Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Landwirte starten in die Düngesaison
Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen wirbt für Verständnis in der Bevölkerung
UNTERSULMETINGEN - Der Februar zählt zwar meteorologisch ganz klar zu den Wintermonaten. Doch auf den Feldern der Region beginnt die Vegetation bereits zu sprießen. Auch auf einem Acker unterhalb des Hofs von Hubert Henle in Untersulmetingen-Westerflach. Lukas
Bidmon, Betriebsleiter des Schlossguts Laupheim, sticht mit seinem Taschenmesser in den Boden, zieht vorsichtig eine junge Triticiale aus dem Erdreich und beurteilt die Wurzel und den Entwicklungszustand. „Ab jetzt würd’s passen. Wir sollten düngen“, sagt der Fachmann.
Düngen bedeutet, dass in den kommenden Wochen viele Menschen in der Region vor allem die Nase rümpfen werden. Die Landwirte fahren die Gülle auf ihre Felder und klar, das bemerken nicht nur empfindliche Nasen. Daher hat der Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen auf den Hof von Hubert Henle geladen, um zum Start der Düngesaison die Bevölkerung zu informieren und gleichzeitig für Verständnis zu werben. „Wir können den Unmut teilweise verstehen“, sagt Kreisobmann Karl Endriß. Aber es gebe ja Gründe, warum jetzt alle Betriebe starten. Der erste: Bis zum 1. Februar ist die Ausbringung von Mist und
„Wir gehen sehr verantwortungsvoll mit der Gülle um.“Landwirt Hubert Henle
Gülle auf Wiesen und Felder schlicht verboten. Der zweite: „Die Vegetation fängt an zu wachsen. Da ist es wichtig, den optimalen Zeitpunkt zu erwischen“, erklärt Endriß. Früh im Jahr werde über den Ertrag entschieden.
Hubert Henle, der auf seinem Hof in Westerflach vor allem Landbau zur Produktion von Biogas betreibt, stellt klar: „Wir gehen sehr verantwortungsvoll mit der Gülle um.“Verantwortungsvoll bedeutet für ihn und Kollege Bidmon, dass der Nährstoffbedarf von organischem Stickstoff und Phosphat für jedes Feld im Vorfeld ermittelt werden muss. Das sieht auch die seit Mai 2020 geltende Düngeverordnung vor. „Das bedarf einer wochenlangen Vorplanung. Das ist eine Wissenschaft für sich“, erklärt Henle. „Wir machen da keinen Mist.“Die Verordnung legt zudem fest, dass die Landwirte sämtliche Düngemaßnahmen aufzeichnen und diese Daten bis zu sieben Jahre aufbewahren müssen.
Wenn in den kommenden Wochen die Gülle auf die Felder ausgebracht wird, dann sei das keine Entsorgung. Die Preise für Mineraldünger hätten sich aufgrund der hohen Energiepreise bei der Düngemittelproduktion mehr als verdoppelt, von einem Euro auf rund 2,50 Euro pro Kilo, erklärt Karl Endriß. „Der Preis für ein Kubik Gülle liegt aktuell bei 14 Euro.“Als „schwarzes Gold“bezeichnet die stellvertretende Vorsitzende des Verbands, Martina MaggRiedesser, daher auch die Gülle. „Das Produkt, das wir ernten, wird so wieder abgegeben. Das ist eine Kreislaufwirtschaft.“Gülle sei, ergänzt Henle, schließlich kein Gift, sondern ein Naturprodukt.
Aber wie es so schön heißt, macht vor allem die Dosis das Gift. „Im Landkreis Biberach haben wir so gut wie keine roten Gebiete“, sagt Kreisobmann Endriß. Als rot werden Gebiete kategorisiert, bei denen die Nitratbelastung im Grundwasser den Wert von 50 Milligramm pro Liter überschreitet. So ist in der Düngeverordnung ebenfalls genau geregelt, welchen Abstand Landwirte beim Ausbringen der Gülle bis zum nächsten Gewässer einhalten müssen. Bei flachen Feldern beträgt dieser beispielsweise mindestens vier Meter. Mit zunehmender Hangneigung vergrößert sich der Abstand auf bis zu zehn Meter, zudem muss dieser Streifen ganzjährig begrünt sein. Dennoch könne es bei einem Gewitter oder einem Starkregen zu einem erhöhten Nitrateintrag ins Gewässer kommen.
Damit möglichst wenig Gülle oberflächlich abfließen kann, sind die Landwirte nach der geltenden Verordnung zudem verpflichtet, auf
„Es wäre schön, wenn die Leute fragen, anstatt zu schimpfen.“Landwirt Hubert Henle
unbestelltem Ackerland Gülle, Gärrückstände oder Mist innerhalb von vier Stunden in den Boden einzuarbeiten. Ab Februar 2025 wird diese Frist noch einmal um eine Stunde verkürzt.
Das Ziel sei, so Henle, die Gülle fachgerecht und sauber an die Pflanzen zu bekommen. „Das geht nur, wenn auch die Technik auf dem neuesten Stand ist. Das ist aber natürlich teuer“, sagt Bidmon. Um das stemmen zu können, kooperieren Henle und das Schlossgut Laupheim mit dem Betrieb von Daniel Habdank in Wain. Gemeinsam bewirtschaften sie zwischen 500 und 600 Hektar Land. Damit die Gülle in den nächsten Wochen zum passenden Zeitpunkt auf die Felder kommt, laufen dann die Maschinen auf Hochtouren. Schlepper und Güllefass fahren dann GPS-gesteuert über die Felder, Sensoren berechnen die ideale Düngemenge anhand der Geschwindigkeit. Elf Tonnen fasst das Highend-Fass. „Wenn es gut läuft, schaffen wir damit an einem Tag 500 bis 800 Kubik“, erklärt Bidmon. Umgerechnet sind das bis zu 800 000 Liter.
Klar, dass das dem ein oder anderen Mitmenschen stinken mag. Dennoch bittet Landwirt Hubert Henle auch um Verständnis: „Es wäre schön, wenn die Leute fragen, anstatt zu schimpfen.“