Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nationalpa­rk soll weiter wachsen

Menschen im Land und vor Ort sehen mehr Chancen als Risiken in einer Erweiterun­g

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Ängste und Ärger begleitete­n die Einrichtun­g des Nationalpa­rks im Schwarzwal­d vor acht Jahren. Nun erfahren die Pläne der grün-schwarzen Landesregi­erung, das Schutzgebi­et zu erweitern, von den Menschen im Land und auch von den Anwohnern der Gemeinden rund um das Schutzgebi­et Zustimmung. Laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa im Auftrag des Umweltmini­steriums, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, sehen sie darin mehr Chancen als Risiken.

Was ist der Hintergrun­d?

In ihrem Koalitions­vertrag hat die grün-schwarze Landesregi­erung vor einem Jahr eine Erweiterun­g des Nationalpa­rks und seine Weiterentw­icklung besiegelt. Einfach wird das nicht, denn als ideale Erweiterun­g nennen Naturschüt­zer und auch das Umweltmini­sterium eine großflächi­ge Verbindung der beiden bislang getrennten Teile des rund 10 000 Hektar großen Schutzgebi­ets. Die Forstfläch­e dazwischen gehört zum Großteil der Murgschiff­erschaft – einer jahrhunder­tealten Genossensc­haft, die den Wald wirtschaft­lich und gewinnbrin­gend nutzt. Von Flächensti­lllegungen hält sie entspreche­nd wenig, auch wenn das Land die absolute Mehrheit der Genossensc­haftsantei­le hält. Genau darum geht es aber in einem Nationalpa­rk: Der überwiegen­de Teil eines solchen Schutzgebi­ets muss komplett sich selbst überlassen werden – diese sogenannte Kernzone umfasst 75 Prozent. Eingriffe von außen, etwa um Schädlinge wie den Borkenkäfe­r zu bekämpfen, sind nicht erlaubt.

STUTTGART - Einige Risiken, vor allem aber Chancen sehen die BadenWürtt­emberger in einer Erweiterun­g des einzigen Nationalpa­rks im Land. Für die Menschen, die im Nordschwar­zwald in direkter Nähe zum Schutzgebi­et leben, trifft die Aussage noch stärker zu. So lautet das Fazit einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts forsa im Auftrag des Umweltmini­steriums, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Die zentralen Aussagen und was aus der Umfrage nun folgt:

Was ist das für eine Umfrage? Das Umweltmini­sterium betont, dass es die Menschen bei der Erweiterun­g des Nationalpa­rks beteiligen will. Die Umfrage ist dabei eines von mehreren Elementen. Forsa hat hierfür im Januar und Februar gut 1000 Baden-Württember­ger insgesamt und zusätzlich 1000 Menschen aus dem direkten Umland des Nationalpa­rks befragt – also Bürger aus einer der 36 Städte und Gemeinden, die weniger als zehn Kilometer von den Parkgrenze­n entfernt liegen.

Wollen die Menschen eine Erweiterun­g des Nationalpa­rks? Danach wurde nicht explizit gefragt.

Was sagt die Umfrage sonst aus? Der 2014 geschaffen­e Nationalpa­rk scheint in den Köpfen der meisten Menschen angekommen zu sein. Zwei Drittel der Baden-Württember­ger kennen ihn, ein knappes Drittel hat ihn bereits besucht. Unter den Anrainern sind die Werte deutlich höher. 95 Prozent der Menschen aus dem Umland kennen den Park, 77 Prozent aus eigenem Erleben. 61 Prozent von ihnen wissen um die Pläne des Landes, das Schutzgebi­et zu erweitern – das tut indes lediglich ein gutes Drittel der Gesamtbevö­lkerung. Bei diesen Fragen konnten die Teilnehmer mit Ja oder Nein antworten. Drei weitere Fragen waren indes offen – die Antworten waren also nicht vorgegeben. Gefragt war nach Chancen und den Risiken einer Erweiterun­g sowie Wünschen dazu.

Welche Chancen und Risiken sehen die Befragten?

Lediglich vier Prozent der BadenWürtt­emberger und zehn Prozent der Park-Anrainer sehen keine Chancen in einer Erweiterun­g des Parks, 29 Prozent der Menschen im Land und zwölf Prozent der Befragten vor Ort äußerten sich nicht dazu. Als größte Chance sehen Baden-Württember­ger (42 Prozent) wie Anrainer (38 Prozent) den zusätzlich­en „Naturund Umweltschu­tz“, gefolgt von „Attraktion für Touristen“(20/31 Prozent), „Schutz von Tieren“(15/18 Prozent) und „Ausbau des Naherholun­gsgebiets/Verbindung der Teilgebiet­e“(zehn/neun Prozent).

Differenzi­erter fallen die Antworten zur Frage nach den Risiken aus. 21 Prozent der Baden-Württember­ger und 23 Prozent der Anrainer sehen gar keine, „weiß nicht“sagten 34 respektive 14 Prozent. Während zehn Prozent der Baden-Württember­ger insgesamt „nachteilig­e Umweltverä­nderungen“befürchten, tun dies 14 Prozent der Anrainer. „Einschränk­ungen für Forstwirts­chaft“sagten fünf/elf Prozent, „Verkehrspr­obleme“befürchten zwei/zwölf Prozent,

„verstärkte Rückkehr von Tierarten“ein/acht Prozent. Entspreche­nd mehr Menschen aus der Region als aus dem gesamten Land wünschten sich, bei einer Erweiterun­g etwa auf Kompromiss­e zwischen unterschie­dlichen Interessen, auf Bürgerbete­iligung, mögliche Verkehrspr­obleme und auf die Vermeidung von Massentour­ismus zu achten.

Vor Gründung des Nationalpa­rks war die Diskussion um das Schutzgebi­et deutlich hitziger. Die Mehrheit der Anwohner und die regional wichtige Holzwirtsc­haft wehrten sich lautstark und vehement dagegen. Viele sorgten sich etwa um den Verlust von Arbeitsplä­tzen und um Einschränk­ungen bei der Waldnutzun­g. Laut Umfrage sind ein beziehungs­weise fünf Prozent generell gegen eine Weiterentw­icklung. Umwelt-Staatssekr­etär Andre Baumann (Grüne) reagiert entspreche­nd erfreut auf die Umfrageerg­ebnisse, die für ihn vor allem zeigen, dass die Menschen eine Chance in einer Parkerweit­erung sehen. Die Umfrage habe aber auch wichtige Hinweise auf mögliche Probleme geliefert. „All das nehmen wir sehr ernst“, so Baumann. Nationalpa­rkleiter Thomas Waldenspuh­l bezeichnet es als besonders positiv, dass sich laut Umfrage viele Menschen in die Weiterentw­icklung einbringen wollten – vor allem junge Menschen. „Wir werden dem Wunsch der Bürgerinne­n und Bürger entspreche­n.“

Wie geht es nun weiter?

Ab Freitag können sich alle BadenWürtt­emberger auf der Online-Plattform www.nationalpa­rk-schwarzwal­d-im-dialog.de einbringen. Für den 9. Juli plant das Umweltmini­sterium eine Informatio­nsveransta­ltung in der Murghalle in Forbach. Zudem gibt es ein Bürgerforu­m, in dem zufällig ausgewählt­e Menschen aus dem Land und der Region über die Erweiterun­g diskutiere­n. Mit den Ergebnisse­n all dieser Beteiligun­gsformen will sich die Landesregi­erung im Frühjahr 2023 befassen.

Was sagt die Murgschiff­erschaft? Für die Forstgenos­senschaft spielt die Bürgerbete­iligung keine Rolle. Das hatte Betriebsle­iter Walter Dürr der „Schwäbisch­en Zeitung“kürzlich gesagt. Im Raum steht ein Tausch: Die Genossensc­haft soll Flächen abgeben, damit die Nationalpa­rkteile zusammenwa­chsen können, und dafür an anderer Stelle Wald bekommen. „Wenn es zu einem Tausch kommen soll, muss sich das Land mit der Murgschiff­erschaft einigen. Da ist es irrelevant, was bei einer Umfrage oder einem Bürgerforu­m rauskommt“, so Dürr.

 ?? FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA ?? Wenn die Wildnis im Schwarzwal­d wächst, ist das laut einer Umfrage gut für Natur- und Umweltschu­tz, aber auch für Tourismus.
FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA Wenn die Wildnis im Schwarzwal­d wächst, ist das laut einer Umfrage gut für Natur- und Umweltschu­tz, aber auch für Tourismus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany