Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Infektionszahlen schnellen nach oben
Wie Gammertingen in nur wenigen Tagen zum Corona-Hotspot wurde:
GAMMERTINGEN - Innerhalb weniger Tage hat sich die Stadt Gammertingen neben Bad Saulgau und Meßkirch zu einem der Corona-Hotspots im Landkreis Sigmaringen entwickelt: Am Montag meldete das Landratsamt 66 positiv getestete Einwohner und damit mehr als dreimal so viele wie vor knapp einer Woche. Das Beispiel zeigt, wie dynamisch sich ein Ausbruch entwickeln kann – auch wenn sich alle Betroffenen an die geltenden Regeln halten.
Eine Woche nach Ostern hatte sich die Zahl der Coronavirus-Infizierten in der Stadt bei etwa 20 eingependelt. Plötzlich ging alles ganz schnell: Die Zahl stieg rasant von 27 (14. April) über 35 (15. April) und 45 (16. April) auf 60 (17. April). Mit einer Entspannung rechnet Ordnungsamtsleiter Dominik Früh frühestens zum kommenden Wochenende.
Wie er berichtet, lässt sich die plötzliche Zunahme der Fälle vor allem auf zwei größere Ausbrüche zurückführen: einen im privaten Bereich und einen weiteren in einem Gammertinger Unternehmen. Vermutlich zu Beginn der vergangenen Woche hätten sich dort knapp zehn Angestellte mit dem Virus infiziert und es in die jeweiligen Familien getragen, sagt Früh auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Der Betrieb habe aber Maßnahmen ergriffen, um weitere Infektionen zu verhindern. Insofern bestehe die Hoffnung, dass sich die Infektionslage dort nicht weiter zuspitze.
Neben den 66 Infizierten befinden sich nach Auskunft des Landratsamts 163 enge Kontaktpersonen in Quarantäne. „Schulen und Kindergärten sind von den Infektionen bislang nicht betroffen“, sagte Dominik Früh am Montagnachmittag. Bei derart hohen Infektionszahlen könne sich das aber schnell ändern. „Trotzdem hoffen wir, dass es keine massiven Auswirkungen auf Unterricht und Betreuung geben wird.“
Der Ordnungsamtsleiter betont, dass sich offenbar alle Betroffenen korrekt verhalten haben. „Keiner der Infizierten hat nachweisbar grob gegen die Regeln der Corona-Verordnung verstoßen. Es gibt unter ihnen keinen Superspreader und auch niemanden mit etlichen Kontaktpersonen“, sagt Dominik Früh. Vielmehr zeige der aktuelle Fall, dass auch bei Einhaltung der Kontaktbeschränkungen viele Personen infiziert werden können. Insofern seien die Ausbrüche auch nicht auf um sich greifende Corona-Müdigkeit oder sinkende Akzeptanz der entsprechenden Maßnahmen zurückzuführen.
„Insgesamt ist die Anzahl der festgestellten Corona-Verstöße in Gammertingen auch weiterhin überschaubar“, sagt der Ordnungsamtsleiter. Nach der erneuten Sperrung der Spiel- und Bolzplätze ab dem 1. April seien beispielsweise immer mal wieder Absperrungen beschädigt oder entfernt worden.
Überschaubar sind allerdings auch die Maßnahmen, die die Stadt selbst treffen könnte, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. „Im Wesentlichen setzen wir die Vorgaben von Land und Landkreis um. Wir selbst haben relativ wenig Handlungsspielraum“, sagt Dominik Früh. Trotzdem zeigt die Stadt, dass sie die aktuelle Entwicklung ernst nimmt. So sagte sie beispielsweise die für Dienstagabend angesetzte Gemeinderatssitzung ab. „Wir halten es angesichts der momentanen Infektionslage nicht für angebracht, eine Gemeinderatssitzung in Präsenz durchzuführen“, so Früh.
Bereits am Freitag hatte die Seelsorgeeinheit Gammertingen-Trochtelfingen auf die vielen CoronavirusInfektionen reagiert und die für das Wochenende geplanten Gottesdienste abgesagt. Der Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes wiederum teilte am Montag mit, dass auch die für Samstag vorgesehene Altkleidersammung entfällt. Für solche Entscheidungen gibt es vom Ordnungsamtsleiter ein Lob. „Das zeigt uns, dass auch andere das Gesamtgeschehen im Auge behalten und darauf reagieren“, sagt Dominik Früh.
Ihm bleibt die Hoffnung, dass die Stadt in den kommenden Tagen nicht den eigenen traurigen Rekord bei den Coronavirus-Infektionen bricht: Ende März vergangenen Jahres waren in Gammertingen etwas mehr als 70 Fälle gleichzeitig verzeichnet worden.