Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Gesundheit streikt, die Parteien streiten
Ex-Fifa-Boss Blatter kann wegen Atembeschwerden beim Prozessauftakt nicht aussagen
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BELLINZONA (dpa) - Joseph Blatter beugte sich auf seinem Drehstuhl in der ersten Reihe langsam zum Mikrofon und sprach mit leiser, brüchiger Stimme. Wegen gesundheitlicher Probleme bat der frühere FIFA-Präsident gegen Ende des ersten Tags des Prozesses gegen ihn und Michel Platini um eine Verschiebung seiner Vernehmung. „Hohes Gericht, es geht mir nicht gut. Ich habe eine Beschwerde, die wieder zurückkommt, dann kann ich auch nicht richtig atmen“, sagte Blatter vor seiner geplanten Befragung im Flüsterton. „Ich sehe mich nicht in der Lage, zu antworten.“
Gestützt von seiner Tochter Corinne bahnte sich der 86-Jährige in der Mittagssonne vor dem Bundesstrafgericht im schweizerischen Bellinzona anschließend den Weg vorbei an mehr als einem Dutzend TV-Kameras. Er sei sehr müde, sagte er nach den ersten gut vier Stunden des mit Spannung erwarteten Prozesses. Nach Angaben von Rechtsanwalt Lorenz Erni hat sein Mandant Brustschmerzen und Atemschwierigkeiten. Damit gerät der Zeitplan früh unter Druck.
So wird es erst am Donnerstag, zur Aussage des ehemaligen FIFA-Präsidenten und des früheren UEFA-Chefs Platini wegen der Vorwürfe des Betrugs
und weiterer Delikte kommen. „Wir schauen dem Urteil positiv entgegen“, sagte Platinis Anwalt Dominic Nellen beim Verlassen des Verhandlungssaals. „Endlich gibt es ein Gericht, das diese Geschichte auch anschaut. Die Zeugen, die jetzt kommen, sind wichtig für uns.“
Blatter und Platini (66), der den Auftakt des auf deutsch geführten Prozesses mit einer französischen Übersetzung auf den Ohren aus der zweiten Reihe verfolgte, wird vorgeworfen, dass sie den Weltverband über eine angeblich noch ausstehende Forderung Platinis getäuscht haben. Blatter soll laut Anklage unrechtmäßig die Zahlung der FIFA in Höhe von zwei Millionen Franken (rund 1,92 Millionen Euro)
plus Sozialversicherungsbeiträge an Platini bestätigt haben.
Ungeklärt ist die Frage, wie die Ermittler auf den Vorgang gestoßen sind. Der Prozessauftakt stand ohne die Aussage Blatters im Zeichen des verbalen Schlagabtausches zwischen der Verteidigung Platinis und der FIFA als Privatklägerin – und der Frage zur Rolle des heutigen Weltverbandspräsidenten Gianni Infantino. Das Gericht werde nicht an der Frage vorbeikommen, wer ein Interesse an diesem Strafverfahren gehabt habe, sagte Platini-Verteidiger Nellen. Er forderte, dass das Gericht eine Disziplinarverfügung gegen den früheren Bundesanwalt Michael Lauber berücksichtigen müsse. Darin geht es auch um Geheimtreffen mit Infantino. Der frühere UEFA-Generalsekretär war 2016 nach dem Sturz Blatters und Platinis, dem die Nachfolge als FIFAChef eigentlich bereits sicher schien, zum neuen Präsidenten des Weltverbands aufgestiegen.
Catherine Hohl-Chirazi als Vertreterin der FIFA warf der Platini-Seite hingegen vor, eine „Nebelwand“zu erzeugen und eine „Verschwörungstheorie“aufzustellen. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Verfahren“, betonte sie.
Insgesamt sind elf Verhandlungstage bis zum 22. Juni angesetzt. Ein Urteil soll am 8. Juli verkündet werden.