Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mahnungen und Gedenken in Hanau
Hinterbliebene der neun Terroropfer kritisieren Aufarbeitung als zu schleppend
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HANAU (dpa) - Mit Aufrufen zu einem entschiedenen Kampf gegen Rassismus, Hass und Hetze ist der neun Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau gedacht worden. „Dieser Anschlag kam nicht aus dem Nichts“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Samstag auf dem Hanauer Hauptfriedhof. Nährboden sei „ein Klima der Menschenverachtung, das gewaltbereite Extremisten anstachelt und im schlimmsten Fall zur Tat schreiten lässt“.
Ein 43-jähriger Deutscher hatte am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Danach tötete der psychisch Kranke seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte in einer Videobotschaft auf Twitter namentlich an die Opfer. Scholz versprach, die Bundesregierung werde „Rassismus und rechten Terror entschlossen bekämpfen“. Bei der Gedenkveranstaltung in Hanau erinnerte Faeser gemeinsam mit Hessens Ministerpräsident Volker
Bouffier (CDU), dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sowie weiteren Vertretern aus Politik und von Religionsgemeinschaften an die Anschlagsopfer und sicherte den Hinterbliebenen Unterstützung zu.
Kritik gab es bei der Gedenkstunde von Hinterbliebenen, die eine schleppende Aufklärung des Anschlags bemängeln. Nach Ansicht von Emis Gürbüz, deren Sohn ermordet wurde, hat das Land Hessen mit der Gedenkstunde, zu der 100 geladene Gäste zugelassen waren, das „Gedenken vereinnahmt“. Wünsche der Familien würden ignoriert.
Mit der Aufarbeitung der Tat befasst sich auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, der vor allem der Frage nachgeht, ob es vor, während oder nach dem Anschlag zu einem Behördenversagen kam.
Am Samstagnachmittag kamen in der Hanauer Innenstadt nach Polizeiangaben etwa 1000 Menschen zu einer Kundgebung zusammen, um an die Opfer zu erinnern und Konsequenzen zu fordern. Auch in vielen anderen deutschen Städten gab es Gedenkveranstaltungen.