Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Maler aus Passion und Kunstprofessor im Brotberuf
Bad Waldsee widmet dem Künstler Jörg Eberhard eine sehenswerte Retrospektive
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BAD WALDSEE - Im Museum im Kornhaus und in der Kleinen Galerie im Haus am Stadtsee würdigt eine Doppelausstellung mit rund 50 Gemälden den gebürtigen Waldseer Maler und Kunstprofessor Jörg Eberhard. Er lebt zwar seit 1975 in Düsseldorf und hat dort auch sein Atelier, fühlt sich aber seiner Heimatstadt sehr verbunden – und nicht nur deshalb, weil er selbst zusammen mit dem Bildhauer Axel F. Otterbach ab 1986 bis 2004 dort die Kleine Galerie geleitet hat. Offen zugewandt im Gespräch, ist es nicht schwer, ihm ein paar Auskünfte mehr über seine Biografie zu entlocken, als auf der Website zu lesen sind.
Im Gymnasium in Bad Waldsee habe er – 1956 geboren – einen doch tief prägenden Eindruck im Kunstunterricht von Paul Heinrich Ebell erhalten. Menschlich waren der Jugendliche und der nach dem Krieg nach Waldsee gekommene Berliner Ebell wohl nicht auf einer Wellenlänge, aber Ebells Farbwelt und Koloristik habe ihn fasziniert. Außerdem prägten Eberhard das katholische Milieu in Oberschwaben, die barocken Kirchen mitsamt ihrer Ausstattung und sein jahrelanger Dienst als Ministrant.
Nach dem Abitur dann das Studium der Malerei an der Akademie, dazu Kunstgeschichte und Philosophie, um Kunsterzieher zu werden. Als solcher erhielt er seit den frühen 1990erJahren Lehraufträge in Düsseldorf und Braunschweig und genoss ab 2002 durch eine ordentliche Professur an der Uni Duisburg-Essen das Privileg eines sicheren Einkommens, das ihm der Staat ermöglichte, wie er freimütig bekennt. Später war er dann Professor an der Folkwang Universität der Künste in Essen und die letzten zehn Jahre wieder in Duisburg-Essen.
Jörg Eberhard musste also nie von seiner Malerei leben und bildet andererseits darin eine Ausnahme zu vielen anderen Künstler-Professoren. Und wie fühlt er sich, wenn er zum 31. Juli 2022 pensioniert wird? „Da fällt schon eine Last von den Schultern, da ich in der letzten Zeit viele Verwaltungsaufgaben als Dekan zu bewältigen und eine erkrankte Kollegin zu vertreten hatte“, sagt Eberhard erleichtert. Er kann sich also nun noch mehr seiner Malerei zuwenden.
Beide Ausstellungen – 300 Meter Promenade am Stadtsee liegen zwischen ihnen – ergänzen sich zu einer sehenswerten Retrospektive und sind motivisch gleichzeitig eine Art Reise durch die Kunstgeschichte und die Ikonografie. Wenn man ein wenig mit antiker oder sakraler Kunst vertraut ist, dann erkennt man westgotische Weihekronen, frühmittelalterliche Reliquiare, antike griechische Grabgefäße, Monstranzen, Tafelaufsätze, Kelche und Lüster. Ein Sammelsurium aus Sakristei oder Kunstkammer, aus Kirche oder Keller. Und immer wieder Schlüssel: alte, geschmiedete mit Bart, verzierte, abgebrochene. Ein deutliches persönliches Symbol?
Das erst 2022 entstandene Acrylbild „Strauss und acht Werkzeuge, zuhanden“(schweizerisch „zur Weiterbehandlung“) zeigt einen Blumenstrauß und darum angeordnet im Halbkreis acht Werkzeuge. Wer versteht – das ist Eberhards maliziöse Frage dahinter – heute noch diese Anspielung auf die ,arma Christi’, die Passionswerkzeuge? Schließlich gleicht das hier eher modernen Baumarktutensilien. Für altmodische Kunsthistoriker (die sterben gerade aus) ein gefundenes Fressen.
Könnte sein, dass diese Bilderzählungen jüngere Leute eher ermüden, aber da sind dann noch die Farben, die zuallererst bestechen und begeistern. „Alles gemischt“, sagt Eberhard kurz und bündig, oft stark verdünnt, selten ganz pastos aufgetragen erzielt er mit dem Acrylmaterial, in Kleinstmengen gemischt, spannende Kontraste und formt subtil abgestufte Farbräume. Alles ist präzis von Hand ausgemalt, nichts mit Schablone gemacht, wirkt aber dennoch grafisch wie eine Serigrafie und manchmal auch wie das Rapportmuster einer Innenausstattung.
Was erstaunen mag, ist Eberhards entschiedene Vorliebe für Verglasung, die er als eine Art „Display“und als „Schutzraum“für das Bild betrachtet. Tatsächlich aber wäre zu bedenken, ob nicht ein tiefer Kastenrahmen eine geeignetere Form böte als eine flache Verglasung. Denn die Lichtreflexe stören nicht nur visuell, sie machen die besondere matte Taktilität und gleichzeitig oft transluzide Wirkung der Arbeiten leider schwer erfahrbar.
Dauer: bis 7. August,
im Museum im Kornhaus geöffnet Fr.-So. 13.30-17.30 Uhr, im Kunstraum Kleine Galerie im Haus am Stadtsee täglich 10-19 Uhr.