Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vater gesteht Missbrauch am Sohn
Enger Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in Münster – Ehefrau sagt vor Gericht aus
OSTRACH/RAVENSBURG - Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages am Landgericht Ravensburg hat der angeklagte Familienvater aus Ostrach ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Anklage lautet unter anderem auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen – in diesem Fall des eigenen Sohnes – und Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 43 Fällen. Das Kind war zu Beginn der Taten vier Jahre alt. Zur Festnahme des Mannes kam es nach intensiven Ermittlungen im Zusammenhang mit dem großen Missbrauchskomplex in Münster in Nordrhein-Westfalen (die SZ berichtete).
Das Geständnis war das Ergebnis von umfangreichen Verständigungsgesprächen zwischen Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger des Angeklagten. Bei Darlegung aller vorgeworfenen Straftaten und der vollen Schuldfähigkeit sah die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von nicht unter acht Jahren angebracht. Der Verteidiger hielt sieben Jahre für angemessen. Nach längerer Beratung erachtete die Kammer einen Strafrahmen zwischen sieben Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten als angemessen. Das Geständnis selbst fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Vorsitzende Richter Franz Bernhard begründete dies mit Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich des Angeklagten sowie dessen Sexualität. Auch beträfen die Aussagen den Sohn.
Bereitwillig gab der Mann auch Auskunft zu seinem Werdegang. Sein Vater hatte einen Handwerksbetrieb, er hat zwei Geschwister. Nach seinem Hauptschulabschluss machte er eine Lehre im elterlichen Betrieb. Mit seiner Frau ist er seit zehn Jahren verheiratet. „Es war eine schöne Zeit,“sagte er dazu.
Nach der Mittagspause sagte seine Ehefrau als Zeugin aus. Begleitet von einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand berichtete die untersetzte Frau zuerst gefasst, dann später stockend und unter Tränen. Ihren Mann, der seit sechs Monaten in Untersuchungshaft sitzt, würdigte sie keines Blickes. „Die Ehe war gut,“sagte auch sie. Sie habe überhaupt nichts von den Taten ihres Mannes mitbekommen. Auch das Verhalten des Kindes sei unauffällig gewesen. Erst als die Polizei zwei Hausdurchsuchungen durchführte, habe sie von den Taten erfahren.
Nachdem man bei der ersten Durchsuchung nichts gefunden hatte, habe ihr Mann alles abgestritten. Erst bei der zweiten Durchsuchung fand die Polizei im Wagen des Mannes ein umfangreiches Arsenal an Sexspielzeug, auch aus dem SM-Metier mit Knebeln, Fesseln und Peitschen. Als dann die Polizei ihr die aus Münster beschlagnahmten Fotos zeigte, sei ihr der ganze Umfang des Verbrechens bewusst geworden. Inzwischen hat sie die Scheidung eingereicht. Gefragt nach dem Befinden des Sohnes antwortete sie: „Er fragt immer nach seinem Vater: Warum ist er nicht da? Warum hat er uns alleingelassen?“Ansonsten mache er keinerlei Andeutungen über die Geschehnisse. Sie selber frage sich immer nur: „Warum?“.
Der leitende Ermittler der Kriminalpolizei Sigmaringen berichtete von umfangreichem Beweismaterial, das die Ermittler aus dem Missbrauchskomplex in Münster zur Verfügung gestellt hatten, darunter Videos und Fotos, die der Mann beim Missbrauch seines Sohnes gemacht hatte und nach Münster geschickt hatte. Auch Chats wurden ausgewertet, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Ehefrau nichts mitbekommen hatte.
Durch das Eingreifen der Polizei könnten weitere größere Straftaten verhindert worden sein. Der Ermittler berichtete, dass der Angeklagte in seinem Haus Vorbereitungen zur Verkabelungen von Internetleitungen getroffen hatte, sowie von einem halbfertigen Umbau eines fensterlosen Raumes. Daraus ließe sich schließen, dass vielleicht ein Fernsehstudio geplant wurde, um eine bessere Bildqualität zu erhalten. Des Weiteren stellte die Kriminalpolizei fest, dass in einem Hotel in Pfullendorf der Hauptverdächtige aus Münster und zwei weitere Männer an einem Wochenende übernachtet hatten.
Durch das Geständnis verkürzt sich der Prozess erheblich. Viele Zeugen werden nun nicht mehr benötigt. Auch auf die Vorladung des Sohnes verzichtet die Kammer. Statt der geplanten acht Verhandlungstage sind es nur noch vier. Am Donnerstag, 22. April, wird die psychiatrische Sachverständige ihr Gutachten abgeben und voraussichtlich bereits am darauffolgenden Freitag könnte das Urteil fallen.