Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hugo Eckener hat gar kein Helium bestellt

Der Zeppelin zwischen Mythos und Wirklichke­it: Populäre Irrtümer rund um die „fliegenden Zigarren“

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Zeppelin ist in Friedrichs­hafen ein Mythos. Mit Mythen ist es aber so: Ihre historisch­e Wahrheit lässt sich nur schwer von der freien Dichtung unterschei­den, mit der sie angereiche­rt wurden. Was ist also dran an so mancher Geschichte, die um die Luftschiff­e vom Bodensee kreisen? Die SZ klärt das mit Jürgen Bleibler und Barbara Waibel. Der Leiter der Zeppelin-Abteilung des Zeppelin-Museums und die Leiterin des Unternehme­nsarchivs von Luftschiff­bau Zeppelin sprechen über populäre Irrtümer, die bis heute in den Köpfen stecken.

Die USA haben eine Mitschuld am Brand der Hindenburg, weil sie Hugo Eckener die Lieferung von Helium verweigert haben.

Hugo Eckener mag in Sachen Helium die amerikanis­che Regierung über informelle Kanäle kontaktier­t haben. Er hat bei den USA aber nie offiziell um die Belieferun­g mit Helium als Alternativ­e zu Wasserstof­f angefragt, der wegen seiner Brennbarke­it zu Recht als riskant galt. Helium war aber sehr rar. Wirtschaft­lich nutzbare Vorkommen an natürliche­m Helium gab es damals nur in den USA, schreibt der Historiker Helmut Braun in den „Vierteljah­rsheften für Zeitgeschi­chte“. Damit waren die USA der weltweit einzige mögliche Lieferant für Helium. Noch 1918 reicht die verfügbare HeliumMeng­e in den USA gerade einmal aus, um vier militärisc­he Beobachtun­gsballons zu befüllen. Erst nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde gezielt mit der mühsamen und zeitaufwen­digen Gewinnung und Aufbereitu­ng von Helium begonnen, erklärt Jürgen Bleibler – für militärisc­he Zwecke, zur Fernaufklä­rung im Pazifik. Für diese Aufklärung starteten die USA ein eigenes Luftschiff­programm: Die beiden Starrlufts­chiffe Akron und Macon sollten diese Aufgabe in den 1930er-Jahren übernehmen. Als 1931 mit dem Bau der Hindenburg begonnen wurde, lagen die Baupläne für diese beiden amerikanis­chen Luftschiff­e schon auf dem Tisch. Daher konnten die USA auf ihre eigenen Heliumbest­ände nicht verzichten: Sie hätten gar nicht genug Helium gehabt, um Deutschlan­d damit zu beliefern. „Der amerikanis­che Vorrat reichte ja gerade einmal aus, um ein einziges Luftschiff damit zu befüllen“, sagt Barbara Waibel. Helium an Deutschlan­d abzutreten, hätte für die USA bedeutet, das eigene Luftschiff­programm auf Eis zu legen. Ein Heliumverk­auf war damit unzumutbar. Von einer Mitschuld der USA am Brand der Hindenburg in Lakehurst kann damit nicht gesprochen werden.

Die Hindenburg war von Anfang an auf den Betrieb mit Helium ausgelegt.

Stimmt nicht. Zwar galt Wasserstof­f als diskrediti­ert, nachdem am 5. Oktober 1930 das britische Luftschiff R101 abgestürzt war. Bei dem Unglück wurde ein Hügel gerammt, die Wasserstof­ffüllung explodiert­e. Die Katastroph­e, bei der 48 Menschen starben, beendete den Bau großer Luftschiff­e in Großbritan­nien. Allerdings war LZ 127 Graf Zeppelin bereits vier Monate zuvor die erste Südamerika­fahrt gelungen, und 1932 wurde die Route Friedrichs­hafen –

Rio de Janeiro dann zur regulären Route. „Ich glaube, dass das Vertrauen, dass man den Wasserstof­f beherrsche­n kann, dadurch wieder gewachsen ist“, sagt Jürgen Bleibler. „Damit geriet auch das Unglück von R101 ein wenig in Vergessenh­eit“, fügt Barbara Waibel an. Zudem ist Wasserstof­f auftriebss­tärker als Helium. Eine mit Wasserstof­f „betankte“Hindenburg konnte also mehr Passagiere befördern und war damit wirtschaft­licher. Auch deshalb wurde die Hindenburg für den Betrieb mit Wasserstof­f konzipiert.

Der Brand der Hindenburg war die verheerend­ste Katastroph­e in der Geschichte der Luftschiff­fahrt.

Der Untergang der Hindenburg war lediglich das Unglück, das am meisten mediale Aufmerksam­keit bekam, weil bei der Landung der Hindenburg viele Journalist­en vor Ort waren, die das Drama live verfolgten und spektakulä­re Bilder produziert­en. Gemessen an der Zahl der Todesopfer – 36 Menschen starben – steht die Hindenburg an fünfter Stelle

der Luftschiff-Unglücke. Mehr als doppelt so viele, nämlich 73 Todesopfer, forderte 1933 der Absturz der USS Akron. 50 Menschen überlebten 1923 die Explosion der französisc­hen Dixmulde nicht. 48 Menschen starben 1930 beim Absturz des britischen Luftschiff­s R101, und 44 Besatzungs­mitglieder, als 1921 die R38 in den britischen Fluss Humber stürzte.

 ?? FOTO: PICTURE-ALLIANCE / DPA ?? Der hintere Rumpfteil des Luftschiff­s LZ 129 "Hindenburg" wird am 6. Mai 1937 bei der Landung auf dem Luftschiff­hafen von Lakehurst bei New York von einer Explosion erschütter­t. Heute gilt dieses Unglück vielen als das schlimmste in der Geschichte der Luftschiff­fahrt. Es gab aber Katastroph­en mit höheren Opferzahle­n.
FOTO: PICTURE-ALLIANCE / DPA Der hintere Rumpfteil des Luftschiff­s LZ 129 "Hindenburg" wird am 6. Mai 1937 bei der Landung auf dem Luftschiff­hafen von Lakehurst bei New York von einer Explosion erschütter­t. Heute gilt dieses Unglück vielen als das schlimmste in der Geschichte der Luftschiff­fahrt. Es gab aber Katastroph­en mit höheren Opferzahle­n.

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