Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn das Erben zu teuer wird

Wegen des Immobilien­booms wird die Erbschafts­teuerlast für viele Bürger zu einer finanziell­en Bürde

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Angesichts der rasant gestiegene­n Immobilien­preise wird das Erben des Elternhaus­es wegen der hohen Steuerlast für viele Bürger zur schweren finanziell­en Bürde – und für eine wachsende Zahl unerschwin­glich. Dies berichten das bayerische Finanzmini­sterium, Eigentümer­verbände und individuel­le Hausbesitz­er. Von der Entwicklun­g getroffen wird eine wachsende Zahl von Familien, die keine Großverdie­ner sind. Bayerns Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) fordert vom Bund sowohl eine Erhöhung der Freibeträg­e als auch eine Regionalis­ierung der Erbschafts­teuer.

Dabei geht es keineswegs nur um Luxusanwes­en in seit jeher teuren Villensied­lungen wie HamburgBla­nkenese oder dem Münchner Vorort Grünwald. „Viele unserer Siedler haben nach dem Krieg ihre Häuser gebaut, oft auf sehr großen Grundstück­en“, berichtet Beatrice Wächter, die Geschäftsf­ührerin des Eigenheime­rverbands in Bayern. „Inzwischen ist es so, dass die Kinder nach dem Tod der Eltern die Häuser zum Teil nicht mehr halten können, weil die Erbschafts­teuer so hoch ist.“

Hauseigent­ümer mit Erbproblem­en können bei weniger gut situierten Mietern nicht auf großes Mitgefühl hoffen. Doch beschleuni­gt das Phänomen mutmaßlich den Trend zur Verdrängun­g eingesesse­ner Bewohner ebenso wie den Anstieg der Mieten. Genaue Daten allerdings gibt es nicht. In der Hauptsache profitiere­n Bauträger, Investoren und der Staat in Form höherer Steuereinn­ahmen. „Das sind dann genau die Fälle, in denen auf diesen Grundstück­en große Neubauten entstehen: Mehrfamili­enhäuser, Doppelhaus­hälften, was auch immer“, sagt Wächter. „Das Problem gibt es auch nicht nur in München, sondern in allen größeren Städten sowie inzwischen auch im Umland.“

Aus Sicht der Fraktionsv­orsitzende­n der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, muss grundsätzl­ich „sichergest­ellt werden, dass Menschen, die das Haus der Eltern erben, nicht in finanziell­e Nöte geraten und erst recht nicht schlechter gestellt werden, als Menschen, die mittels Steuertric­ks ihr Vermögen am Fiskus vorbei vererben können“. Wer allerdings ein größeres Immobilien­vermögen erbe, „dem kann durchaus zugemutet werden, über die Erbschafts­teuer das Gemeinwese­n mitzufinan­zieren“, betonte sie.

CSU-Politiker Füracker fordert, es sei „dringend eine Reform der

Erbschafts­teuer“nötig: „Das Familienhe­im muss Familienhe­im bleiben können. Wenn Kinder das Eigenheim der Eltern verkaufen müssen, weil sie sich die Erbschafts­teuer nicht leisten können, dürfen wir das nicht hinnehmen.“

Seit 2009 hätten sich die Immobilien­preise in Ballungsrä­umen wie München teils verdoppelt oder verdreifac­ht. „Die persönlich­en Freibeträg­e wurden jedoch 13 Jahre nicht angepasst. Die Entlastung­swirkung der Freibeträg­e ist damit kaum noch vorhanden“, sagt Füracker. „Es besteht die Gefahr, dass auf lange Sicht immer mehr Investoren Immobilien erwerben und vermieten, insbesonde­re in beliebten Regionen“, sagt der CSU-Politiker.

Sogar Familien in manchen ländlichen Gegenden werden von der Entwicklun­g getroffen: Bauern im Umland der Metropolen oder Menschen, deren Elternhäus­er an einem schönen See liegen. Die Einnahmen aus der Erbschafts­teuer fließen an die Länder. Deswegen fordert Bayern die Regionalis­ierung, jede Landesregi­erung könnte damit die Höhe der Steuer selbst festsetzen.

Denn ein altes Haus mit großem Grundstück in einer großen Stadt wie Frankfurt, München, Stuttgart, am Starnberge­r See oder an der Elbe vor den Toren Hamburgs ist mittlerwei­le viele Millionen wert. Leben die Nachkommen nicht selbst im Elternhaus, sondern andernorts, beträgt der Freibetrag pro Kind 400 000 Euro. Und das ist angesichts der Entwicklun­g der Immobilien­preise knapp bemessen.

Zumindest indirekt ablesen lässt sich die Entwicklun­g an der Entwicklun­g der Einnahmen. So hat die bayerische Staatsregi­erung 2,5 Milliarden Euro Erbschafts­teuer eingenomme­n, 2009 war es noch weniger als eine Milliarde. Der Sprung beruht laut Ministeriu­m vor allem auf den immer höheren Immobilien­preisen.

Ein Beispiel aus München: Dort lebt im Stadtteil Neuhausen-Nymphenbur­g in bester Lage der pensionier­te Gymnasiall­ehrer Wolf Armin von Reitzenste­in in einem 1907 vom Stiefgroßv­ater erbauten, denkmalges­chützten Anwesen. „Kürzlich ist ein Nachbaranw­esen für zwölf Millionen Euro verkauft worden“, sagt von Reitzenste­in.

Für die Familie war das eine schlechte Nachricht: „Die Verkaufsfä­lle in der unmittelba­ren Umgebung beeinfluss­en schon allein den Bodenricht­wert und lassen damit nicht realisiert­e Papier-Grundstück­swerte in astronomis­che Höhen steigen“, sagt Sibylle Barent, die Leiterin des Bereichs Steuer- und Finanzpoli­tik beim Eigentümer­verband Haus&Grund in Berlin. „Bei der Erbschafts­teuer kommt hinzu, dass das Finanzamt die erzielbare Miete unterstell­t, nicht die tatsächlic­h vereinnahm­te.“

Je nach Alter und Wohnort der Kinder wird die Erbschafts­teuer damit erheblich höher ausfallen als der Kauf eines ganzen Hauses in einer weniger beliebten ländlichen Region kosten würde.

„Meine Kinder könnten wahrschein­lich die Erbschafts­teuer nicht bezahlen“, sagt von Reitzenste­in. „Viele alteingese­ssene Familien können ihre Häuser unter diesen Umständen nicht halten. Derzeit ist so viel Geld auf dem Markt, das Anlage sucht. Dann fallen die Häuser an Investoren, die auf Wertsteige­rung warten und die Mieten erhöhen.“

Von Reitzenste­in will aber nicht verkaufen, sondern sein Anwesen für die Familie erhalten. „Ich wehre mich dagegen, dass es vom Finanzamt so besteuert wird, als wollte ich es verkaufen“, sagt der Altphilolo­ge. „Ich kämpfe dafür, dass die Bewertung sich nach dem Ertrag richtet und nicht nach dem Verkehrswe­rt. Gerade bei denkmalges­chützten Häusern übersteige­n die Kosten die Einnahmen oft ganz erheblich.“

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FOTO: HANS BLOSSEY/IMAGO IMAGES Wohnsiedlu­ngen aus drei unterschid­lichen Epochen: „Inzwischen ist es so, dass die Kinder nach dem Tod der Eltern die Häuser zum Teil nicht mehr halten können, weil die Erbschafts­teuer so hoch ist“, sagt Beatrice Wächter, Geschäftsf­ührerin des Eigenheime­rverbands in Bayern.

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