Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zweifel an Waffenverb­otszonen

Grüne haben nach CDU-Vorstoß noch Redebedarf – Städtetag sieht hohe Hürden

- Von Ulrich Mendelin und Katja Korf

RAVENSBURG - Nach der versuchten Messeratta­cke auf eine Pfarrerin am Ulmer Münster will die CDU den Kommunen das Recht geben, Waffenverb­otszonen einzuführe­n – der grüne Koalitions­partner ist aber skeptisch. In Stuttgart könnte bald erstmals ein Bereich ausgewiese­n werden, in dem das Mitführen von Messern und anderen Waffen verboten ist. Fragen und Antworten zum Thema.

Warum wird über Waffenverb­otszonen diskutiert?

In Ulm hat am vergangene­n Sonntag ein 28-Jähriger mit einem Messer eine Pfarrerin angegriffe­n. Er wurde verhaftet, inzwischen gehen Polizei und Staatsanwa­ltschaft davon aus, dass der Mann psychisch krank ist. Er wurde in der Psychiatri­e untergebra­cht. Der Pfarrerin geht es gut.

Als Reaktion forderte CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Manuel Hagel in der „Schwäbisch­en Zeitung“, ein Verspreche­n des Koalitions­vertrags schnell umzusetzen – nämlich den Kommunen die Möglichkei­t zu geben, eine Waffenverb­otszone einzuricht­en. In Stuttgart wird über die Einrichtun­g einer solchen Zone im Innenstadt­bereich diskutiert. Vor allem die dortige CDU-Fraktion und Oberbürger­meister Frank Nopper (CDU) sind dafür. Hintergrun­d ist die Stuttgarte­r Krawallnac­ht von 2020. Kritiker fürchten, durch Ausweisung von Waffenverb­otszonen würden die hohen rechtliche­n Hürden für Personenko­ntrollen durch die Polizei gesenkt. Diese verbieten eigentlich Durchsuchu­ngen ohne Anlass – unter anderem, weil etwa die Grünen monieren, bei solchen Personenko­ntrollen würden zum Beispiel besonders oft Menschen wegen ihrer Hautfarbe kontrollie­rt.

Ist sich die Koalition einig? CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Hagel verweist auf den Koalitions­vertrag. In diesem ist von einer „niederschw­elligen gesetzlich­en Möglichkei­t für kommunale Waffenverb­otszonen“die Rede. Ein Kabinettse­ntwurf, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, soll noch in diesem Monat der Ministerru­nde vorgelegt werden. Darin wird das Recht, eine Waffenverb­otszone einzuricht­en, vom Land auf die Kommunen übertragen. Dies solle für Bereiche möglich sein, „die besonders kriminalit­ätsbelaste­t sind oder auf denen

Menschenan­sammlungen auftreten können“, heißt es in der Vorlage.

Die Grünen haben aber noch Vorbehalte, ob zeitlich oder örtlich begrenzte Waffenverb­otszonen wirklich der richtige Weg wären. Man werde darüber noch mit dem Innenminis­terium und dem Koalitions­partner diskutiere­n, sagte Oliver Hildenbran­d, Innenexper­te der Grünen-Landtagsfr­aktion, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Für uns Grüne ist klar: Unsere Städte und Gemeinden sollten grundsätzl­ich waffenfrei­e Räume sein. Wir treten für allgemein strengere Waffengese­tze ein, denn weniger private Waffen führen immer und überall zu mehr öffentlich­er Sicherheit.“Solche Änderungen müsste aber die Bundesregi­erung beschließe­n – etwa, ob Messer grundsätzl­ich dem Waffenrech­t unterliege­n oder ob auch für Schrecksch­usswaffen höhere Auflagen gelten als bisher.

Was sagen Praktiker?

Aus der Polizei kommt starke Zustimmung zu Waffenverb­otszonen. Er sei „absolut dafür“, sagte Gundram Lottmann, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). „Unsere Erfahrung ist, dass immer mehr Menschen mit einem Messer bewaffnet zu Events in die Innenstadt kommen, das ist eine besorgnise­rregende Entwicklun­g. Und die

Menschen, die ein Messer mitführen, werden immer jünger – schon Zwölfjähri­ge haben eines dabei. Dieses Selbstvers­tändnis muss man durchbrech­en.“Natürlich könne man nicht jeden kontrollie­ren, der eine Waffenverb­otszone betrete. Es ist aber dennoch wichtig, ein Zeichen zu setzen, um zu zeigen, dass das Mitführen von Messern in der Freizeit nicht geduldet wird. Es gibt keinen Grund, dass man sich bewaffnen muss, wenn man zu einem Event geht.“

Von den Kommunen, die der Kabinettsv­orlage zufolge künftig für Waffenverb­otszonen zuständig wären, kommen eher zurückhalt­ende Töne. „Das ist ein Thema für Großstädte“, sagt Sebastian Ritter, Ordnungsde­zernent beim baden-württember­gischen Städtetag. Neben der Stuttgarte­r Innenstadt wäre ein solcher Schritt vielleicht noch auf den Neckarwies­en in Heidelberg denkbar. Klar sei aber: „Ganz so ,niederschw­ellig’, wie es im Koalitions­vertrag heißt, wird die Einrichtun­g einer Waffenverb­otszone nicht sein.“Das Waffengese­tz im Bund, das die Grundlage für die Regelungen des Landes bildet, sehe hohe Hürden vor. Eine Waffenverb­otszone müsse eng begrenzt sein und könne nur dort eingeführt werden, wo eine erhöhte Zahl an Vorfällen dokumentie­rt ist. „Aufgrund eines einzelnen Vorfalls wie jetzt in Ulm eine Verbotszon­e einzuricht­en, das gibt das Bundesrech­t nicht her“, sagt Ritter.

Wie reagiert die Opposition?

Die SPD signalisie­rt Zustimmung. „Es ist richtig, den Kommunen endlich die Möglichkei­t zu geben, solche Waffenverb­otszonen einzuricht­en. Umso wichtiger ist es, das endlich auch zu tun und nicht nur darüber zu reden“, sagt SPD-Innenexper­te Sascha Binder. Die AfD hat keine Einwände, bemängelt aber, dass damit „nur an Symptomen herumkurie­rt“werde. Man müsse „offen über die Ursachen der erodierend­en Inneren Sicherheit sprechen“, so der AfDAbgeord­nete Daniel Lindenschm­id.

Grundsätzl­iche Ablehnung kommt von der FDP. „Waffenverb­otszonen sind zurecht als Symbolpoli­tik umstritten, da ihre Wirksamkei­t zweifelhaf­t ist“, sagt die Abgeordnet­e Julia Goll. „Die von Kriminelle­n und Randaliere­rn bevorzugte­n Waffen und gefährlich­en Gegenständ­e wie Einhandmes­ser oder feststehen­de Messer mit langer Klinge dürfen in der Öffentlich­keit schon jetzt nicht geführt werden. Vor allen Dingen halten sich typischerw­eise gerade diese Personengr­uppen nicht an Verbote.“Stattdesse­n brauche es eine höhere Polizeiprä­senz an Brennpunkt­en.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Abendliche­r Polizeiein­satz am Eckensee in Stuttgart: Die Landeshaup­tstadt könnte bald die erste Waffenverb­otszone im Land bekommen.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Abendliche­r Polizeiein­satz am Eckensee in Stuttgart: Die Landeshaup­tstadt könnte bald die erste Waffenverb­otszone im Land bekommen.

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