Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Für die leichte Sprache gibt es klare Regeln
Kommunen arbeiten an barrierefreier Kommunikation – So weit sind die Behörden im Kreis Sigmaringen
SIGMARINGEN/BAD SAULGAU - Behördendeutsch ist schon für manchen Otto-Normal-Bürger schwer zu verstehen, aber was ist mit Menschen, die eine geistige Behinderung oder eine Entwicklungsstörung haben? Oder was ist mit gehörlosen oder blinden Menschen? Für sie gibt es die barrierefreie Kommunikation. Die soll bis Juli 2025 allen Menschen Zugang zu Informationen im Internet ermöglichen. Die Grundlage dafür ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Während größere Kommunen wie Sigmaringen und Bad Saulgau längst daran arbeiten, müssen sich kleinere Gemeinden aufgrund der Behördengröße anders behelfen.
Zu den größeren Gemeinden gehört die Kreisstadt Sigmaringen, die gemeinsam mit dem Dienstleister Capito die städtische Homepage in leichte Sprache übersetzen lässt. Diese ist besonders gut verständlich, denn sie reduziert Inhalte auf das Wichtigste und fasst sie einfach zusammen. Das Problem, sagt Stadtsprecherin Jennifer Krämer, ist die Masse an Informationen, die online steht: „Capito kann nicht alles sofort machen.“Auch andere Internetseiten, die zur Stadt gehören, beispielsweise der Onlineauftritt der Musikschule, sind noch nicht barrierefrei.
Weil das zeitlich dauert, habe die Stadt thematische Schwerpunkte gesetzt. „Alles, was Alltagssituationen betrifft, kam zuerst, darunter die Bereiche Schule, Jugend und die Bürgerbüro-Dienstleistungen“, sagt Krämer. Was noch nicht in leichter Sprache verfügbar ist, sind die Informationen rund um den Gemeinderat. Das hänge zum einen mit dessen Schnelllebigkeit zusammen – immerhin gibt es jede Woche neue Sitzungen und Informationen – zum anderen hat das auch mit der Komplexität zu tun. „Wir müssten auch Gesetze übersetzen“, sagt Krämer und spielt damit auf einen weiteren Punkt an, der zur Herausforderung wird, denn manche Themen verweisen auf andere Behörden, die Zuständigkeit wechselt immer mal wieder. „Aber wer Fragen hat, kann sich gerne ans Bürgerbüro wenden“, sagt sie.
Apropos Bürgerbüro: Künftig soll es durch das Onlinezugangsgesetz Dienstleistungen auch digital geben, zum Beispiel das Beantragen eines Personalausweises. „Aber es ist manchmal nicht verständlich, wenn Gesetz auf Gesetz verweist, da haben wir Verwaltungsmitarbeiter teilweise schon Probleme“, sagt sie. Da es ein Programm gibt, das vom Land zur Verfügung gestellt wird und den Kommunen diesen Service erleichtert, sei allerdings offen, wer diese Dienstleistungen in leichte Sprache übersetzt.
Das Gute ist laut Krämer, dass Menschen, die auf leichte Sprache angewiesen sind, oft über Einrichtungen Ansprechpartner haben, die helfen können. „Aber natürlich sollte unser Ziel sein, dass jeder alles versteht, das ist uns als Stadt wichtig“, sagt sie. Im nächsten Schritt werde überlegt, ob künftig auch Inhalte der Homepage per Gebärdensprache in Videos erklärt werden. Wie und wann das umgesetzt werden soll, sei aber bisher offen.
In Bad Saulgau pflegt der Behindertenbeauftragte Michael van Beek die Internetseite Barrierefreies Bad Saulgau. Die Nutzerinnen und Nutzer finden auf der Seite verschiedene Wegweiser – für Schulen, für Kunst, für Gesundheit, für Bräuche und Feste. Mehr als 100 Seiten umfassen die Texte in leichter Sprache. „Ich verwende viele Piktogramme und Bilder, um den Zugang zu erleichtern“, sagt van Beek. Als van Beek ganz am Anfang seiner Arbeit war, hatte er die Aicher-Scholl-Schule in Bad Saulgau, einem Sonderpädagogischen Bildungsund Beratungszentrum mit Schülern mit einem geistigen Handicap zwischen sechs und 18 Jahren, besucht, um ihnen Texte vorzulegen. „Das hat mir sehr geholfen“, so van Beek, der die Texte selbst schreibt und sie vom Dienstleister Capito prüfen lässt. Auch im Landratsamt Sigmaringen gibt es bereits die Möglichkeit,
die Internetseite und ihre Funktionsweise in leichter Sprache sowie in Gebärdensprache zu verstehen, teilt Sprecherin Silke Kaul mit. Außerdem kann die Schriftgröße angepasst sowie die Ansteuerung der Hauptnavigationspunkte verändert werden. Blinde Menschen wiederum haben laut Kaul oft spezielle Geräte oder Smartphones mit integrierter Vorlesefunktion. Das ermögliche ihnen, die Internetseite auch regulär nutzen zu können. Auch grundsätzlich sei die Behörde bemüht, Barrieren weiter abzubauen und wolle beispielsweise im nächsten Schritt die barrierefreien Funktionen deutlicher hervorheben.
In Scheer ist die Lage eine andere. Die Behörde umfasst laut Bürgermeister Lothar Fischer sieben Mitarbeiter. „Da ist die Umsetzung von barrierefreier Kommunikation auf der Internetseite eher schwierig“, sagt er. Bis dato habe es allerdings auch keine Beschwerde gegeben, dass der Onlineauftritt der 2500-Seelen-Stadt nicht verständlich sei, sonst hätte seine Behörde nachgesteuert, sichert er zu. Wichtig sei es, die Relation von Aufwand und Nutzen zu haben. Das heiße aber nicht, dass die Stadt sich nicht um barrierefreie Kommunikation kümmert, sie macht das bloß pragmatischer und auf ihre Art, betont Fischer: „Ich kenne die Leute im Ort und sie kennen mich. Wer Fragen hat, kann anrufen und wir antworten.“Auch wenn jemand im Gebäude Hilfe braucht, unterstütze das Rathausteam die Menschen jederzeit gerne – was in einer Behörde mit Hunderten Mitarbeitern deutlich schwieriger wäre.