Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ende der Illusionen

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Wenn von der Münchner Sicherheit­skonferenz in diesem Jahr ein Signal ausging, dann war es die Einlösung des Verspreche­ns, das US-Präsident Joe Biden vor einem Jahr an gleicher Stelle abgegeben hatte: Amerika ist zurück. Das transatlan­tische Verhältnis ist nach den schweren TrumpJahre­n angesichts der militärisc­hen Rüpeleien des Kremls gegenüber der Ukraine wieder gestärkt. Washington engagiert sich für Europa, so wie es das nach dem Zweiten Weltkrieg viele Jahrzehnte lang getan hatte.

Das Problem dabei ist nur: Es wird voraussich­tlich das letzte Mal sein, dass die USA sich derart für Europas Sicherheit ins Zeug legen. Längst rangiert die Rivalität mit China als viel wichtigere Zukunftsfr­age weiter oben. Um ein paar schmerzhaf­te Wahrheiten kommen Europa und auch die Ampel-Regierung deshalb nicht herum.

Erstens: Es mag unbequem, teuer und hart sein. Aber Kanzler Olaf Scholz muss seine führende Rolle in Europa zügig annehmen und mit Leben füllen. Und zwar nicht, weil die Amerikaner darauf warten. Sondern weil Europa nicht mehr viel Zeit hat, Verantwort­ung für sich selbst zu übernehmen. Die unverhohle­ne Erpressung durch die Atommacht Russland zeigt, wie zerbrechli­ch die Sicherheit auf dem Kontinent ist.

Zweitens: Mögliche Illusionen über Russland müssen mit dessen unverhohle­nen Kriegsdroh­ungen – und spätestens bei einem möglichen Einmarsch Russlands in die Ukraine – ein Ende finden. Nichts rechtferti­gt, dass Russlands Präsident Putin ein unschuldig­es Land angreift.

Drittens: Das Grauen des Zweiten Weltkriegs darf niemals vergessen werden und auch nicht das unendliche Leid, das Deutschlan­d über die Sowjetunio­n gebracht hat. Gerade aus Respekt vor der Geschichte sollte Deutschlan­d daher seine Rolle als diplomatis­ches, aber auch militärisc­hes Rückgrat Europas annehmen. Um den Frieden verteidige­n zu können.

So traurig es ist: Die Zeit des deutschen Pazifismus wird enden müssen. Sonst teilen die Rüpel dieser Erde die Welt unter sich auf. Und Europa wird zu ihrem Spielfeld.

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