Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nüchtern, unbequem, finnisch
Das Team von Trainer Jukka Jalonen belohnt sich für ein konstant starkes Eishockeyturnier mit einem 2:1 im Finale
PEKING (dpa) - Inbrünstig sangen Finnlands Eishockeyspieler nach dem so lange ersehnten ersten Olympiagold die Nationalhymne. Besonders der Vorbereiter des Siegtors gegen das russische Team stand sinnbildlich für diese Pekinger Winterspiele in Corona-Zeiten. Mit der weiß-blauen Landesfahne um die Schultern jubelte Marko Anttila über den 2:1-Erfolg und schrie seine Freude am lautesten von allen heraus, als er mit der Goldmedaille um den Hals und geballter Faust vom Eis im National Indoor Stadium kam.
Der stellvertretende Kapitän musste sich nach der Ankunft in China zunächst für sechs Tage in einem Quarantänehotel isolieren, ehe er wieder zum Team stoßen durfte. Am Sonntag schlenzte er in der 41. Minute jenen Puck auf das russische Tor, den Hannes Björninen unhaltbar zur Entscheidung ins Netz abfälschte.
„Ich habe darüber nachgedacht, dass wir etwas gewinnen können, und wie es sich anfühlen würde, etwas nach der Quarantäne zu gewinnen“, sagte der 36 Jahre alte Anttila vor dem Finale. Wie gut es sich anfühlte, war dem 2,03 Meter großen Hünen in jeder Sekunde nach der Schlusssirene anzusehen. „Das Ziel war, hierherzukommen, das zu genießen und den Traum wahr zu machen“, sagte der Stürmer. Um 14.20 Uhr Ortszeit am Sonntag wurde er wahr und entschädigte Anttila für das, was auch andere Athletinnen und Athleten nach ihrer Ankunft und einem folgenden positiven CoronaTest erlebten.
Für die Eishockeynation Finnland war es 16 Jahre nach dem 2:3 im Finale gegen Schweden in Turin der so erhoffte große Tag – trotz der frühen Uhrzeit daheim. Präsident Sauli Niinistö schaute dennoch zu und gratulierte Trainer Jukka Jalonen telefonisch.
„Wir waren ein paar Mal dicht dran“, sagte Kapitän Valtteri Filppula, „es ist schwer, in Worte zu fassen, was das bedeutet.“Jalonen versuchte es: „Wir haben finnische Sportgeschichte geschrieben. Ich bin sicher, dass die Menschen in Finnland sehr stolz darauf sind.“Lachen musste er erst, als er erklärte, er sei trotzdem nur ein normaler finnischer Mann.
Ville Pokka (24. Minute) und Björninen (41.) sorgten nach dem Rückstand durch Michail Grigorenko (8.) für den verdienten Erfolg der besten Mannschaft dieses Turniers. Die Finnen blieben ohne Niederlage und dominierten mit ihrer nüchternen und unbequemen Spielweise auch über weite Strecken das Endspiel. Es war bei weitem nicht so spektakulär wie die denkwürdige 3:4-Verlängerungsniederlage der deutschen Mannschaft vor vier Jahren gegen die russische Auswahl in Pyeongchang.
Deutschland-Bezwinger Slowakei sicherte sich mit einem klaren 4:0 über Schweden Bronze und damit die erste Eishockey-Oympiamedaille als eigenständige Nation. In Abwesenheit der wegen der Corona-Pandemie fehlenden Profis aus der Nordamerika-Liga NHL war der 17-jährige Juraj Slafkovsky die Entdeckung des Turniers. Der slowakische Teenager wurde mit sieben Treffern Torschützenkönig.
Toni Söderholm verspürt bei der Entscheidung über seine Zukunft als Eishockey-Bundestrainer überhaupt keine Eile. „Man darf nicht vergessen: Ich habe noch einen Vertrag bis Juni, nach der WM. Es gibt noch Zeit“, sagte der Finne bei Eurosport. Der Deutsche Eishockey-Bund würde gerne mit dem 43-Jährigen weitermachen. „Wir haben sehr gute Gespräche geführt“, sagte Söderholm. Zuletzt habe es eine „Ruhezeit“gegeben, neue Unterredungen würden kommen: „Es geht um mehrere Faktoren, und wenn die alle passen, dann wird es gutgehen.“(SID)