Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nach neuen Berechnungen weniger Überflutungsflächen
Zielfinger Seen würden bei einem Jahrhunderthochwasser 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können
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MENGEN - Den aktuellsten Berechnungen und Modellen zufolge würden bei einem Jahrhunderthochwasser weniger Flächen im Mengener Stadtgebiet überflutet werden als auf den Hochwassergefahrenkarten des Landes Baden-Württemberg ausgewiesen wurden. Das haben die Untersuchungen des Ingenieurbüros Winkler und Partner aus Stuttgart ergeben. Wie dem Gemeinderat in jüngster Sitzung vorgestellt wurde, machen diese im Vergleich zu früheren Modellen genaueren Zahlen den Bau eines überdimensionalen Retentionsbeckens oberhalb der Zielfinger Baggerseen überflüssig. Dank der Pufferwirkungen der Seen falle die Abflussgeschwindigkeit geringer aus, sodass mit weniger überfluteten Flächen zu rechnen sei. Dieser Gefahr könne vermutlich mit Einzelmaßnahmen gezielt vorgebeugt werden, hieß es in der Sitzung.
Seit mehr als zehn Jahren beschäftigen sich in Mengen Stadtverwaltung und Gemeinderat mit möglichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Viele Gebäude, die an der Mengener oder der Ennetacher Ablach liegen, würden bei einem Jahrhunderthochwasser oder einem solchen, das statistisch alle 50 Jahre stattfindet, unter Wasser stehen. Um das zu verhindern und andererseits Bauvorhaben, die im Gefahrenbereich liegen, überhaupt zu ermöglichen, sollen möglichst effektive Maßnahmen umgesetzt werden. Hochwasserschutz ist aber teuer, vor allem, wenn es sich um riesige Retentionsbecken handelt, die vor der Stadt angelegt werden müssten. Die Stadt Mengen hat deshalb zunächst andere Lösungen gesucht. Regelmäßig wird der Bewuchs am und in den Gewässern minimiert, um die Durchflussgeschwindigkeit zu erhöhen. Die Stadtverwaltung hat die Pegel im Blick und kann so die Wassermassen über die Wehre steuern. Die Verlegung des Mittlerenweggrabens hat Bebauungen im Gewerbegebiet an der Meßkircher Straße überhaupt erst möglich gemacht. Für viele andere Bauherren mussten individuelle Lösungen gefunden werden.
Nun hat mit dem Ingenieurbüro Winkler und Partner das mittlerweile dritte Büro seine Untersuchungen vorgestellt. Zwar können die Experten jeweils auf die Ergebnisse ihrer
Vorgänger zurückgreifen und darauf aufbauend immer detailliertere und genauere Berechnungen machen - für den Laien macht es aber häufig den Eindruck, man drehe sich im Kreis. Schließlich stellt auch das Stuttgarter Büro erst einmal seine Untersuchungen vor, mit denen es vom Gemeinderat Ende 2018 beauftragt worden war. Wie sich die Ergebnisse auf notwendige Schutzmaßnahmen auswirken, soll dem Gemeinderat laut Sitzungsvorlage „zu gegebener Zeit“vorgestellt werden. Sie müssen also noch erarbeitet werden.
Der Vertreter des Ingenieurbüros Armin Binder stellte das Modell vor, mit dem die Abflussaufteilung und Leistungsfähigkeit der Mengener Gewässer und die Retentionswirkung der Zielfinger Seen untersucht wurden. Dabei wurden die Wechselwirkungen zwischen den sechs Baggerseen und der Ablach sowie die Abflussmengen über die Ennetacher Ablach, die Mengener Ablach und den Flutkanal erläutert. Dadurch, dass die Seen rund 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich aufnehmen könnten, würde die Wassermenge, die bei einem Jahrhundertwasser
Richtung Mengen fließe, von 69 Kubikmetern pro Sekunde auf 57 Kubikmeter reduziert werden. In der Folge würden weniger große Flächen entlang der Ablach überflutet und weniger Gebäude im Stadtgebiet betroffen sein. „Für uns ist das ein sehr erfreuliches Ergebnis“, sagte Bürgermeister
Stefan Bubeck in der Gemeinderatssitzung. „Es bedeutet, dass mehr Flächen für die städtebauliche Planung zur Verfügung stehen oder mit überschaubarem Aufwand bebaubar gemacht werden können.“In Absprache mit dem Landratsamt sollen die neuen Berechnungen in die Karten für Überflutungsflächen eingearbeitet werden und künftig als Planungsgrundlage dienen. Das bedeutet auch, dass die bisher aufgrund der Hochwassergefahr nicht für die Bebauung freigegebenen Bauplätze im Ennetacher Baugebiet „Im Winkel“nun freigegeben würden.
Laut Binder werden die Hochwasserschutzmaßnahmen, die gerade in Krauchenwies stattfinden, noch in die Berechnungen einbezogen, würden aber wenig Einfluss auf die Ergebnisse in Mengen haben. Es werde nun eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt und dem Gemeinderat dann weitere Hochwasserschutzmaßnahmen vorgestellt. Man könne aber bereits sagen, dass das ursprünglich einmal als notwendig erachtete Rückhaltebecken oberhalb von Mengen nicht mehr erforderlich sein werde. Stattdessen könnten eine gut gesteuerte Verteilung der Wassermengen auf die Ennetacher und Mengener Ablach sowie den Flutkanal und mehrere kleinere Maßnahmen reichen. Diese werden dem Gemeinderat zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt.