Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schmetterlinge mit Blüten locken
Die meisten heimischen Schmetterlinge ernähren sich von Blüten. Viele Pflanzen sind auf Schmetterlinge als Bestäuber angewiesen und bieten den Nektar als „Gegenleistung“für den Pollentransport. Dieses Zusammenspiel wird heute oft gestört, zum Beispiel durch Zierpflanzen, die keinen Nektar geben. Gärten, die nur aus Rasen, Fichten und Thujahecken bestehen, sind nicht nur eintönig, sie eignen sich auch nicht für Schmetterlinge.
Der einfachste Einstieg in einen schmetterlingsfreundlichen Gartenbau ist ein Wildblumenbeet, rät der BUND. Wildblumen können Sie auch in großen Kübeln einsäen, in Blumenkästen oder auf dem Balkon. Im Fachhandel gibt es dafür spezielles Saatgut. Wildblumen gedeihen am besten auf nährstoffarmen, also mageren Böden. Dort erbringen sie Nektar für viele Falter und gleichzeitig Futter für die Raupen seltenerer Arten wie Aurorafalter, Hauhechel-Bläuling, Schachbrettfalter oder Taubenschwänzchen. Alternativ kann man auch auf fetteren Böden ein Blumenbeet für Schmetterlinge anlegen. Aber aufgepasst: Nur mit den richtigen Blüten lockt man Schmetterlinge an.
BUND-Tipp: Den Rasen nicht öfter als sechsmal im Jahr mähen – und nur mit größerem Bodenabstand.
Auf dem Balkon werden Schmetterlinge vermutlich nicht dauerhaft einziehen. Aber als Raststation für vorbeifliegende Falter sind Balkone sehr wichtig. Kletterpflanzen zum Beispiel sind ein Ruheplatz für Schmetterlinge, und die Blütenpracht bietet den Faltern reichlich Nahrung. Im Blumentopf mögen Schmetterlinge alles, was duftet. Auf die beliebten, aber nektararmen Geranien und andere Exoten sollten Sie jedoch verzichten.
BUND-Tipp: Lassen Sie Küchenkräuter blühen. Die nektarreichen Blüten duften wunderbar und sind gute Futterspender.
Tipp: Das Bundesamt für Naturschutz bietet auf der Internetseite
einen besonderen Service: Dort können Interessierte detaillierte Informationen über Fraßpflanzen und Nektarpflanzen für Schmetterlinge abrufen.
Immer mehr Schmetterlingsarten verschwinden weltweit unwiederbringlich. Eine schleichende Entwicklung, die Wissenschaftler alarmiert. Im Gespräch mit Angelika Prauß (KNA) spricht Agrarbiologe Josef Settele aus Halle über die Gründe, seine Liebe zu Schmetterlingen und die Sommerferien seiner Kindheit. Settele ist Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Co-Vorsitzender des Weltberichts zum ökologischen Zustand der Erde und wurde 2020 von der Bundesregierung in den Sachverständigenrat für Umweltfragen berufen.
Herr Professor Settele, Sie haben den Weltbericht zum ökologischen Zustand der Erde mit herausgegeben. Wie dramatisch ist die Lage mit Blick auf die Schmetterlinge? Weltweit stehen viele Schmetterlinge auf der Roten Liste. Zugleich gibt es beispielsweise in den Tropen viel mehr Schmetterlingsarten als Experten, die ihren Bestand einschätzen können. Ich schätze, dass insgesamt weltweit sicher 20 bis 30 Prozent aller Schmetterlingsarten schon vom Aussterben bedroht sind.
Sie betreiben die einzige deutschlandweite Langzeitbeobachtung von Tagfaltern. Wie ist die Lage bei uns?
Wir koordinieren im UFZ in Halle seit 2005 das Tagfalter-Monitoring. Dabei haben wir die 70 bis 80 Arten im Blick, die hierzulande häufiger vorkommen. In den ersten zehn Jahren konnten wir – egal ob Schutzgebiet oder Normallandschaft – einen Rückgang von zehn Prozent der Arten beobachten. Zehn Prozent in zehn Jahren – das ist schon sehr viel. Man muss bedenken, dass es auch schon vor dem Beginn unserer Beobachtung 2005 große Verluste an Insektenvielfalt gab. Wir konnten nun nur die neueren Rückgänge wissenschaftlich-systematisch belegen.
Was macht den Schmetterlingen besonders zu schaffen?
Das größte Problem ist – wie für viele andere Arten – der Lebensraumverlust. Meistens verlieren wir Kulturlandschaften, die früher extensiv genutzt und beweidet waren. Bei Gebieten wie Wacholderheiden oder etwa der Lüneburger Heide macht die Nutzungsänderung in Richtung Intensivierung viel aus. Auf anderen Heideflächen wird die Nutzung aufgegeben und sie bewalden sich, auch das schmälert den Lebensraum für seltene Insekten. Schmetterlinge sind eben typische Vertreter der sogenannten Offenlandschaft, für die ist das sehr ungünstig. Wir brauchen eigentlich eine mittlere Nutzungsintensität, um die Diversität zu halten. Ein weiterer Grund ist der zunehmende Klimawandel. Schon vor 50 Jahren gab es erste Beobachtungen, dass manche Arten in höher gelegene oder nördlichere, kühlere Gefilde abwandern. Aber irgendwann ist Schluss, etwa wenn der Berggipfel erreicht ist. Im Mittelmeerraum haben wir große, klimabedingte Verluste. Auch hierzulande werden wir einige Arten verlieren, andere werden aber aus Südeuropa nachrücken.
Warum sind Schmetterlinge weltweit überhaupt so wichtig für die Ökosysteme?
Zum einen haben sie eine einzigartige Ästhetik. Schmetterlinge werden allgemein als schön empfunden – auch Nachtfalter, solange man sie nicht abfällig Motten nennt. Viele Nachtfalter haben eine wichtige Bestäubungsfunktion. Nur sie haben lange Rüssel, mit denen sie beispielsweise langstielige Blüten von Nachtkerzen, Natternköpfen und Petunien bestäuben können. Auch das tagsüber fliegende Taubenschwänzchen, das wie ein Kolibri vor den Blüten schwebt, hat so einen besonderen Rüssel. Falter sind zudem ein guter Indikator für den Schwund anderer
Insekten wie Hummeln und Bienen. Bei uns gibt es neben der Honigbiene noch 580 weitere Bienenarten. Ihr Vorkommen dezimiert sich parallel mit den Faltern.
Sie beraten als Sachverständiger für Umweltfragen die Bundesregierung. Bekommt das Thema genug Aufmerksamkeit?
Das Thema Insekten ist spätestens seit der Krefelder Studie 2017 im Blick. Damals gab es erstmals eine eineinhalbstündige Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages. Schon vor ihrem Amt als Bundesumweltministerin hat sich beispielsweise Steffi Lemke, die Agrarwissenschaftlerin ist, sehr für das Thema interessiert, ebenso ihre Amtsvorgängerin Svenja Schulze. Aber Maßnahmen können oft nur mit Kompromissen durchgesetzt werden. Viele Maßnahmen kommen natürlich zu langsam, aber immerhin sind inzwischen einige Politiker offener für das Thema.
Das ökologische Bewusstsein und das Wissen um die Notwendigkeit, effektiv und zeitnah gegenzusteuern, scheint dennoch ein zartes Pflänzchen …
Leider ja, diese Thematik rückt schnell wieder in den Hintergrund, wie man gerade an dem Krieg in der Ukraine sieht. Gerade erst war das Bewusstsein für mehr Brachflächen als wichtige Komponente im Sinne von funktionierenden Agrarökosystemen zur Artenrettung bei den Landwirten angekommen. Damit wollten wir bestimmte Insektenarten und damit die Systeme stabilisieren und entsprechend nachhaltig gestalten. Dann fand binnen weniger Tage ein Cut statt, weil durch die Ernteausfälle in der Ukraine hierzulande mehr produziert werden soll, um eine Welthungerkrise abzufedern. Diese Kehrtwende finde ich sehr ernüchternd, da sie extrem kurzsichtig ist bezüglich der Entwicklung einer nachhaltigeren Landnutzung.
Was kann denn jeder Einzelne für den Erhalt von Schmetterlingen tun?
Ich plädiere für etwas Chaos im Garten – mein Garten ist ein Musterbeispiel dafür. Ich genieße die Hängematte, statt Rasen zu mähen. Es ist sicherlich erst mal gewöhnungsbedürftig und erfordert ein Umdenken, den Rasen durch irgendetwas Buntes, Chaotisches zu ersetzen und einen Teil des Gartens sich selbst zu überlassen. Aber die Natur gewinnt dadurch sehr viel.
Hierzulande greifen Hobbygärtner gerne zu Gift, um den gefräßigen Raupen des Buchsbaumzünslers den Garaus zu machen. Brechen Sie gerne zum Abschluss noch eine Lanze für diesen Kleinschmetterling …
Er sieht mit seinem braunen Rand neben dem sonstigen Weiß eigentlich sehr hübsch aus. Seine Raupen möchte man natürlich nicht am heimischen Busch haben. Wir haben auch nur noch einen halbwegs intakten Buchsbaumbusch im Garten – und pflücken die Raupen runter. Inzwischen gibt es auch ein paar Vögel, die unsere Raupen fressen. Die potenzielle Futterquelle Buchsbaumzünsler muss von den heimischen Vögeln erst entdeckt werden. Irgendwann kommt ein Vogel und probiert die erste Raupe. Wenn man also Geduld hat, sieht man, dass die Natur sich im Lauf der Zeit anpasst.