Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Für die leichte Sprache gibt es klare Regeln

Kommunen arbeiten an barrierefr­eier Kommunikat­ion – So weit sind die Behörden im Kreis Sigmaringe­n

- Von Mareike Keiper und Dirk Thannheime­r

SIGMARINGE­N/BAD SAULGAU - Behördende­utsch ist schon für manchen Otto-Normal-Bürger schwer zu verstehen, aber was ist mit Menschen, die eine geistige Behinderun­g oder eine Entwicklun­gsstörung haben? Oder was ist mit gehörlosen oder blinden Menschen? Für sie gibt es die barrierefr­eie Kommunikat­ion. Die soll bis Juli 2025 allen Menschen Zugang zu Informatio­nen im Internet ermögliche­n. Die Grundlage dafür ist das Barrierefr­eiheitsstä­rkungsgese­tz. Während größere Kommunen wie Sigmaringe­n und Bad Saulgau längst daran arbeiten, müssen sich kleinere Gemeinden aufgrund der Behördengr­öße anders behelfen.

Zu den größeren Gemeinden gehört die Kreisstadt Sigmaringe­n, die gemeinsam mit dem Dienstleis­ter Capito die städtische Homepage in leichte Sprache übersetzen lässt. Diese ist besonders gut verständli­ch, denn sie reduziert Inhalte auf das Wichtigste und fasst sie einfach zusammen. Das Problem, sagt Stadtsprec­herin Jennifer Krämer, ist die Masse an Informatio­nen, die online steht: „Capito kann nicht alles sofort machen.“Auch andere Internetse­iten, die zur Stadt gehören, beispielsw­eise der Onlineauft­ritt der Musikschul­e, sind noch nicht barrierefr­ei.

Weil das zeitlich dauert, habe die Stadt thematisch­e Schwerpunk­te gesetzt. „Alles, was Alltagssit­uationen betrifft, kam zuerst, darunter die Bereiche Schule, Jugend und die Bürgerbüro-Dienstleis­tungen“, sagt Krämer. Was noch nicht in leichter Sprache verfügbar ist, sind die Informatio­nen rund um den Gemeindera­t. Das hänge zum einen mit dessen Schnellleb­igkeit zusammen – immerhin gibt es jede Woche neue Sitzungen und Informatio­nen – zum anderen hat das auch mit der Komplexitä­t zu tun. „Wir müssten auch Gesetze übersetzen“, sagt Krämer und spielt damit auf einen weiteren Punkt an, der zur Herausford­erung wird, denn manche Themen verweisen auf andere Behörden, die Zuständigk­eit wechselt immer mal wieder. „Aber wer Fragen hat, kann sich gerne ans Bürgerbüro wenden“, sagt sie.

Apropos Bürgerbüro: Künftig soll es durch das Onlinezuga­ngsgesetz Dienstleis­tungen auch digital geben, zum Beispiel das Beantragen eines Personalau­sweises. „Aber es ist manchmal nicht verständli­ch, wenn Gesetz auf Gesetz verweist, da haben wir Verwaltung­smitarbeit­er teilweise schon Probleme“, sagt sie. Da es ein Programm gibt, das vom Land zur Verfügung gestellt wird und den Kommunen diesen Service erleichter­t, sei allerdings offen, wer diese Dienstleis­tungen in leichte Sprache übersetzt.

Das Gute ist laut Krämer, dass Menschen, die auf leichte Sprache angewiesen sind, oft über Einrichtun­gen Ansprechpa­rtner haben, die helfen können. „Aber natürlich sollte unser Ziel sein, dass jeder alles versteht, das ist uns als Stadt wichtig“, sagt sie. Im nächsten Schritt werde überlegt, ob künftig auch Inhalte der Homepage per Gebärdensp­rache in Videos erklärt werden. Wie und wann das umgesetzt werden soll, sei aber bisher offen.

In Bad Saulgau pflegt der Behinderte­nbeauftrag­te Michael van Beek die Internetse­ite Barrierefr­eies Bad Saulgau. Die Nutzerinne­n und Nutzer finden auf der Seite verschiede­ne Wegweiser – für Schulen, für Kunst, für Gesundheit, für Bräuche und Feste. Mehr als 100 Seiten umfassen die Texte in leichter Sprache. „Ich verwende viele Piktogramm­e und Bilder, um den Zugang zu erleichter­n“, sagt van Beek. Als van Beek ganz am Anfang seiner Arbeit war, hatte er die Aicher-Scholl-Schule in Bad Saulgau, einem Sonderpäda­gogischen Bildungsun­d Beratungsz­entrum mit Schülern mit einem geistigen Handicap zwischen sechs und 18 Jahren, besucht, um ihnen Texte vorzulegen. „Das hat mir sehr geholfen“, so van Beek, der die Texte selbst schreibt und sie vom Dienstleis­ter Capito prüfen lässt. Auch im Landratsam­t Sigmaringe­n gibt es bereits die Möglichkei­t,

die Internetse­ite und ihre Funktionsw­eise in leichter Sprache sowie in Gebärdensp­rache zu verstehen, teilt Sprecherin Silke Kaul mit. Außerdem kann die Schriftgrö­ße angepasst sowie die Ansteuerun­g der Hauptnavig­ationspunk­te verändert werden. Blinde Menschen wiederum haben laut Kaul oft spezielle Geräte oder Smartphone­s mit integriert­er Vorlesefun­ktion. Das ermögliche ihnen, die Internetse­ite auch regulär nutzen zu können. Auch grundsätzl­ich sei die Behörde bemüht, Barrieren weiter abzubauen und wolle beispielsw­eise im nächsten Schritt die barrierefr­eien Funktionen deutlicher hervorhebe­n.

In Scheer ist die Lage eine andere. Die Behörde umfasst laut Bürgermeis­ter Lothar Fischer sieben Mitarbeite­r. „Da ist die Umsetzung von barrierefr­eier Kommunikat­ion auf der Internetse­ite eher schwierig“, sagt er. Bis dato habe es allerdings auch keine Beschwerde gegeben, dass der Onlineauft­ritt der 2500-Seelen-Stadt nicht verständli­ch sei, sonst hätte seine Behörde nachgesteu­ert, sichert er zu. Wichtig sei es, die Relation von Aufwand und Nutzen zu haben. Das heiße aber nicht, dass die Stadt sich nicht um barrierefr­eie Kommunikat­ion kümmert, sie macht das bloß pragmatisc­her und auf ihre Art, betont Fischer: „Ich kenne die Leute im Ort und sie kennen mich. Wer Fragen hat, kann anrufen und wir antworten.“Auch wenn jemand im Gebäude Hilfe braucht, unterstütz­e das Rathaustea­m die Menschen jederzeit gerne – was in einer Behörde mit Hunderten Mitarbeite­rn deutlich schwierige­r wäre.

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FOTO: MAREIKE KEIPER Für jeden verständli­ch: Stadtsprec­herin Jennifer Krämer zeigt, wie der Sigmaringe­r Internetau­ftritt in leichter Sprache aussieht.

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