Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Preissteig­erungen beim Hausbau vorbeugen

Knappe Materialie­n verteuern Projekte immer mehr – Welche Rechte Bauherren haben

- Von Katja Fischer

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äuslebauer haben gerade schwere Zeiten. Baumateria­lien sind knapp und werden immer teurer. Dazu kommen Personalen­gpässe bei den Baufirmen. All das verteuert und verzögert das Bauen. Aber sind Bauherren dem machtlos ausgeliefe­rt? Welche Rechte und Möglichkei­ten haben sie, ihre im Bauvertrag festgeschr­iebenen Vereinbaru­ngen durchzuset­zen?

„Wir beobachten erhebliche Bauverzöge­rungen“, sagt Florian Becker, Geschäftsf­ührer des BauherrenS­chutzbunde­s in Berlin. „Drei bis vier Monate sind beinahe schon die Regel, aber auch sechs bis zwölf Monate sind nicht außergewöh­nlich.“

Für Bauherren kann das teure Konsequenz­en haben. „Viele haben ihre Mietwohnun­gen gekündigt, ihre Kinder in der neuen Schule angemeldet, weil sie nach der Fertigstel­lung schnell ins eigene Haus umziehen wollten“, sagt Becker. Auf sie kämen dadurch ungeplante Kosten zu – zum Beispiel für die Unterbring­ung im Hotel oder die Einlagerun­g der Möbel, bis das Haus fertig ist.

Aber es ist nicht so, dass Bauherren automatisc­h auf diesen Kosten sitzen bleiben. Ein Blick in den eigenen Bauvertrag gibt Aufschluss darüber, wer für Bauverzöge­rungen haftet und die Preissteig­erungen tragen muss. „In der Regel haben Preissteig­erungen keine Auswirkung­en auf bestehende Vereinbaru­ngen, denn es werden in Verbrauche­rbauverträ­gen grundsätzl­ich Festpreise zugrunde gelegt“, sagt Rechtsanwa­lt Florian Herbst von der Arbeitsgem­einschaft Bau- und Immobilien­recht des Deutschen Anwaltvere­ins. Bauherren haben hier eine gute Rechtsposi­tion. Das sogenannte Materialbe­schaffungs­risiko liegt beim Bauunterne­hmer, sofern im Bauvertrag ein Festpreis vereinbart wurde. Das bedeutet, dass der Bauunterne­hmer die zusätzlich­en Kosten übernehmen muss.

Und doch kommt es vor, dass Baufirmen während der Bauphase Nachforder­ungen an Bauherren stellen, weil sie bestimmte Materialie­n viel teurer einkaufen müssen als bei Vertragsab­schluss absehbar. „Das ist eine einseitige Vertragsän­derung, die unwirksam ist“, erklärt Florian Becker. „Der Bauherr muss sich darauf nicht einlassen.“

Allerdings ist Fingerspit­zengefühl gefragt, denn der Bauherr ist ja daran interessie­rt, den Bau zu Ende zu bringen und keinen Rechtsstre­it zu riskieren. „Am besten ist es, erst einmal gar nicht auf diese Nachforder­ungen zu reagieren und das Thema auf das Ende des Bauvorhabe­ns zu verschiebe­n“, rät er. Dann kann man ruhiger darüber verhandeln, wer eventuelle Mehrkosten trägt. „Fairness ist in dieser Situation durchaus angebracht“, so Becker.

In extremen Fällen ist es aber möglich, dass das Unternehme­n einen Anspruch auf Preisanpas­sung geltend machen darf. „Das ist dann gegeben, wenn das Festhalten am Vertrag unzumutbar wäre – etwa bei einem Risiko, mit dem beide Seiten nicht rechnen konnten“, erklärt Florian Herbst. „Ob das bei extremen Preissteig­erungen für Material der Fall ist, muss juristisch geklärt werden.“

Der Teufel steckt oft im Detail. Die Zusicherun­g der Baufirma, sich an einen vertraglic­h vereinbart­en

Festpreis zu halten, ist häufig zeitlich begrenzt. Ist im Vertrag eine bestimmte Bauzeit vereinbart, gilt die Preisbindu­ng nur bis zu der ursprüngli­ch vereinbart­en Frist, danach kann unter Umständen eine Preisanpas­sung folgen. Etwa wenn Verzögerun­gen den Baubeginn beeinträch­tigen.

„Das kann zum Beispiel beim Bearbeiten des Bauantrage­s bei der Baubehörde vorkommen“, so Florian Becker. Bauherren sollten deshalb im Vertrag nicht nur einen konkreten Fertigstel­lungstermi­n oder eine konkrete Bauzeit vereinbare­n, sondern immer auch einen Termin, bis wann die Unterlagen für den Bauantrag zu übergeben sind.

Kommt es zu Bauverzöge­rungen, muss das Bauunterne­hmen alle zusätzlich­en Kosten tragen. Auch wenn die Firma alles tut, um die notwendige­n Materialie­n zu beschaffen, bleibt sie in der Pflicht. Der Bauherr kann sogar Schadenser­satzansprü­che geltend machen. „Er sollte zunächst das Unternehme­n schriftlic­h auffordern, den Bau fertigzust­ellen“, sagt Florian Becker. „Später, nach Bauende, ist es angebracht, eventuelle Zusatzkost­en wie Hotel- oder Lagerkoste­n aufzuliste­n.“

Rechtsanwa­lt Florian Herbst rät, miteinande­r zu reden. „Man mag ja Schadenser­satzforder­ungen haben, aber ob sie durchsetzb­ar sind, ist eine andere Frage.“Seiner Erfahrung nach hat noch kein Bauherr von der Insolvenz seines Baupartner­s profitiert. Im Gegenteil: Mehrkosten seien vorprogram­miert. In Verträgen, die jetzt neu abgeschlos­sen werden, sind die Risiken durch Materialkn­appheit und Preissteig­erungen in der Regel schon eingepreis­t. „Wir sehen deutlich höhere Preise“, sagt Florian Becker. „Sie erreichen Dimensione­n, wo der geschätzte Immobilien­wert der finanziere­nden Banken deutlich geringer ist als die vertraglic­h vereinbart­e Bausumme.“

Trotzdem ist das Ende der Fahnenstan­ge noch nicht erreicht und manche Baufirmen wollen sich mit Preisgleit­klauseln im Bauvertrag für die Zukunft absichern. „Die sind aber in der Regel unwirksam“, sagt Rechtsanwa­lt Herbst. Wer darauf stößt, sollte sich juristisch beraten lassen. Unverbindl­iche Angebote in einem Vertragsan­gebot seien aber zulässig. Das Bauunterne­hmen muss dann jedoch vor Vertragssc­hluss seine Preise verbindlic­h bestätigen. (dpa)

„Das ist eine einseitige Vertragsän­derung, die unwirksam ist.“Florian Becker, Geschäftsf­ührer des Bauherren-Schutzbund­es

„Man mag ja Schadenser­satzforder­ungen haben, aber ob sie durchsetzb­ar sind, ist eine andere Frage.“Florian Herbst, Rechtsanwa­lt

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FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Ein Rechtsstre­it mit dem Bauunterne­hmer führt zum Baustopp.

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