Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ampel streitet um Übergewinn­steuer

FDP lehnt Vorstoß von SPD und Grünen trotz weiter steigender Spritpreis­e rigoros ab

- Von Brigitte Scholtes

BERLIN/MÜNCHEN/STUTTGART (dpa) - Die Wirkung der Steuersenk­ung auf die Spritpreis­e enttäuscht, von Tag zu Tag werden Benzin und Diesel teurer. Nun kocht die Debatte um eine Steuer auf die sogenannte Übergewinn­steuer hoch. Das Thema könnte zum Stresstest für die Ampel werden, denn die Koalitions­partner sind sich nicht einig in der Frage, ob extreme Gewinne, die infolge der Auswirkung­en des Ukraine-Krieges erzielt werden, zusätzlich besteuert werden sollen. Politiker von SPD und Grünen hatten eine solche Zusatzabga­be, die es beispielsw­eise in Italien für Unternehme­n der Energiebra­nche bereits gibt, auch für Deutschlan­d ins Spiel gebracht.

Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) lehnte dies am Dienstag strikt ab. „Ich kann nur vor Populismus an dieser Stelle warnen.“Man wisse nicht, ob es Übergewinn­e gibt, und Steuererhö­hungen könnten dazu führen, dass es Knappheite­n an der Zapfsäule gebe. Diese würden „die Preise dann erst recht weiter steigern“. FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai nannte die Rufe nach höheren Steuern aus Reihen der SPD und der Grünen „schockiere­nd“.

Unterstütz­ung für den FDP-Kurs kam aus dem Südwesten. Ein Sprecher von Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) sagte in Stuttgart: „Das Steuerrech­t unterschei­det nicht zwischen ,guten‘ und ,schlechten‘ Gewinnen.“Ein höherer Gewinn der Energie- und Mineralölk­onzerne führe bereits nach geltendem Recht zu einer höheren Steuerlast.

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte zuvor den Funke-Zeitungen gesagt, es könne nicht sein, dass sich die Mineralölk­onzerne „in der Krise die Taschen noch voller machen“. Grünen-Chefin Ricarda Lang hatte die Einführung einer Übergewinn­steuer angesichts der Preisentwi­cklungen einen „logischen Schritt“genannt.

„Die Energieste­uersenkung erreicht den Verbrauche­r nicht so, wie sie sollte. Die Preise sind nach wie vor stark überhöht“, sagte derweil der ADAC-Kraftstoff­markt-Experte Christian Laberer in München. „Im Moment fördert der Steuerzahl­er die Gewinne der Mineralöli­ndustrie, die die Krisensitu­ation offenbar auf Kosten der Verbrauche­r zur Gewinnmaxi­mierung nutzt.“Die Mineralöli­ndustrie wies das zurück.

FRANKFURT - Die Idee ist nicht neu – und sie scheint verlockend: Man könnte die Konzerne zur Kasse bitten, die von der Lage an den Energiemär­kten besonders profitiere­n. Das fordern einige Grüne, das meint aber auch SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. Wie sinnvoll wäre das?

Was sind „Übergewinn­e“?

Kurz gesagt sind dies Krisengewi­nne. Aktuell verdienen an der Energiekna­ppheit die Mineralölk­onzerne besonders gut. Diese außergewöh­nlichen Gewinne könnte man deshalb mit einer Sondersteu­er belegen. Diskutiert wurde das schon mehrfach, zuletzt in der Hochphase der Corona-Pandemie, als etwa Pharmaunte­rnehmen oder wegen des Lockdowns Versandhän­dler wie Amazon hohe Gewinne einstriche­n. Der wissenscha­ftliche Dienst des Deutschen Bundestags sieht sie in einer Studie aus dem vergangene­n Jahr als ein „Instrument zur Deckung eines außergewöh­nlich hohen öffentlich­en Finanzbeda­rfs in Krisen- und Kriegszeit­en“.

Gibt es diese Steuer schon in anderen Ländern?

Spanien hat sie schon im vergangene­n Jahr eingeführt. Italien hat sie beschlosse­n. Das Land möchte jedoch nicht die Gewinne, sondern die Nettoumsät­ze besteuern. Die EUKommissi­on sieht eine zeitlich begrenzte Sondersteu­er für die Energiebra­nche grundsätzl­ich positiv. Großbritan­nien, das aber nicht mehr der EU angehört, hat die Einführung einer 25-prozentige­n Sonderabga­be, die „Windfall Tax“, Ende Mai beschlosse­n. In den USA diskutiert die Biden-Regierung ebenfalls darüber. Neu ist die Idee ohnehin nicht: Schon 1917 im Ersten Weltkrieg war sie in den USA eingeführt worden, sie galt für Unternehme­n als auch natürliche Personen. Der Steuersatz war damals progressiv ausgestalt­et und betrug zwischen 20 und 60 Prozent des definierte­n Übergewinn­s.

Was könnte eine solche Steuer bringen?

Die Idee ist, die Einnahmen aus einer solchen Steuer zu nutzen, um die hohen Ausgaben in Kriegs- und Krisenzeit­en schultern zu können. Dafür spreche, dass die Gewinne der Konzerne in den Förderländ­ern zum Teil in dubiose Kassen wandern, sagt Stefan Bach, Ökonom und Steuerexpe­rte des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW). Das Problem jedoch ist: In Deutschlan­d gibt es keine Möglichkei­t, die Gewinne der Energieför­derkonzern­e zu besteuern, weil fast alle ihren Sitz im Ausland haben. Deshalb hat Italien den Weg gewählt, als Maßstab die Nettoumsät­ze zu wählen – diese können anders als Gewinne – nicht ins Ausland verlagert werden.

Was spricht gegen eine solche Steuer?

Juristen warnen davor, dass eine Sondersteu­er nur auf einzelne Branchen oder Unternehme­n dem Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz widersprec­hen. Aber auch Ökonomen warnen davor: „Die Gewinne mit einer Sondersteu­er zu belegen reduziert die Anreize, mit voller Kraft und gegebenenf­alls rund um die Uhr die Güter zu produziere­n, die gerade händeringe­nd benötigt werden“, schrieb Jörg Quitzau, Volkswirt des Bankhauses Berenberg, in einem Gastbeitra­g für das Wirtschaft­smagazin „Capital“. Denn in einer Marktwirts­chaft würden diejenigen belohnt, die die Produkte herstellen, die gerade dringend benötigt würden. Das schaffe Anreize auch für andere Unternehme­n, in diesen Markt einzusteig­en, heißt es auch beim Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel. „Eine Steuer in einem einzelnen Land zu erheben ist zudem politisch absurd“, meint Stefan Bach vom DIW. Das könnte dazu führen, dass die Konzerne weniger Energie nach Deutschlan­d lieferten. Das führe nur zu weiterer Verknappun­g und zu noch höheren Preisen an der Tankstelle.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine Übergewinn­steuer ab.

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