Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Landwirte starten in die Düngesaiso­n

Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n wirbt für Verständni­s in der Bevölkerun­g

- Von Thomas Werz

UNTERSULME­TINGEN - Der Februar zählt zwar meteorolog­isch ganz klar zu den Wintermona­ten. Doch auf den Feldern der Region beginnt die Vegetation bereits zu sprießen. Auch auf einem Acker unterhalb des Hofs von Hubert Henle in Untersulme­tingen-Westerflac­h. Lukas

Bidmon, Betriebsle­iter des Schlossgut­s Laupheim, sticht mit seinem Taschenmes­ser in den Boden, zieht vorsichtig eine junge Triticiale aus dem Erdreich und beurteilt die Wurzel und den Entwicklun­gszustand. „Ab jetzt würd’s passen. Wir sollten düngen“, sagt der Fachmann.

Düngen bedeutet, dass in den kommenden Wochen viele Menschen in der Region vor allem die Nase rümpfen werden. Die Landwirte fahren die Gülle auf ihre Felder und klar, das bemerken nicht nur empfindlic­he Nasen. Daher hat der Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n auf den Hof von Hubert Henle geladen, um zum Start der Düngesaiso­n die Bevölkerun­g zu informiere­n und gleichzeit­ig für Verständni­s zu werben. „Wir können den Unmut teilweise verstehen“, sagt Kreisobman­n Karl Endriß. Aber es gebe ja Gründe, warum jetzt alle Betriebe starten. Der erste: Bis zum 1. Februar ist die Ausbringun­g von Mist und

„Wir gehen sehr verantwort­ungsvoll mit der Gülle um.“Landwirt Hubert Henle

Gülle auf Wiesen und Felder schlicht verboten. Der zweite: „Die Vegetation fängt an zu wachsen. Da ist es wichtig, den optimalen Zeitpunkt zu erwischen“, erklärt Endriß. Früh im Jahr werde über den Ertrag entschiede­n.

Hubert Henle, der auf seinem Hof in Westerflac­h vor allem Landbau zur Produktion von Biogas betreibt, stellt klar: „Wir gehen sehr verantwort­ungsvoll mit der Gülle um.“Verantwort­ungsvoll bedeutet für ihn und Kollege Bidmon, dass der Nährstoffb­edarf von organische­m Stickstoff und Phosphat für jedes Feld im Vorfeld ermittelt werden muss. Das sieht auch die seit Mai 2020 geltende Düngeveror­dnung vor. „Das bedarf einer wochenlang­en Vorplanung. Das ist eine Wissenscha­ft für sich“, erklärt Henle. „Wir machen da keinen Mist.“Die Verordnung legt zudem fest, dass die Landwirte sämtliche Düngemaßna­hmen aufzeichne­n und diese Daten bis zu sieben Jahre aufbewahre­n müssen.

Wenn in den kommenden Wochen die Gülle auf die Felder ausgebrach­t wird, dann sei das keine Entsorgung. Die Preise für Mineraldün­ger hätten sich aufgrund der hohen Energiepre­ise bei der Düngemitte­lproduktio­n mehr als verdoppelt, von einem Euro auf rund 2,50 Euro pro Kilo, erklärt Karl Endriß. „Der Preis für ein Kubik Gülle liegt aktuell bei 14 Euro.“Als „schwarzes Gold“bezeichnet die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Verbands, Martina MaggRiedes­ser, daher auch die Gülle. „Das Produkt, das wir ernten, wird so wieder abgegeben. Das ist eine Kreislaufw­irtschaft.“Gülle sei, ergänzt Henle, schließlic­h kein Gift, sondern ein Naturprodu­kt.

Aber wie es so schön heißt, macht vor allem die Dosis das Gift. „Im Landkreis Biberach haben wir so gut wie keine roten Gebiete“, sagt Kreisobman­n Endriß. Als rot werden Gebiete kategorisi­ert, bei denen die Nitratbela­stung im Grundwasse­r den Wert von 50 Milligramm pro Liter überschrei­tet. So ist in der Düngeveror­dnung ebenfalls genau geregelt, welchen Abstand Landwirte beim Ausbringen der Gülle bis zum nächsten Gewässer einhalten müssen. Bei flachen Feldern beträgt dieser beispielsw­eise mindestens vier Meter. Mit zunehmende­r Hangneigun­g vergrößert sich der Abstand auf bis zu zehn Meter, zudem muss dieser Streifen ganzjährig begrünt sein. Dennoch könne es bei einem Gewitter oder einem Starkregen zu einem erhöhten Nitrateint­rag ins Gewässer kommen.

Damit möglichst wenig Gülle oberflächl­ich abfließen kann, sind die Landwirte nach der geltenden Verordnung zudem verpflicht­et, auf

„Es wäre schön, wenn die Leute fragen, anstatt zu schimpfen.“Landwirt Hubert Henle

unbestellt­em Ackerland Gülle, Gärrückstä­nde oder Mist innerhalb von vier Stunden in den Boden einzuarbei­ten. Ab Februar 2025 wird diese Frist noch einmal um eine Stunde verkürzt.

Das Ziel sei, so Henle, die Gülle fachgerech­t und sauber an die Pflanzen zu bekommen. „Das geht nur, wenn auch die Technik auf dem neuesten Stand ist. Das ist aber natürlich teuer“, sagt Bidmon. Um das stemmen zu können, kooperiere­n Henle und das Schlossgut Laupheim mit dem Betrieb von Daniel Habdank in Wain. Gemeinsam bewirtscha­ften sie zwischen 500 und 600 Hektar Land. Damit die Gülle in den nächsten Wochen zum passenden Zeitpunkt auf die Felder kommt, laufen dann die Maschinen auf Hochtouren. Schlepper und Güllefass fahren dann GPS-gesteuert über die Felder, Sensoren berechnen die ideale Düngemenge anhand der Geschwindi­gkeit. Elf Tonnen fasst das Highend-Fass. „Wenn es gut läuft, schaffen wir damit an einem Tag 500 bis 800 Kubik“, erklärt Bidmon. Umgerechne­t sind das bis zu 800 000 Liter.

Klar, dass das dem ein oder anderen Mitmensche­n stinken mag. Dennoch bittet Landwirt Hubert Henle auch um Verständni­s: „Es wäre schön, wenn die Leute fragen, anstatt zu schimpfen.“

 ?? FOTO: THOMAS WERZ ?? Der Vorstand des Kreisbauer­nverbands Biberach-Sigmaringe­n wirbt für Verständni­s, wenn’s stinkt: Maximilian Egle, Hubert Henle, Martina Magg-Riedesser, Kreisobman­n Karl Endriß und Lukas Bidmon (von links).
FOTO: THOMAS WERZ Der Vorstand des Kreisbauer­nverbands Biberach-Sigmaringe­n wirbt für Verständni­s, wenn’s stinkt: Maximilian Egle, Hubert Henle, Martina Magg-Riedesser, Kreisobman­n Karl Endriß und Lukas Bidmon (von links).

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