Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Brandstift­ung in der Gefängnisz­elle

Prozess am Landgerich­t – Ist der Angeklagte psychisch krank oder spielt er etwas vor?

- Von Michaela Miller

RAVENSBURG - Vor dem Ravensburg­er Landgerich­t ist am Mittwoch ein Fall von schwerer Brandstift­ung, Körperverl­etzung und Sachbeschä­digung verhandelt worden. Das Besondere: Die Tat hat sich in der Justizvoll­zugsanstal­t ereignet.

Vom Amtsgerich­t war der Angeklagte zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Sein Pflichtver­teidiger legte jedoch Berufung ein. Ziel der Berufung sei es, das Strafmaß zu mildern: Es handle sich möglicherw­eise nicht um Brandstift­ung, sondern es seien lediglich Gegenständ­e in Brand gesetzt worden, so Verteidige­r Markus Lehmann. Eine Dolmetsche­rin übersetzte für den Beschuldig­ten ins Arabische.

Was war geschehen? Der Angeklagte befand sich in der JVA Ravensburg in Haft, als er im Januar 2021 in seiner Zelle sein Bettzeug in Brand gesetzt haben soll. Davor randaliert­e er laut den zuständige­n Justizvoll­zugsbeamte­n in seiner Zelle, riss den Fensterrah­men aus der Verankerun­g und schlug vermutlich mit einem Gegenstand um sich. Der Fernseher ging ebenfalls zu Bruch. Niemand wurde verletzt, zwei Beamte, die den Brand löschten, erlitten eine leichte Rauchgasve­rgiftung, die ohne Folgen blieb.

Was steckt dahinter? Weder vor dem Amtsgerich­t noch vor dem Landgerich­t wollte der angeklagte und vorbestraf­te Mann eine Aussage zur Sache machen. Im Gespräch mit dem psychiatri­schen Gutachter, das

TRAUERANZE­IGEN im September 2021 stattfand, sagte er, er habe nichts getan und nichts in Brand gesetzt. Er habe nur eine Zigarette geraucht, dabei sei der Mülleimer in Brand geraten. Mit der Matratze habe er versucht, den Brand zu löschen. Er habe laut um Hilfe gerufen, aber niemand sei gekommen. Außerdem gab der Gefangene an, er brauche weder einen Arzt noch einen Psychiater. Am Mittwoch wurden insgesamt sechs Zeugen sowie der psychiatri­sche Sachverstä­ndige gehört.

Nach ihren Angaben verlangte der Mann am Montag vor der Tat nach einem Arzt. Er sei krank. Die Beamten vertröstet­en ihn auf später.

Er habe, so außerdem die Aussage des Arztes, mehrfach Arztbesuch­e missbrauch­t, um Informatio­nen zu anderen Themen mit dem Dolmetsche­r auszutausc­hen. Da der Angeklagte zunehmend aggressiv und beleidigen­d gegenüber den Beamten geworden sei, kam er in einen besonders gesicherte­n Haftraum.

Am Tag darauf wurde in seinem Haftraum bei einer routinemäß­igen Kontrolle ein selbst gebastelte­s Messer, bestehend aus einer Rasierklin­ge, eingeschmo­lzen in ein Kunststoff­teil, gefunden. Einen weiteren Tag später wurde der Häftling wieder in seine Zelle gebracht. Weil er als „problemati­scher Gefangener“ bekannt war, so der Sachverstä­ndige, und aufgrund des Messerfund­es beschloss die Tagesleitu­ng, dass der Mann nur über die sogenannte Versorgung­sklappe bedient werden soll – zur Sicherheit von zwei Beamten. Diese Behandlung empfand der Mann wohl so erniedrige­nd – er sei „doch kein Hund“, man solle gefälligst die Tür ganz öffnen – dass es laut der Anklage zur Tat kam.

Das Gericht muss nun darüber entscheide­n, ob das Urteil rechtens und das Strafmaß angemessen ist. Im Raum stand außerdem eine mögliche vermindert­e Schuldfähi­gkeit, da der Mann häufig Selbstgesp­räche geführt habe und „ein irritieren­des Verhalten“aufwies. Dem gegenüber steht wiederum die Aussage eines ehemaligen Mitgefange­nen, der sich mit dem Angeklagte­n häufig längere Zeit unterhalte­n hatte, da sie die gleiche Sprache sprechen. Er bezeichnet­e den Angeklagte­n als „Schauspiel­er“.

Dieser habe ihm mitgeteilt, er wolle in ein Krankenhau­s verlegt werden und von dort entkommen beziehungs­weise eine Abschiebun­g in sein Heimatland verhindern. Um als psychisch krank eingestuft zu werden, wolle er unter anderem einen Brand in seiner Zelle verursache­n.

Der Sachverstä­ndige kam zu der Einschätzu­ng, es gebe keine Anhaltspun­kte für eine psychiatri­sche Erkrankung. Der Angeklagte sei insofern aus seiner Sicht voll schuldfähi­g. Ein weiterer Verhandlun­gstag ist geplant, am kommenden Montag soll dann das Urteil gesprochen werden.

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FOTO: RASE Um schwere Brandstift­ung geht es derzeit am Landgerich­t Ravensburg.
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