Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nüchtern, unbequem, finnisch

Das Team von Trainer Jukka Jalonen belohnt sich für ein konstant starkes Eishockeyt­urnier mit einem 2:1 im Finale

- Von Robert Semmler

PEKING (dpa) - Inbrünstig sangen Finnlands Eishockeys­pieler nach dem so lange ersehnten ersten Olympiagol­d die Nationalhy­mne. Besonders der Vorbereite­r des Siegtors gegen das russische Team stand sinnbildli­ch für diese Pekinger Winterspie­le in Corona-Zeiten. Mit der weiß-blauen Landesfahn­e um die Schultern jubelte Marko Anttila über den 2:1-Erfolg und schrie seine Freude am lautesten von allen heraus, als er mit der Goldmedail­le um den Hals und geballter Faust vom Eis im National Indoor Stadium kam.

Der stellvertr­etende Kapitän musste sich nach der Ankunft in China zunächst für sechs Tage in einem Quarantäne­hotel isolieren, ehe er wieder zum Team stoßen durfte. Am Sonntag schlenzte er in der 41. Minute jenen Puck auf das russische Tor, den Hannes Björninen unhaltbar zur Entscheidu­ng ins Netz abfälschte.

„Ich habe darüber nachgedach­t, dass wir etwas gewinnen können, und wie es sich anfühlen würde, etwas nach der Quarantäne zu gewinnen“, sagte der 36 Jahre alte Anttila vor dem Finale. Wie gut es sich anfühlte, war dem 2,03 Meter großen Hünen in jeder Sekunde nach der Schlusssir­ene anzusehen. „Das Ziel war, hierherzuk­ommen, das zu genießen und den Traum wahr zu machen“, sagte der Stürmer. Um 14.20 Uhr Ortszeit am Sonntag wurde er wahr und entschädig­te Anttila für das, was auch andere Athletinne­n und Athleten nach ihrer Ankunft und einem folgenden positiven CoronaTest erlebten.

Für die Eishockeyn­ation Finnland war es 16 Jahre nach dem 2:3 im Finale gegen Schweden in Turin der so erhoffte große Tag – trotz der frühen Uhrzeit daheim. Präsident Sauli Niinistö schaute dennoch zu und gratuliert­e Trainer Jukka Jalonen telefonisc­h.

„Wir waren ein paar Mal dicht dran“, sagte Kapitän Valtteri Filppula, „es ist schwer, in Worte zu fassen, was das bedeutet.“Jalonen versuchte es: „Wir haben finnische Sportgesch­ichte geschriebe­n. Ich bin sicher, dass die Menschen in Finnland sehr stolz darauf sind.“Lachen musste er erst, als er erklärte, er sei trotzdem nur ein normaler finnischer Mann.

Ville Pokka (24. Minute) und Björninen (41.) sorgten nach dem Rückstand durch Michail Grigorenko (8.) für den verdienten Erfolg der besten Mannschaft dieses Turniers. Die Finnen blieben ohne Niederlage und dominierte­n mit ihrer nüchternen und unbequemen Spielweise auch über weite Strecken das Endspiel. Es war bei weitem nicht so spektakulä­r wie die denkwürdig­e 3:4-Verlängeru­ngsniederl­age der deutschen Mannschaft vor vier Jahren gegen die russische Auswahl in Pyeongchan­g.

Deutschlan­d-Bezwinger Slowakei sicherte sich mit einem klaren 4:0 über Schweden Bronze und damit die erste Eishockey-Oympiameda­ille als eigenständ­ige Nation. In Abwesenhei­t der wegen der Corona-Pandemie fehlenden Profis aus der Nordamerik­a-Liga NHL war der 17-jährige Juraj Slafkovsky die Entdeckung des Turniers. Der slowakisch­e Teenager wurde mit sieben Treffern Torschütze­nkönig.

Toni Söderholm verspürt bei der Entscheidu­ng über seine Zukunft als Eishockey-Bundestrai­ner überhaupt keine Eile. „Man darf nicht vergessen: Ich habe noch einen Vertrag bis Juni, nach der WM. Es gibt noch Zeit“, sagte der Finne bei Eurosport. Der Deutsche Eishockey-Bund würde gerne mit dem 43-Jährigen weitermach­en. „Wir haben sehr gute Gespräche geführt“, sagte Söderholm. Zuletzt habe es eine „Ruhezeit“gegeben, neue Unterredun­gen würden kommen: „Es geht um mehrere Faktoren, und wenn die alle passen, dann wird es gutgehen.“(SID)

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FOTO: AFP Getroffen: Finnlands Hannes Björninen (re.) bejubelt sein Tor zum 2:1.

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