Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das steckt im Gammertinger Abwasser
Kläranlagen-Leiter Michael Weissenberger erklärt, wie das Wasser wieder sauber wird
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GAMMERTINGEN - Reste von Kokain, neue Coronavirus-Varianten, Rückstände von Antibiotika – im Abwasser lässt sich noch viel mehr entdecken als das, was gemeinhin in Toiletten, Duschabflüssen oder Waschmaschinenleitungen landet. Für Michael Weissenberger, den Leiter der Gammertinger Kläranlage, gehören solche Funde zwar eher nicht zum Alltag. Und dennoch: Dass das Wasser die Becken im Süden der
Stadt in einem einwandfreien Zustand verlässt, hat für ihn oberste Priorität.
An einem trockenen Tag sind es etwa 1500 Kubikmeter Wasser, die in der Kläranlage westlich der Sigmaringer Straße aufbereitet werden. „An einem Regentag können es bis zu 8000 Kubikmeter sein“, sagt Weissenberger. Denn nicht nur das Abwasser aus Privathaushalten und Betrieben landet in der Kläranlage. Auch Regenwasser wird dort aufbereitet. „Bei Gewitter zum Beispiel kommt mehr Schmutz ins Abwasser als sonst.“
Beim Prozedere, das aus dem Abwasser wieder Wasser macht, gestaltet sich der erste Schritt noch relativ einfach: Alle Stoffe, die größer sind als sechs Millimeter, werden bei der mechanischen Reinigung herausgefiltert, gewaschen, gepresst und als Müll entsorgt. Auch Sand kann noch eher leicht getrennt, gewaschen und dann zur Erddeponie transportiert werden. Komplizierter wird es da schon bei den Fetten, die mit Hilfe von Druckluft vom Wasser getrennt werden.
Allem, was sich dann noch im Abwasser befindet, dort aber nicht bleiben soll, wird mit Biologie und Chemie entgegengewirkt: „Bestimmte Bakterien bauen Nährstoffe wie Ammonium, Nitrat, Nitrit und Phosphat ab“, sagt Michael Weissenberger. Andere bauen Kohlenstoffe ab, den Hauptbestandteil der organischen Stoffe im Abwasser. „Das ist im Prinzip auch der einzige Wert, der bei uns im Zulauf schwankt“, sagt Weissenberger. Der Grund dafür: Schlachten die örtlichen Metzger, fließt das Blut der Tiere teilweise ebenfalls ins Abwasser – und der darin enthaltene Kohlenstoff lässt den Wert ansteigen. Für den Abbau von Phosphor zum Beispiel reicht der Einsatz von Bakterien aber nicht aus. Deshalb wird dafür zusätzlich ein chemisches Fällungsmittel verwendet.
Eine Zahl, die der Abwassermeister immer im Auge behält, ist der Wert für den Chemischen Sauerstoffbedarf (CSB): In Milligramm pro Liter gibt er Auskunft darüber, wie viele oxidierbare Stoffe sich im
Abwasser befinden – und damit über die Gesamtbelastung. Beim Abwasser, das in der Kläranlage ankommt, liegt der CSB-Wert normalerweise zwischen 500 und 1000. „Beim Wasser, das die Kläranlage wieder verlässt, sollte er unter 30 liegen“, sagt Weissenberger. Sollte das nicht der Fall sein, deutet das darauf hin, dass es bei der Wasseraufbereitung ein Problem gibt – und die Experten müssen die Werte für einzelne Schadstoffe in den Blick nehmen, um dieses Problem zu lösen.
An drei Stellen in der Kläranlage werden ständig automatisch Abwasserproben genommen. Ein- bis zweimal pro Woche werden diese Proben im Labor direkt vor Ort untersucht. Darüber hinaus rückt sechsmal im Jahr das Analyse-Labor Eurofins aus Tübingen an. „Dessen Mitarbeiter prüfen unter anderem Leitfähigkeit, pH-Wert, Färbung, Geruch und Trübung des Abwassers“, sagt Michael Weissenberger. Auch auf das Vorkommen von Schwermetallen oder adsorbierbare organisch gebundene Halogene (AOX) werde das Abwasser untersucht.
Die eine gute Nachricht ist also: Das Wasser, das nach der Aufbereitung in der Kläranlage in die Lauchert fließt, wird ständig kontrolliert. Die andere: „Ich arbeite seit 35 Jahren bei verschiedenen Kläranlagen – und es ist noch nie etwas Schlimmes passiert“, sagt Weissenberger. Auch in seinen 20 Jahren in Gammertingen habe es noch nie besorgniserregende Ausschläge bei den Messwerten gegeben. „Und leicht überhöhte Werte, zum Beispiel nach einem Gewitter, kriegen wir problemlos in den Griff.“