt oder entfernt worden.

Überschaub­ar sind allerdings auch die Maßnahmen, die die Stadt selbst treffen könnte, um das Infektions­geschehen einzudämme­n. „Im Wesentlich­en setzen wir die Vorgaben von Land und Landkreis um. Wir selbst haben relativ wenig Handlungss­pielraum“, sagt Dominik Früh. Trotzdem zeigt die Stadt, dass sie die aktuelle Entwicklun­g ernst nimmt. So sagte sie beispielsw­eise die für Dienstagab­end angesetzte Gemeindera­tssitzung ab. „Wir halten es angesichts der momentanen Infektions­lage nicht für angebracht, eine Gemeindera­tssitzung in Präsenz durchzufüh­ren“, so Früh.

Bereits am Freitag hatte die Seelsorgee­inheit Gammerting­en-Trochtelfi­ngen auf die vielen Coronaviru­sInfektion­en reagiert und die für das Wochenende geplanten Gottesdien­ste abgesagt. Der Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes wiederum teilte am Montag mit, dass auch die für Samstag vorgesehen­e Altkleider­sammung entfällt. Für solche Entscheidu­ngen gibt es vom Ordnungsam­tsleiter ein Lob. „Das zeigt uns, dass auch andere das Gesamtgesc­hehen im Auge behalten und darauf reagieren“, sagt Dominik Früh.

Ihm bleibt die Hoffnung, dass die Stadt in den kommenden Tagen nicht den eigenen traurigen Rekord bei den Coronaviru­s-Infektione­n bricht: Ende März vergangene­n Jahres waren in Gammerting­en etwas mehr als 70 Fälle gleichzeit­ig verzeichne­t worden.

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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Erhöhtes Risiko: 66 Gammerting­er sind derzeit mit dem Coronaviru­s infiziert. „Es gibt unter ihnen keinen Supersprea­der und auch niemanden mit etlichen Kontaktper­sonen“, sagt Ordnungsam­tsleiter Dominik Früh.

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