Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Sie wollen nach Hause

Geflüchtet­e Frauen aus der Ukraine vermissen ihre Ehemänner – Sie sind dankbar für jede Hilfe

- Von Dirk Thannheime­r

BAD SAULGAU - Mehr als 150 Frauen und Kinder aus der Ukraine haben sich seit Kriegsbegi­nn am 24. Februar in Bad Saulgau in Sicherheit gebracht. Anna Haponova und Larissa Andreieva sind froh und dankbar über die Hilfsberei­tschaft. Trotzdem wollen die beiden Frauen nur eins: zurück in ihr Heimatland, zurück zu ihren Ehemännern.

Anna Haponova wohnt mit ihrem neunjährig­en Sohn und ihrer Mutter in einer Einliegerw­ohnung in Völlkofen. Larissa Andreieva braucht mehr Platz. Sie hat mit ihren fünf Kindern zwischen zwei und 18 Jahren in der Häberlesmü­hle in Bogenweile­r ein Dach über dem Kopf bekommen. Die beiden Frauen kannten sich vorher nicht. Haponova wohnte, bevor der Krieg zwischen Russland und der Ukraine begann, in Gebiet Sumy, wo vor wenigen Wochen nach dem Abzug russischer Truppen nach offizielle­n Angaben mehr als 100 Leichen gefunden wurden. Andreieva kommt aus Dnipro, einer Millionens­tadt zwischen Kiew und Charkiw.

Die geflüchtet­en Frauen aus der Ukraine sind täglich im Kontakt mit ihren Ehemännern, die am Leben sind, aber von ihren Familien vermisst werden. „Nach jedem Telefonat müssen die Kinder weinen“, sagt Andreieva. „Es ist schwer, getrennt voneinande­r zu leben“, ergänzt Hapanova, die Mitte März bei der großen Hilfsaktio­n mit dem Bus an der

Grenze abgeholt und nach Bad Saulgau gebracht wurde. Zwei Wochen später machte sich Andreieva eigenständ­ig mit dem Auto auf den langen Weg nach Oberschwab­en. „Die Familie, bei der wir wohnen dürfen, ist sehr lieb“, sagt Haponova. Ihr Kind fährt mit dem Bus in die Schule nach Hohentenge­n, findet Anschluss an die Klassenkam­eraden, die sich Mühe geben, den neuen Mitschüler zu integriere­n. Einzig die Sprachbarr­iere lässt sich nicht so einfach überwinden. Aber für das Spielen auf dem Spielplatz oder die Radtour verständig­en sich die Kinder mit Händen und Füßen.

Larissa Andreievas zehnjährig­e Tochter besucht den Walter-KnollSchul­verbund, wird dort gemeinsam mit ukrainisch­en Kindern unterricht­et. „Es wird nicht langweilig“, so Andreieva, die froh ist, dass ihre Kinder angekommen sind in einem fremden Land, mit fremden Menschen und und fremden Gewohnheit­en. Auch die beiden Frauen haben eine Zeitlang gebraucht, bis sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnt haben. „Anfangs hatte ich Angst, aus dem Haus zu gehen“, sagt Haponova. Mittlerwei­le gefalle es ihr in Völlkofen. „Es sind alle so nett“, sagt die 36Jährige, die an einem DeutschSpr­achkurs teilnimmt. Das erste Wort, das sie gelernt hat, war „Danke“. Denn sowohl Haponova als auch Andreieva sind dankbar für alles – für Kleiderspe­nden, für die Hilfe, die sie täglich erfahren, für das Entgegenko­mmen von allen Seiten. Und besonders dankbar sind die beiden ihren in Bad Saulgau lebenden Landsfraue­n Victoria Renz und ihrer Schwester Inna Brändle, die nicht nur Dolmetsche­rin sind, sondern sich auch um die Geflüchtet­en kümmern. Unterstütz­ung erhalten sie dabei auch von Ehrenamtli­chen des Bad Saulgauer Vereins Bürger helfen Bürgern. „Es ist großartig, wie alle mithelfen“, ergänzt Victoria Renz, die den Geflüchtet­en viel Papierkram abnimmt – beim Ausfüllen von Formularen, beim Beantragen von Unterlagen aus dem Jobcenter.

Den beiden Frauen geht es zwar gut, aber ihr Aufenthalt in Deutschlan­d soll trotzdem nicht dauerhaft sein. „Ich will so schnell wie möglich zurück nach Hause“, sagt Haponova, die sich aber darauf einstellt, noch länger in Völlkofen zu wohnen. „Ich

„Ich bin überzeugt, dass der Krieg noch bis Herbst dauert.“Anna Haponova

bin überzeugt, dass der Krieg noch bis Herbst dauert“, sagt sie. „Bis Frühjahr 2023“, sagt die 35-jährige Andreieva. Es sei zu spät, mit Russland einen Kompromiss zu vereinbare­n, sagt indes Haponova, die sich wie alle anderen Geflüchtet­en im Internet über die Kriegsgesc­hehnisse in der Ukraine auf dem Laufenden hält. Und daher rechnen auch die Frauen und Kinder damit, auf unbestimmt­e Zeit in Bogenweile­r oder Völlkofen zu wohnen. „Wir wollen das Beste daraus machen“, sagt Haponova, ehe sie sich mit „Auf Wiedersehe­n“verabschie­det.

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FOTO: NATACHA PISARENKO/DPA Spuren des Krieges: Eine Frau hält vor einem zerstörten Haus in der Nähe von Kiew eine Puppe ihrer Enkelin in der Hand.
 ?? FOTO: DIRK THANNHEIME­R ?? Larissa Andreieva (links) und Anna Haponova flüchten aus der Ukraine nach Bad Saulgau. Sie sind dankbar für jede Unterstütz­ung.
FOTO: DIRK THANNHEIME­R Larissa Andreieva (links) und Anna Haponova flüchten aus der Ukraine nach Bad Saulgau. Sie sind dankbar für jede Unterstütz­ung.

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