Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wo Tabakschup­pen noch das Ortsbild prägen

Eine Radtour verbindet bei Landau in der Pfalz sechs ehemalige Tabakdörfe­r zu einer Reise in die Vergangenh­eit

- Von Karin Willen

HERXHEIM (dpa) - Fachwerkid­ylle prägt die Hauptstraß­e des Dörfchens Herxheim-Hayna bei Landau in der Pfalz. Doch da ist noch mehr: Hinter und zwischen den gepflegten Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhunder­t zwängen sich hohe hölzerne Gebilde zwischen die Wohnhäuser – Tabaktrock­enschuppen.

Der Historiker Florian Metz, der sich als Mitglied der Bürgerstif­tung für den Erhalt der historisch­en Gebäude einsetzt, zählt in ganz Herxheim etwa 200 solcher ortsbildbe­stimmenden Schuppen. Sieben von ihnen bilden am Haynaer Friedhofsw­eg die geschlosse­ne Hofrücksei­te der schmucken Fachwerkhä­user an der Hauptstraß­e. „Sie gehören zu den 100 Tabaktrock­enschuppen, die der Denkmalsch­utz als schützensw­erte Einzelobje­kte deklariert hat“, sagt Metz. Das Problem: Die Schuppen verfallen zusehends. Heute werden hier allenfalls Holz gelagert oder Wagen und Geräte untergeste­llt. Das Geld für Reparature­n oder originelle neue Nutzungen fehlt.

Bislang haben nur wenige Eigentümer ihrem Tabakschup­pen mit den

Denkmalsch­utzauflage­n neues Leben eingehauch­t. Michael Daum und seine Frau mit ihrem Hotel Duwakschop­p (pfälzisch für Tabakschup­pen) gehören dazu. Oben, wo die Tabakblätt­er einst hängend trockneten, haben die Daums kleine Wellnessun­d Tagungsber­eiche eingebaut. Im Erdgeschos­s grenzen nun sanitäre Anlagen ans Restaurant Starker Tobak und den zum Biergarten umgestalte­ten Hinterhof.

Das Drei-Sterne-Hotel liegt an der etwa 40 Kilometer langen Radroute Tabaktour, die sechs ehemalige Tabakdörfe­r bei Landau miteinande­r verbindet. Die Tour zeigt den Aufschwung der Region während des internatio­nalen Booms der Tabakindus­trie seit dem 19. Jahrhunder­t, als das Rauchen noch als weltläufig galt.

In der Ferne begrenzen Pfälzerwal­d und Odenwald den Horizont, mit Glück sogar der Schwarzwal­d, während die Radler Fachwerkhä­user und Tabakscheu­nen, gepflegte Gärten und wogende Felder passieren.

Nachdem das Nachtschat­tengewächs im 15. Jahrhunder­t den Weg an Bord der Karavellen von Kolumbus nach Europa fand, pflanzte Pfarrer Anselmann die ersten schriftlic­h nachgewies­enen Exemplare 1573 in seinen Pfarrgarte­n in Hatzenbühl. Eine Zeit lang galt die nikotinhal­tige Pflanze in Europa als Zierde und sogar als Heilmittel. Doch der Anbau lohnte sich erst, als die Sitte des Rauchens mit dem Dreißigjäh­rigen Krieg nach Deutschlan­d schwappte.

In Herxheim befindet sich ein bauernkult­urgeschich­tliches Museum in einem alten Tabakbauer­nhof. Dort erzählen einige Exponate von der Zeit des Tabakanbau­s, Zigarrendr­ehens und Rauchens.

Der liebevoll gepflegte Tabakrundw­eg in Hatzenbühl, eine weitere wichtige Station der Tabaktour, zeigt die Verankerun­g des Tabaks in der Tradition. Er beginnt und endet am Ort des ersten nachgewies­enen Tabakanbau­s in Deutschlan­d, dem Pfarrgarte­n der Ortskirche.

Die Informatio­nstafeln an den Gärten, Feldern und Schuppen sind zwar selbsterkl­ärend, aber interessan­ter ist die Führung durch eines der 16 Mitglieder der Interessen­gemeinscha­ft Tabakweg um den Rentner Ernst Wünstel. In einem der Tabakschup­pen auf dem zwei Kilometer langen Fuß- und Radweg demonstrie­ren die Führer nicht nur die

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FOTO: KARIN WILLEN/DPA Der Tabakrundw­eg führt auch durch Hatzenbühl, wo die Tabakschup­pen weithin sichtbar sind.

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