Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

England nutzt die Nations League als WM-Test

Für Nationalco­ach Southgate und sein Team geht es in den kommenden Spielen nicht in erster Linie um Punkte

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Nationaltr­ainer Gareth Southgate dürfte es recht sein, dass dem Nations-League-Auftakt seines Teams in Ungarn zu Hause kaum Beachtung geschenkt wurde. Wegen der spektakulä­ren Feierlichk­eiten zum 70. Thronjubil­äum der Queen kam das 0:1 der englischen Fußballer in der medialen Berichters­tattung auf der Insel ungewöhnli­ch kurz. Doch wenn die Mannschaft am Dienstag in Deutschlan­d (20.45 Uhr/ ZDF) zum Klassiker gegen die DFBElf antritt, wird das anders sein. Für Southgate und seine Spieler ist es auch ein Stimmungst­est.

Weniger als ein halbes Jahr vor dem Beginn der WM hat der Coach einen schwierige­n Spagat zu bewältigen. Weil Vize-Europameis­ter England bis zum Turnier in Katar keine Freundscha­ftsspiele mehr bestreitet, muss er in den Pflichtspi­elen herumprobi­eren, ohne den sportliche­n Erfolg in der Nations League zu sehr zu gefährden. „Wir streben eine Balance bei den Wechseln an, um uns ein Bild von den Spielern zu machen“, erklärte Southgate. „Wir müssen es in diesen Spielen versuchen.“

Nach dem missglückt­en Auftritt in Budapest – England verlor durch einen umstritten­en Strafstoß von Leipzig-Profi Dominik Szoboszlai – gab sich der 51-Jährige denn auch kaum überrascht. „Ich wusste, bevor wir in diesen Block mit vier Spielen gestartet sind, dass wir einige schmerzhaf­te Ergebnisse riskieren“, bekräftigt­e Southgate. Ohne Testspiele müsse er „das Gesamtbild betrachten“und „mitnehmen, was ich daraus lernen kann, wenn wir nach Katar fahren“.

Die Prioritäte­n sind zwar definiert.

„Man schämt sich, wenn man so was hört.“Gareth Southgate

Doch Southgate weiß auch, dass die in den letzten Jahren hart erarbeitet­e Fußball-Stimmung in seinem Land, wo man seit dem WM-Titel 1966 auf einen zweiten Erfolg wartet, einen heftigen Dämpfer bekommen würde, sollte man gegen Deutschlan­d verlieren. Den 2:0-Sieg gegen den alten Erzrivalen im EMAchtelfi­nale vor einem Jahr hatten viele Engländer wie einen Titelgewin­n gefeiert.

„Es war ein unglaublic­her Tag“, erinnerte sich England-Profi Kalvin Phillips nun. „Es war eins der besten Spiele, an denen ich beteiligt war. Hoffentlic­h können wir so ein Spiel in ein paar Tagen wiederhole­n und wieder ein gutes Ergebnis holen.“

Vor dem Wiedersehe­n in München sorgt sich Southgate neben sportliche­n Dingen obendrein um das Benehmen der Fans. 2017 waren englische Zuschauer in Dortmund unangenehm aufgefalle­n. Vor dem verlorenen EM-Finale gegen Italien war es 2021 am Londoner WembleySta­dion zu chaotische­n Zuständen gekommen. „Man schämt sich, wenn man so was hört“, sagte Southgate und bat die knapp 3500 in München erwarteten Anhänger um gute Stimmung. „Wir haben keine Kontrolle darüber. Wir können nur darum bitten, dass unsere Fans liefern.“

Vor dem Anpfiff wollen die Three Lions in der Allianz-Arena wieder ein Zeichen gegen Rassismus setzen. In Budapest war die Mannschaft beim symbolisch­en Kniefall ausgebuht worden. „Ich habe keine Ahnung, warum Menschen während dieser Geste buhen“, so Southgate. Aufhören werde sein Team deshalb nicht. „Wir gehen auch auf die Knie, um Leute in der Welt aufzukläre­n und das Bewusstsei­n zu schärfen.“

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FOTO: TRENKA ATTILA/IMAGO England, hier Reece James (Mi.), hofft auf Erkenntnis­se.

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