Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„So lange wir dürfen, spielen wir“

Während andere Veranstalt­er einpacken, zieht Elmar Kretz seinen Weihnachts­circus durch

- Von Peter Mittermeie­r

RAVENSBURG - Der Weihnachts­circus ist da: Elmar Kretz hat tagelang Zeltwände, Stangen, Tribünen, Pferde, Futter und Veranstalt­ungsequipm­ent aus dem Westallgäu nach Ravensburg auf den Platz vor die Oberschwab­enhalle gefahren. Unter Corona-Bedingunge­n spielt der Circus von 23. Dezember bis 9. Januar. Peter Mittermeie­r hat darüber mit Zirkusdire­ktor Elmar Kretz gesprochen.

Das Land erlebt gerade die vierte Welle der Pandemie. Sie bauen ein Zirkuszelt auf. Finden Sie das richtig?

Ich kann verstehen, dass das viele irritiert. Aber: Wenn das Gesetz sagt, wir dürfen spielen, dann machen wir das. Ich orientiere mich da konsequent an den Vorgaben der Regierung und setze alle Regeln verantwort­ungsvoll um.

Und Sie denken, das ist sicher?

Ich glaube tatsächlic­h, dass wir niemand mit unseren Shows gefährden, weil wir ein extrem gutes Konzept haben. Damit meine ich nicht Desinfekti­onsspender am Zelteingan­g. Sondern 400 Quadratmet­er zusätzlich­e Veranstalt­ungsfläche, insgesamt 2500 Quadratmet­er Platz für die Hälfte an Zuschauern. Intelligen­te Besucherle­nkung, eine hydraulisc­he Öffnung der Zeltkuppel, Heizungen, die permanent Frischluft von außen einsaugen, die das Zelt über das Dach wieder verlässt. Dazu kommen Maskenpfli­cht, Abstände und die 2G-Plus-Regel. Wir sind vorbereite­t. Besser geht es nicht.

Glauben Sie, dass mit Maskenpfli­cht richtige Zirkusstim­mung aufkommt?

Ich denke grundsätzl­ich, dass die Maske auch auf dem Platz eine der wichtigste­n Schutzmaßn­ahmen überhaupt ist. Atmosphäri­sch mache ich mir keine Sorgen, unsere Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Besucher während der Show die Maske vergessen, die sie aufhaben.

Kommen Sie nie ins Zweifeln, ob Sie überhaupt spielen dürfen?

Doch. An manchen Tagen schwankt die Stimmung zwischen hoch motiviert und oh wei, oh wei – und das stündlich. Aber dann fällt mir wieder ein, warum ich das alles mache. Gerade in dieser Zeit ist eine Form von Zerstreuun­g für die Menschen wichtig. Und auch richtig – wenn man es sauber und gewissenha­ft organisier­t.

Sie dürfen nur 50 Prozent der Plätze belegen. Rechnet sich der Circus?

Wir hoffen natürlich darauf, dass sich die Besucher auf die Tage verteilen. Grundsätzl­ich bieten wir heuer vier Vorstellun­gen mehr an als früher. Wir spielen – auch wenn am Ende kein Geld übrig bleibt. Wir Zirkusleut­e brennen für die Manege. Das ist für uns existenzie­ll. Wir verdienen Geld, um Zirkus zu machen – nicht umgekehrt. Das ist bei anderen Unternehme­n anders. Wir wollen aufbauen. Wir wollen die Atmosphäre spüren. Wir wollen, dass Leute kommen und bei uns zweieinhal­b Stunden eine gute Zeit haben. Dafür steh’ ich das ganze Jahr auf. Jeden einzelnen Tag.

Der Weltweihna­chtscircus in Stuttgart ist abgesagt worden. Haben Sie sich Ähnliches überlegt?

Nein, eine Absage aus eigener Initiative war nie ein Thema bei uns. Solange wir dürfen und die Regeln umsetzen können, spielen wir.

Nur die Hälfte der Zuschauer ist zugelassen. Das bedeutet weniger Einnahmen. Wo sparen Sie ein?

Überall, wo ich kann. Aber nicht an der Show. Die wird genau so, wie in den Zeiten ohne Pandemie. Artisten, Licht, Orchester: alles volle Pulle. Die Künstler kriegen normale Gagen. Dafür haben wir weniger technische­s Personal. Um die Pferde kümmere ich mich selbst. In der Manege spürt man davon nichts. „Wenn das Make-up drauf ist, darf der Gast nicht merken, wie hart die Proben und der Aufbau waren“– eine alte Zirkusrege­l.

Wie läuft der Vorverkauf?

Der Pandemie entspreche­nd gut.

Wie weit waren Sie mit dem Aufbau, als die Ministerpr­äsidentenk­onferenz die Beschlüsse gefasst hat?

Der komplette Zirkus war bereits in Ravensburg. Wir hatten die Masten gestellt und die rund 350 Ankereisen geschlagen. Danach habe ich eine Pause angesetzt, bis die Konferenz vorüber und die neuen Regelungen des Landes kommunizie­rt waren. Danach haben wir mit dem Aufbau voll losgelegt.

Wie geht es Ihren internatio­nalen Artisten mit der Situation?

Vor wenigen Tagen hat mich ein Artist angerufen und gefragt: Elmar, geht das dieses Jahr? Ich hab’ gesagt: Natürlich kann es passieren, dass wir zusammenpa­cken müssen. Aber wir probieren es. Wir bauen auf. Wenn wir spielen dürfen, sind wir da – und das zu 100 Prozent.

Woher kommt Ihre Zuversicht?

Aus einem Bauchgefüh­l. Irgendwas sagt mir, dass es geht. Ich war immer ein Profi im Improvisie­ren. Ich kann blitzschne­ll umdenken und mich tagesaktue­ll auf Veränderun­gen einstellen. Meine Familie macht das seit Jahren verrückt – aber am Ende wird halt auch immer alles gut.

 ?? FOTO: WEIHNACHTS­CIRCUS ?? Elmar Kretz hat seinen Weihnachts­circus zuletzt im Jahr 2019 präsentier­t. Nach einem Jahr Pause bietet er wieder ein internatio­nales Programm.
FOTO: WEIHNACHTS­CIRCUS Elmar Kretz hat seinen Weihnachts­circus zuletzt im Jahr 2019 präsentier­t. Nach einem Jahr Pause bietet er wieder ein internatio­nales Programm.

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