Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Brandstiftung in der Gefängniszelle
Prozess am Landgericht – Ist der Angeklagte psychisch krank oder spielt er etwas vor?
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RAVENSBURG - Vor dem Ravensburger Landgericht ist am Mittwoch ein Fall von schwerer Brandstiftung, Körperverletzung und Sachbeschädigung verhandelt worden. Das Besondere: Die Tat hat sich in der Justizvollzugsanstalt ereignet.
Vom Amtsgericht war der Angeklagte zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Sein Pflichtverteidiger legte jedoch Berufung ein. Ziel der Berufung sei es, das Strafmaß zu mildern: Es handle sich möglicherweise nicht um Brandstiftung, sondern es seien lediglich Gegenstände in Brand gesetzt worden, so Verteidiger Markus Lehmann. Eine Dolmetscherin übersetzte für den Beschuldigten ins Arabische.
Was war geschehen? Der Angeklagte befand sich in der JVA Ravensburg in Haft, als er im Januar 2021 in seiner Zelle sein Bettzeug in Brand gesetzt haben soll. Davor randalierte er laut den zuständigen Justizvollzugsbeamten in seiner Zelle, riss den Fensterrahmen aus der Verankerung und schlug vermutlich mit einem Gegenstand um sich. Der Fernseher ging ebenfalls zu Bruch. Niemand wurde verletzt, zwei Beamte, die den Brand löschten, erlitten eine leichte Rauchgasvergiftung, die ohne Folgen blieb.
Was steckt dahinter? Weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Landgericht wollte der angeklagte und vorbestrafte Mann eine Aussage zur Sache machen. Im Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter, das
TRAUERANZEIGEN im September 2021 stattfand, sagte er, er habe nichts getan und nichts in Brand gesetzt. Er habe nur eine Zigarette geraucht, dabei sei der Mülleimer in Brand geraten. Mit der Matratze habe er versucht, den Brand zu löschen. Er habe laut um Hilfe gerufen, aber niemand sei gekommen. Außerdem gab der Gefangene an, er brauche weder einen Arzt noch einen Psychiater. Am Mittwoch wurden insgesamt sechs Zeugen sowie der psychiatrische Sachverständige gehört.
Nach ihren Angaben verlangte der Mann am Montag vor der Tat nach einem Arzt. Er sei krank. Die Beamten vertrösteten ihn auf später.
Er habe, so außerdem die Aussage des Arztes, mehrfach Arztbesuche missbraucht, um Informationen zu anderen Themen mit dem Dolmetscher auszutauschen. Da der Angeklagte zunehmend aggressiv und beleidigend gegenüber den Beamten geworden sei, kam er in einen besonders gesicherten Haftraum.
Am Tag darauf wurde in seinem Haftraum bei einer routinemäßigen Kontrolle ein selbst gebasteltes Messer, bestehend aus einer Rasierklinge, eingeschmolzen in ein Kunststoffteil, gefunden. Einen weiteren Tag später wurde der Häftling wieder in seine Zelle gebracht. Weil er als „problematischer Gefangener“ bekannt war, so der Sachverständige, und aufgrund des Messerfundes beschloss die Tagesleitung, dass der Mann nur über die sogenannte Versorgungsklappe bedient werden soll – zur Sicherheit von zwei Beamten. Diese Behandlung empfand der Mann wohl so erniedrigend – er sei „doch kein Hund“, man solle gefälligst die Tür ganz öffnen – dass es laut der Anklage zur Tat kam.
Das Gericht muss nun darüber entscheiden, ob das Urteil rechtens und das Strafmaß angemessen ist. Im Raum stand außerdem eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit, da der Mann häufig Selbstgespräche geführt habe und „ein irritierendes Verhalten“aufwies. Dem gegenüber steht wiederum die Aussage eines ehemaligen Mitgefangenen, der sich mit dem Angeklagten häufig längere Zeit unterhalten hatte, da sie die gleiche Sprache sprechen. Er bezeichnete den Angeklagten als „Schauspieler“.
Dieser habe ihm mitgeteilt, er wolle in ein Krankenhaus verlegt werden und von dort entkommen beziehungsweise eine Abschiebung in sein Heimatland verhindern. Um als psychisch krank eingestuft zu werden, wolle er unter anderem einen Brand in seiner Zelle verursachen.
Der Sachverständige kam zu der Einschätzung, es gebe keine Anhaltspunkte für eine psychiatrische Erkrankung. Der Angeklagte sei insofern aus seiner Sicht voll schuldfähig. Ein weiterer Verhandlungstag ist geplant, am kommenden Montag soll dann das Urteil gesprochen werden.