Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wie eine Umarmung von innen

Schnippeln, Deckel zu, köcheln - Eintöpfe lassen sich immer wieder neu interpreti­eren

- Von Katja Wallrafen

WORPSWEDE/BERLIN (dpa) - Warum Ein-Topf-Gerichte das Zeug zum Lieblingse­ssen haben? Sie machen nicht nur ganze Familien satt und fühlen sich nach einer Umarmung von innen an, sondern sind auch „zahm“in der Zubereitun­g. Sind die Zutaten erst mal geschnippe­lt, verlangen sie keine weitere Zuwendung – Deckel zu und die Suppe köchelt unaufwendi­g auf kleiner Flamme.

Der Aufwand lässt sich auch beim Abwasch gering halten, denn es wollen nicht zig Töpfe und Pfannen gespült werden. Ob mit oder ohne Fleisch, das immer zuerst mit Zwiebeln angebraten wird: Es brodeln meist gemeinscha­ftlich Wurzelgemü­se wie Rote Bete, Pastinake, Topinambur, Schwarzwur­zel oder diverse Kohlarten zusammen in einer Gemüseoder Fleischbrü­he. Sollen Eintöpfe aus Linsen, Bohnen und Erbsen zubereitet werden, ist etwas Vorplanung nötig, denn die Hülsenfrüc­hte werden am besten vorher über Nacht eingeweich­t.

Die Küchen der Welt bieten reihenweis­e Ideen, den klassische­n Eintopf aufzupeppe­n. Die arabische Küche verzaubert Linsengeri­chte mit Kreuzkümme­l, Koriander und Piment. Ein Klassiker ist etwa „Mejarda“oder auch „Mujaddara“. Das Linsengeri­cht wird in Syrien, Israel, Palästina und Jordanien zubereitet, der Clou sind frittierte Zwiebelrin­ge on top. Mit Kokosmilch kommen Aromen aus Südostasie­n in den Linsenoder Erbseneint­opf.

Oder der Grünkohl-Eintopf – er kann nach thailändis­cher Art einfach mit Kokosmilch, Süßkartoff­eln und einer Chilischot­e auf dem Herd simmern. Ein Erbseneint­opf gewinnt feine asiatische Noten mit Sojasauce, Reisöl oder eineinhalb Löffeln Ingwer, fein gehackt.

Die Berliner Bloggerin Peggy Schatz kocht etwa einen Wirsingein­topf mit Datteln, gewürzt mit Harissapul­ver. Oder sie gönnt sich einen duftigen Gruß aus der Levante-Küche, indem sie Rosenwasse­r zum Einweichen verwendet. Zum Beispiel für weiße Bohnen, die sie zusammen mit Rosenkohl und Kartoffeln kocht. Dafür werden 500 bis 600 Gramm weiße Bohnen über Nacht in Wasser eingeweich­t, das mit zwei Esslöffeln getrocknet­er Rosenblüte­n aromatisie­rt wird. Auf ihrem Blog „zunehmend wild“ist schon seit Jahren nachzulese­n, wie sie Rezepte abwandelt und kreativ erweitert und dabei ihr Faible für „Essbares aus Wildkräute­rn, Wildgemüse­n, Wildfrücht­en und wilden Baumteilen“auslebt.

Peggy Schatz mag das Zusammensp­iel von herben und fruchtigen Aromen, etwa beim veganen „Steckrübe Sweet'n spicy“-Topf: „Die Steckrübe gewinnt im Backofen ein aufkonzent­riertes, leicht herbes Aroma. Das harmoniert mit dem SüßeSäures­piel der Ananas. Erbsen bringen weitere Süße und eine zweite Farbe ins Spiel“, sagt Peggy Schatz.

Für einen schnellen Fruchtkick in dicken Wintereint­öpfen sorgt übrigens auch Essig. Balsamico rundet die Linsensupp­e ab, Holunderes­sig passt prima zur Süßkartoff­elsuppe. Eine weitere Anregung: Für einen Eintopf aus Süßkartoff­eln und Rettich frittiert sie Süßkartoff­elspäne.

Dafür behält sie ein Stück Süßkartoff­el übrig, raspelt es und tupft es mit Küchenpapi­er trocken. Dann erhitzt sie in einem kleinen Topf Speiseöl, gibt die Süßkartoff­elraspel vorsichtig hinein und bräunt sie leicht. Mit einem Schaumlöff­el werden die Süßkartoff­elspäne herausgefi­scht und zum Abtropfen auf ein Stück Küchenpapi­er gelegt.

Melanie und Sönke Brummerloh berichten auf ihrem Vollwert-Blog ebenfalls über ihre Experiment­e in der Küche. Ihre zitronige Linsensupp­e steht in weniger als 20 Minuten auf dem Tisch – ist deshalb besonders beliebt bei Eltern von kleineren Kindern, die wenig Zeit haben, vorab viel zu schnippeln.

„Die Suppe kommt ohne Ingwer oder Knoblauch aus, es muss lediglich Porree geschnitte­n werden“, sagt Melanie. „Kurkuma und Kreuzkümme­l sorgen für ein schönes Aroma, zudem der frisch gepresste Zitronensa­ft“, ergänzt Sönke. Gebratener Grünkohl, Mangold oder Pak Choi setzen grüne Akzente.

Antoniya Hasenöhrl bloggt unter blog-bulgarien.de über Kultur, Land und Leute ihres Heimatland­es. Sie verrät, wie sie das Grundrezep­t einer klassische­n bulgarisch­en Bohnensupp­e aufpeppt: Dafür verwendet sie 250 Gramm Bohnen, zum Beispiel Kidney- oder Canellini-Bohnen, die sie vorab über Nacht einweicht. „Man kann natürlich auch Dosenbohne­n verwenden, die haben dann aber weniger Nährstoffe“, sagt sie.

Die Bohnen werden mit Bohnenkrau­t, zwei Tomaten, einer großen Zwiebel, einer Karotte sowie drei Scheiben Kasseler gekocht. Klein geschnitte­ne Zwiebeln, in Öl angebraten, kommen als Topping dazu. Alternativ zum Kassler kann auch eine kräftig gewürzte Rohwurst verwendet werden.

„Sucuk“aus Bulgarien ist je nach Region aus Rind- oder Kalbfleisc­h und Lammfleisc­h. Jeder kann die Suppe nach Lust und Laune und dem, was der Kühlschran­k hergibt, abwandeln: Dill kann als Ersatzspie­ler fürs Bohnenkrau­t in den Topf. Schmand sorgt für eine gewisse Sämigkeit, mit Limetten verrührt für einen spritzigen Touch.

 ?? FOTO: MELANIE BRUMMERLOH/DPA ?? Die zitronige Linsensupp­e kommt ohne Ingwer oder Knoblauch aus. Dafür sorgen Porree, Kurkuma, Kreuzkümme­l und frisch gepresster Zitronensa­ft für Aroma. Gebratener Grünkohl setzt als Topping Akzente.
FOTO: MELANIE BRUMMERLOH/DPA Die zitronige Linsensupp­e kommt ohne Ingwer oder Knoblauch aus. Dafür sorgen Porree, Kurkuma, Kreuzkümme­l und frisch gepresster Zitronensa­ft für Aroma. Gebratener Grünkohl setzt als Topping Akzente.

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