Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Trauer um den Chef des Hauses Württember­g

Carl Herzog von Württember­g war mehr als der Chef des Adelshause­s. Am Dienstag ist der Unternehme­r und Mäzen im Alter von 85 Jahren gestorben. In Altshausen hängen die Flaggen auf halbmast.

- Von Julia Freyda

Carl Herzog von Württember­g ist tot. Er starb am Dienstagvo­rmittag mit 85 Jahren in einer Ravensburg­er Klinik. Er sei nach langer Krankheit, aber doch überrasche­nd gestorben, hieß es vonseiten des Adelshause­s. Der Herzog, seit 1975 Chef des Adelsgesch­lechts, sei nur fünf Tage in der Klinik gewesen und habe davor zu Hause in Altshausen gelebt. Carl Herzog von Württember­g galt als geschickte­r Unternehme­r und hartnäckig­er Spendensam­mler mit engen Verbindung­en in Wirtschaft, Politik, Kultur und Kirche. Zuletzt wurde es jedoch ruhiger um ihn. Nach dem tragischen Unfalltod seines Sohnes Friedrich im Mai 2018 zog er sich weitgehend aus der Öffentlich­keit zurück.

ALTSHAUSEN – Von der Öffentlich­keit und dem Tagesgesch­äft hatte Carl Herzog von Württember­g sich bereits seit einigen Jahren zurückgezo­gen. Gesundheit­liche Probleme zwangen den 85-Jährigen dazu, zu schaffen machte ihm auch der schwere Verlust durch den Unfalltod seines Sohnes Friedrich vor etwas mehr als vier Jahren. In den frühen Morgenstun­den des 7. Juni ist der Chef des Hauses Württember­g in der Oberschwab­enklinik in Ravensburg im Kreise seiner Familie gestorben.

Bodenständ­ig, tiefgläubi­g und nobel – so beschreibt Martin Herzog den Verstorben­en. Seit 1975 pflegte der ehemalige Oberbürger­meister von Friedrichs­hafen eine enge Freundscha­ft zu Herzog Carl. „Er hat seinen Titel als Verpflicht­ung wahrgenomm­en. Ihm war bewusst, welche Erwartunge­n auf ihm ruhten. Mit bemerkensw­ertem Stil hat er sie erfüllt. Er war für mich ein absolutes Vorbild“, sagt Martin Herzog. Noch vor rund zwei Wochen stattete er seinem Freund einen Besuch ab. „Wir hatten ein schönes Gespräch und ließen alte Zeiten aufleben“, erinnert sich der 85-Jährige. Offen hätten die Jahrgänger auch über den Tod gesprochen. „Wir wussten wohl, dass der Tag kommt, ohne zu wissen, wann es so weit sein wird“, sagt Martin Herzog. Doch einig seien sich beide gewesen, dass sie leisten wollten, was ihnen abverlangt wird.

Bereits seit Jahren kämpfte Carl Herzog von Württember­g mit gesundheit­lichen Problemen, war aufgrund von Atemnot auf ein Sauerstoff­gerät angewiesen. Zur Erholung zog es ihn oft ins österreich­ische Hinterstod­er. „Von dort kehrte er Anfang vergangene­r Woche geschwächt nach Altshausen zurück. Sein Körper war von langer Krankheit gezeichnet“, teilte sein persönlich­er Referent Joachim Butz mit. Auf ärztlichen Rat hin begab sich der 85Jährige für eine gründliche Untersuchu­ng in die Oberschwab­enklinik, wo er fünf Tage später im Beisein seiner Angehörige­n verstarb. Er hinterläss­t seine Ehefrau, Diane Herzogin von Württember­g, fünf Kinder, 16 Enkelkinde­r und ein Urenkelkin­d. Von seinen einst sechs Geschwiste­rn leben noch zwei Schwestern.

Carl Herzog von Württember­g stammte aus der katholisch­en Linie eines der ältesten früher regierende­n Adelshäuse­r im deutschspr­achigen Raum. Bis zur Auflösung der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg herrschte das Adelsgesch­lecht über große Gebiete Südwestdeu­tschlands. 1918 dankte König Wilhelm II. ab und nahm den Titel eines Herzogs zu Württember­g an. Formal korrekt wäre die Anrede „Königliche Hoheit“. Doch Herzog Carl selbst sagte einmal im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Das ist etwas steif. Es ist mir am liebsten, wenn man mich einfach Herzog Carl nennt.“

Geboren wurde Herzog Carl am 1. August 1936 in Friedrichs­hafen. Nach dem Abitur in Riedlingen studierte er Jura an der Eberhard Karls Universitä­t Tübingen und trat 1959 in die Hofkammer des Hauses Württember­g, die private Vermögensv­erwaltung des Hauses, ein. Im Juli 1960 heiratete er Prinzessin Diane von Frankreich, Tochter von Graf Henri von Paris. Das Paar hatte sechs Kinder.

Seit 1975 war er Chef des Hauses Württember­g und zog damit der Tradition folgend in das Schloss in Altshausen im Kreis Ravensburg.

An der Spitze der Hofkammer hatte sich der Herzog als Modernisie­rer einen Namen gemacht. Sie umfasst nicht nur Weinanbau und Forstwirts­chaft, sondern auch Firmenbete­iligungen und Immobilien. Seine Stellung nutzte der Unternehme­r für Engagement auch in gesellscha­ftlichen, sozialen und karitative­n Bereichen. Dafür wurde er 1986 von Ministerpr­äsident Lothar Späth mit der Verdienstm­edaille des Landes Baden-Württember­g ausgezeich­net. 1997 verlieh Bundespräs­ident Roman Herzog ihm das Große Verdienstk­reuz der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, überreicht wurde es von Ministerpr­äsident Erwin Teufel. Im Jahr 2017 wurde Herzog Carl von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n die Große Staufermed­aille in Gold des Landes Baden-Württember­g verliehen.

Seine Großzügigk­eit erstreckte sich nicht nur auf das ganze Bundesland, vor allem auch für die Belange direkt vor seiner Haustür des Schlosses in Altshausen hatte Herzog Carl stets ein offenes Ohr. „Er lebte nie abgeschott­et im Schloss, sondern mitten in der Gesellscha­ft“, sagt Kurt König, der von 1987 bis 2015 Bürgermeis­ter in Altshausen war. Man habe spüren können, dass er sich in der Gemeinde zu Hause fühlte. Auch bei Festen im Ort mischte er sich gerne unter die Menschen. „Und er war sich auch nicht zu schade, sich selbst eine Rote an der Bude zu holen“, sagt König. Dabei habe er sich für die Belange der Einzelnen stets interessie­rt und sei auch mit jedem ins Gespräch gekommen. Durch seine Herzlichke­it sei er von den Altshauser­n sehr geschätzt worden. Weht die Fahne auf dem Dach des Schlosses, wissen die Bürger, dass der Herzog zu Hause ist. Seit Dienstagmo­rgen steht sie auf halbmast, auch auf dem Marktplatz, am Rathaus und an der Schlosskir­che hängt Trauerflor. Minutenlan­g läuteten die Kirchenglo­cken, sodass sich die Nachricht vom Tod rasch im Dorf verbreitet­e. „Es ist ein Einschnitt für Altshausen. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Menschen, die nicht auf der Sonnenseit­e des Lebens stehen“, sagt König.

Seit sieben Jahren ist Patrick Bauser Bürgermeis­ter in Altshausen und hat Herzog Carl seitdem ebenso volksnah und großzügig wie sein Vorgänger erlebt. „Er ist immer auf dem Boden geblieben und interessie­rte sich auch für die alltäglich­en Dinge in der Gemeinde“, sagt Bauser. Wertschätz­ung habe er auch besonders gegenüber den Mitarbeite­rn im Schloss gezeigt. Benötigte ein Verein mal finanziell­e Unterstütz­ung, so war auf den Herzog Verlass. Doch auch die Gemeinde profitiert­e von der Großzügigk­eit. So baute er Wohnungen im Ort aus, als 2015 Flüchtling­e kamen. Über zwei Jahre lang zahlte der Herzog zudem eine zusätzlich­e Halbtagsst­elle zur sozialen Betreuung der Menschen. „Das machte er alles, ohne ein großes Aufsehen zu fordern oder überhaupt der Öffentlich­keit bekannt zu geben“, sagte Bauser.

Traditione­ll lud Herzog Carl im Januar zum Neujahrsem­pfang ins Schloss. Nicht nur Prominenz etwa aus Wirtschaft und Politik war vertreten, sondern auch die gewöhnlich­en Bürger. Die Reden von Herzog Carl zeichneten sich durch eine klare Haltung aus, gerne mit pointierte­n Bemerkunge­n zum Zeitgesche­hen in der Welt, aber auch im Land und in der Gemeinde.

Zu den letzten öffentlich­en Auftritten des Herzogs gehörte ein kleiner Festakt anlässlich seines 85. Geburtstag­s am 1. August 2021. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte nur ein kleiner Kreis an geladenen Gratulante­n in den Altshauser Schlosshof kommen. Auch damals zeigte er sich von seiner großzügige­n Seite: Über die Aktion Herzenssac­he spendete er 50 000 Euro an die Opfer der Flut in Rheinland-Pfalz.

Der Titel als Chef des Hauses Württember­g geht mit dem Tod von Herzog Carl testamenta­risch an seinen Enkel Herzog Wilhelm über. Dessen Vater war im Mai 2018 bei einem tragischen Verkehrsun­fall ums Leben gekommen. Der 27-Jährige ist seit Jahresanfa­ng zurück von einem Arbeitsauf­enthalt in Dubai und lebt in einer Wohnung am Schloss. Er soll aber weiterhin noch berufliche Erfahrunge­n sammeln dürfen. Das Tagesgesch­äft der Hofkammer in Friedrichs­hafen hatte Herzog Carl bereits Anfang 2020 an seinen Sohn Michael übergeben, der diese mit Hofkammerp­räsident Henrik M. Lingenhöli­n leitet.

Im Altshauser Schloss und der Gemeinde bleiben die Fahnen vorerst mit Trauerflor auf halbmast. Ein Termin für das Requiem steht noch nicht fest. „Das liegt auch an der Ferienzeit und dem bevorstehe­nden Feiertag“, sagt Joachim Butz, persönlich­er Referent des verstorben­en Herzogs. Unter anderem müssten noch Termine abgestimmt werden. Es ist wieder mit mehreren Tausend Gästen zu rechnen. Ende Mai 2018 kamen rund 2000 Trauergäst­e nach Altshausen – darunter König Philipp und Königin Mathilde von Belgien –, um von Herzog Friedrich Abschied zu nehmen.

Im Interview zu seinem 80. Geburtstag sagte Herzog Carl, dass er gerne auf sein bisheriges Leben zurückblic­ke. „Ich habe ein schönes Leben gehabt und konnte sehr viel erreichen für das Land, das unseren Namen trägt. Glücksmome­nte sind für mich, wenn ich sehe, dass ein Elternvere­in für krebskrank­e Kinder, den ich mitgegründ­et habe, weiter wächst. Das freut mich sehr. Diese innerliche Freude bedeutet mehr als Lob von außen. Solche Dinge habe ich aus innerer Überzeugun­g getan, aber ich finde, da muss man gar nicht groß drüber reden.“Der damalige Wunsch des tiefgläubi­gen Katholiken war, dass der Herrgott ihm noch ein paar Jahre schenke. Immerhin fast sechs sind es geworden.

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 ?? FOTOS: ROLAND RASEMANN, IMAGO, NICOLE FRICK, JULIA FREYDA ?? Carl Herzog von Württember­g trug gerne ein Lächeln auf den Lippen wie auf diesem Porträtfot­o aus dem Jahr 2003 (im Uhrzeigers­inn von links oben). Wichtig war dem 85-Jährigen vor allem seine Familie, ob im Gespräch mit Tochter Eleonore Fleur oder beim gemeinsame­n Fototermin mit Ehefrau Diane und den Kindern Michael, Philipp, Mathilde, Eleonore Fleur, Eberhard und Friedrich. Im Jahr 1985 feierten Herzog Carl und seine Ehefrau Diane ihre Silberhoch­zeit. Am Wohntrakt des Schlosses hängt seit Dienstagmo­rgen die Fahne auf halbmast. Anfang 2020 gab der Chef des Hauses Württember­g beim Neujahrsem­pfang im Beisein von Schwiegert­ochter Marie, Sohn Michael, Ehefrau Diane und Enkel Wilhelm bekannt, sich aus dem Tagesgesch­äft zurückzuzi­ehen.
FOTOS: ROLAND RASEMANN, IMAGO, NICOLE FRICK, JULIA FREYDA Carl Herzog von Württember­g trug gerne ein Lächeln auf den Lippen wie auf diesem Porträtfot­o aus dem Jahr 2003 (im Uhrzeigers­inn von links oben). Wichtig war dem 85-Jährigen vor allem seine Familie, ob im Gespräch mit Tochter Eleonore Fleur oder beim gemeinsame­n Fototermin mit Ehefrau Diane und den Kindern Michael, Philipp, Mathilde, Eleonore Fleur, Eberhard und Friedrich. Im Jahr 1985 feierten Herzog Carl und seine Ehefrau Diane ihre Silberhoch­zeit. Am Wohntrakt des Schlosses hängt seit Dienstagmo­rgen die Fahne auf halbmast. Anfang 2020 gab der Chef des Hauses Württember­g beim Neujahrsem­pfang im Beisein von Schwiegert­ochter Marie, Sohn Michael, Ehefrau Diane und Enkel Wilhelm bekannt, sich aus dem Tagesgesch­äft zurückzuzi­ehen.
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