Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mit Finanzspritzen raus aus dem Krankenhaus
Mit welcher Strategie sich der finanziell am Boden liegende FC Barcelona Topstars wie Robert Lewandowski leisten möchte
●
BARCELONA (dpa) - Das Wechseltheater um Noch-Bayern-Stürmer Robert Lewandowski sorgt beim FC Barcelona für immer mehr Unruhe – und die hat inzwischen sogar auf die spanische Nationalmannschaft übergegriffen. Die halboffiziell angekündigten Gehaltskürzungen, mit denen der hoch verschuldete Club die Bedingungen für eine Verpflichtung des Weltfußballers schaffen will, stießen bei den Barça-Profis nach spanischen Medienberichten auf große Ablehnung. „Es wäre besser, wenn der Club mich informieren würde und ich das nicht über die Medien erfahren muss“, schimpfte Kapitän
Sergio Busquets, sonst eher für ruhige Töne bekannt, vor dem 1:0-Sieg Spaniens im Nations-League-Duell am Donnerstag bei der Schweiz.
Viele fragen sich: Wie kann ein finanziell am Boden liegender Verein, der Schulden von 1,35 Milliarden Euro hat, überhaupt mit dem Gedanken spielen, teure Stars wie Lewandowski zu holen? Nicht nur wegen der Ablösesumme von mindestens 30 bis 40 Millionen Euro, auch wegen des Gehalts. Und auch wenn der bald 34 Jahre alte Pole möglicherweise zu Zugeständnissen bereit sein könnte – für Peanuts wird er mit Sicherheit nicht kommen.
Die Skepsis des Beobachters wächst, wenn er hört, dass beim FC
Barcelona neben Lewandowski auch noch andere Top-Fußballer im Gespräch sind, wie die Portugiesen Rafael Leao und Bernardo Silva, der Spanier Carlos Soler oder der Senegalese Kolidou Koulibaly. Die Führung um Präsident Joan Laporta ist derweil davon überzeugt, dass es einige finanzielle Quellen gibt, die man anzapfen kann, und dass der Club dazu auch noch viel Ballast hat, der in der Vergangenheit von anderen Verantwortlichen angesammelt wurde und nun abgeworfen werden kann.
Die Fachzeitung „Sport“schrieb am Freitag, bei Barça gebe es viele Spieler, die „unverhältnismäßig hohe Verträge“hätten, „die in keinem Verhältnis
zur Leistung“stünden. Der für die Finanzen zuständige Vizepräsident Eduard Romeu gab im Interview mit „Sport“Einblick in die komplizierte Situation. „Wir versuchen gerade, einen Toten wiederzubeleben.“Man strebe bei den Gehältern eine Senkung um rund 160 Millionen Euro – von derzeit 560 auf etwa 400 Millionen jährlich. Das sei ungefähr das Niveau der Konkurrenz. „Real Madrid liegt bei circa 400 Millionen.“Laut Romeu gibt man derzeit „doppelt so viel wie Bayern München“bei Gehältern aus.
Die Reduzierung der Bezüge soll durch Kürzungen und Spielerabgaben gelingen. Doch es gibt ein Problem: Wie wird man Profis los, die von Trainer
Xavi zuletzt kaum noch berücksichtigt wurden, die aber unverhältnismäßig viel verdienen und deren Verträge im Sommer nicht auslaufen? Romeu sagte, man werde auch vor vorzeitigen Vertragskündigungen nicht zurückschrecken.
Bei anderen Spielern, auf die Xavi für nächste Saison nicht unbedingt besteht, ist man optimistischer. Der Transfer des Niederländers Frenkie de Jong soll rund 100 Millionen Euro in die Kassen spülen. Für Memphis Depay will man mindestens 30, für Sergiño Dest 20 Millionen kassieren.
Um die Finanzen zu sanieren und trotzdem jene Offensive zu verwirklichen, durch die man in die europäische Spitze zurückkehren will, setzt man in Barcelona auch auf zwei Finanzspritzen, über die am 16. Juni auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgestimmt werden soll. Es geht um den Verkauf einer Beteiligung von 49,9 Prozent an der „Barca Licensing and Merchandising“(BLM), der 200 Millionen Euro einbringen soll. Und um die Abtretung von 25 Prozent der TV-Rechte, die etwa 540 Millionen Euro wert sein sollen. Laporta rührte diese Woche die Werbetrommel dafür: „Barça war tot. Nun sind wir auf der Intensivstation. Wenn diese Maßnahmen gebilligt werden, werden wir aus dem Krankenhaus entlassen.“