Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Verlegung der Donau hat das Hochwasser eingedämmt
Vor allem die Vorstadt war jährlich überflutet – Neuer Flusslauf hatte Einsturz einer Brücke zur Folge
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SIGMARINGEN - So schön die Donau mancherorts ist, so gefährlich kann sie auch sein. Das haben die Sigmaringer im vergangenen Jahrhundert erleben müssen. Damals gab es fast jährlich Hochwasser in der Vorstadt, auch die Talaue zwischen Laiz und Sigmaringen war regelmäßig überschwemmt. Barbara Liche erinnert sich noch gut. Sie ist dort aufgewachsen. „Das Wasser stand bis zum Brunnen an der heutigen Mohnblume“, erinnert sie sich. Heute ist Hochwasser dort kein Thema mehr, und das liegt an der Verlegung des Flussbetts der Donau, die Anfang der 70er-Jahre vom Wasserwirtschaftsamt Ravensburg umgesetzt wurde. Auch dabei zeigte sich die Gefahr des Flusses: Durch die Verlegung stürzte die Laizer Brücke ein.
Rolf Eichelmann, Inhaber des Sigmaringer Schlüsseldiensts in der Donaustraße, hatte erste Vorzeichen des Unglücks als elfjähriger Junge entdeckt. Die Donau floss bis dahin rund um die Sigmaringer Vorstadt, auch direkt an Eichelmanns Geschäft vorbei, in dem die Familie früher schon lebte. Das neue Flussbett wurde gleichzeitig ausgebaut – eine Großbaustelle, die sich ab 1964 insgesamt 14 Jahre zog. Während des Ausbaus zwischen Laiz und dem Sigmaringer Wehr fand der Durchstich statt, sodass die neue Donau bereits Wasser hatte, die alte aber auch noch weiter ein fließendes Gewässer war. Der Wasserspiegel der früheren Donau sank aber kontinuierlich, legte die Pfeiler der Laizer Brücke frei, die auf Holzfundament standen. „Ich kam gerade von der Schule und entdeckte, dass ein Betonpfeiler in der Mitte fehlte“, erzählt er heute. Der Pfeiler wurde weggeschwemmt. Am Mittagstisch berichtete Eichelmann seinem Vater davon, der sofort Hilfe rief.
An dieser Stelle kommt Pius Wilfried Dreher ins Spiel. Der inzwischen 88-Jährige war damals Leiter der Sigmaringer Dienststelle des Straßenbauamts Überlingen. Er war auch an der Planung der neuen Straßen nach der Verlegung des Flussbetts beteiligt. Nach Eichelmanns Hilferuf eilte er herbei und stoppte den Verkehr auf der Brücke, bis die
Polizei die Straße voll sperrte, erinnert er sich. Vorübergehend sollte in Folge ein geteerter Überbau Abhilfe schaffen, der das Gewicht der Autos auf die verbleibenden Pfeiler umlenkt, ergänzt Eichelmann. Doch sie kam nur kurz zum Einsatz, denn wenige Tage später brach die Brücke nachts zusammen. „Das hätte großen Schaden anrichten können, der Verkehr fuhr ja weiter, aber es ging zum Glück glimpflich aus“, sagt Eichelmann.
Die Gründe für den Einsturz der Brücke seien bis heute offen, so Dreher, allerdings gebe es eine Theorie:
Das neue Flussbett der Donau, das tiefer und breiter als das bisherige war, kreuzte das frühere Flussbett, in dem sich noch immer Wasser befand. Das sorgte für eine Erosion und schließlich für eine rückwärts wirkende Vertiefung des alten Flussbetts. Dadurch sei das Fundament der Brücke unterspült worden. Die Brücke stürzte ein – nach vielen Hochwassern über längere Zeit das letzte Ereignis in der Vorstadt, das mit der Donau zu tun hatte.
Auch Liche erinnert sich daran noch gut, genauso aber an die
Hochwasser in ihrer Kindheit. „An den Häusern in Richtung Donau reichte das Wasser bis zum ersten Obergeschoss, es war üblich, dass die Menschen mit einem Steg in ihre Wohnung kamen“, sagt die 70Jährige. Manche Bewohner hatten sogar Boote, um Einkäufe erledigen zu können.
Nach der Verlegung der Donau wurde es ruhiger, das bestätigt auch das Regierungspräsidium. Drei größere Hochwasser gab es zwar – 1980, 1990 und 1995 – bei denen jeweils der Hohenzollerngraben komplett geflutet wurde, aber die Ursachen hatten sich nach der Donauverlegung verändert.
Ursprüngliche Probleme war vor allem das enge Flussbett rund um die Vorstadt. Durch die Verbreiterung und Vertiefung der Donau während der Verlegung, zwei Wehranlagen und weiteren Hochwasserschutz
wie auch das Rückhaltebecken Wolterdingen habe sich viel getan, teilt Martina Bitzer, Sprecherin des Regierungspräsidiums Tübingen, mit, das die Maßnahme damals umgesetzt hat.
Die späteren Hochwasser, wie 1990, lagen an einer sehr raschen Schneeschmelze im Schwarzwald, wodurch der Pegel der Donau schnell anstieg, erläutert Bitzer. In Folge startete das Integrierte Donauprogramm des Regierungspräsidiums, das Natur- und Lebensräume erhalten, aber auch vor Hochwasser schützen sollte. Inzwischen, so Bitzer, ist der bebaute Teil der Stadt vor solchen Hochwassern geschützt. Das gilt allerdings nicht für Hochwasser, das aufgrund von Starkregen, Hangwasser oder Rückstau aus der Kanalisation entsteht. „Hier ist jeder einzelne gefordert, sich selbst zu schützen“, sagt sie.