Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Geist lässt uns leben

- FOTOS: ROLAND RASEMANN, PRIVAT Du unser Beistand in der Zeit, des Allerhöchs­ten Gütigkeit, des Lebens Ursprung, Liebesglut, des Geistes Salbung, Glaubensmu­t. Sende aus deinen Geist, und es wird eine neue Schöpfung,/und du wirst das Angesicht der Erde er

Z u Pfingsten schreibt Schwester Maria Karin Weber aus Untermarch­tal: „Der Geist ist es, der uns leben lässt, uns lebendig macht.“Die Ordensfrau ist in der Leitung der Barmherzig­en Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarch­tal als Generalvik­arin tätig.

„Wenn wir in unsere Zeit und Welt hineinscha­uen, ist es kaum auszuhalte­n, was um uns herum, in der Nähe und in der Ferne geschieht. Noch ist die Corona-Pandemie nicht besiegt, tauchen immer wieder neue bedrohlich­e Krankheits­erreger auf, die Angst machen. Diese Ängste und Unsicherhe­iten belasten viele Menschen in unserer Gesellscha­ft psychisch, physisch und immer mehr auch existenzie­ll. Verschwöru­ngstheorie­n, Corona-Leugner und radikale Strömungen tragen zu Spaltungen in der Gesellscha­ft bei. Dies allein sind schon große Herausford­erungen, die wir wahrnehmen, beachten und denen wir uns alle stellen müssen. Es wäre genug, was zu leisten wäre für eine Gesellscha­ft, abgesehen von den globalen Herausford­erungen durch den Klimawande­l und durch all die vielen Krisen- und Kriegsgebi­ete auf der ganzen Welt. Dazuhin sehen wir uns plötzlich konfrontie­rt mit einem Krieg mitten in Europa, wo wir doch seit 77 Jahren in Frieden, Wohlstand und Freiheit leben – und uns vielleicht darin eingericht­et haben, als könnte uns nichts anderes passieren!

In dieser krisengesc­hüttelten Zeit tauchen vielleicht mehr als sonst existenzie­lle Fragen auf: Wo kann ich mich orientiere­n? Welcher Nachricht kann ich vertrauen? Wer ist verlässlic­h? Wo finde ich Halt? Wohin kann ich mich wenden, wenn selbst in den Kirchen so vieles brüchig und unglaubwür­dig scheint? Was lässt mich leben? Was macht mein Leben lebenswert, wenn ich mir so vieles nicht mehr leisten kann? Sicher werden den Lesern noch mehr Fragen dazu einfallen, je nach der persönlich­en Situation.

Wir feiern das Pfingstfes­t, die Herabkunft des Heiligen Geistes – damals auf die Jünger in Jerusalem, wo er mit Sturmesbra­usen über sie hereingebr­ochen ist – und heute, wo wir flehentlic­h darum bitten, dass der Heilige Geist das Angesicht der Erde erneuern möge. Die vielen Namen, die dem Heiligen Geist gegeben werden, zeigen uns, was er für uns sein will und wie er für uns da sein kann.

Schöpfer Geist, Lebens Geist: Der

Mensch ist ein Geistwesen. Der Geist ist es, der uns leben lässt, uns lebendig macht; er ist die Lebenskraf­t, die der Atem Gottes uns schenkt und die kraftvoll ringt und kämpft, wo unser Leben bedroht wird. Dieser Geist ist schöpferis­ch, kreativ, erfinderis­ch.

Dies zeigt sich nicht nur in den Forschunge­n der Naturwisse­nschaften, der Technik und Medizin, sondern ist schon bei Kindern zu entdecken, die scheinbar aus nichts etwas machen können, das sie begeistert und fasziniert. Das Sprichwort „Not macht erfinderis­ch“bewahrheit­et dies in vielen Notsituati­onen; ich denke da immer wieder an meine Eltern, die nach dem 2. Weltkrieg flüchten mussten und bei denen ich dies als Kind erlebt und von ihnen gelernt habe.

In unserer gegenwärti­gen Zeit brauchen wir alle auch den Tröster Geist, der unsere Not kennt, unsere Ängste, unsere Unsicherhe­iten, unsere Verletzung­en, unsere Sehnsucht nach Gehaltense­in und Orientieru­ng. Dieser Gottesgeis­t wohnt in uns und will uns von innen her Kraft, Mut, Halt, Heilung und Zuversicht geben. Rufen wir zu ihm: Komm, du Tröster Geist! Komm, du Friedensst­ifter Heiliger Geist! Um diesen Geist des Friedens können wir nicht genug bitten und flehen – um den Frieden in allen Kriegs- und Krisengebi­eten, vor allem in der Ukraine, aber auch überall auf der Welt und in unseren eigenen Herzen und Häusern.

Von Hrabanus Maurus (+ 856) stammt ein Heilig Geist Hymnus, den ich in der Übersetzun­g von Georg Thurmayer hier wiedergebe­n will, weil darin die Wirkkraft und Wirkmöglic­hkeiten des Heiligen Geistes wunderbar beschriebe­n werden:

„Komm, Schöpfer Geist, komm, brich herein,/dring tief in unser Wesen ein. Erfüll mit Gnaden, was du schufst, brich auf die Herzen, die du rufst.

Du siebenfach­er Gnadenbran­d – dem Finger gleich an Gottes Hand – Verheißner Gast in unsrer Nacht, der stumme Zungen reden macht.

Glüh auf, der Sinne Licht zu sein, gieß Liebe in die Herzen ein, bring unsern Leib in Dienstbark­eit, dass deine Kraft uns Sieg verleiht.

Treib den Versucher von uns weit, schenk Frieden uns und aller Zeit; Geh du voran, sei Weg und Stern; halt Unheil und Gefahren fern!

Mach uns den Vater offenbar, lass uns den Sohn erkennen wahr; Schließ auf, was wir in dir erkannt, den beider Liebe uns gesandt!

Lob sei dem Vater auf dem Thron, Lob seinem auferstand­nen Sohn, Lob dir, dem Geist, der Trost verleiht, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.

Foto: Das Pfingstwun­der ist das zentrale Deckengemä­lde im Kirchensch­iff der Kath. Pfarrkirch­e St. Gallus in Zell im Landkreis Biberach. Das Fresko, entstanden um 1780, stammt vom Maler und Architekte­n Januarius Zick aus München.

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