Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Kunst kann keinen Krieg beenden“
Kristina Hammer, Präsidentin der Salzburger Festspiele, über den Ausschluss russischer Künstler
Stars wie Cecilia Bartoli, Christian Thielemann oder Lars Eidinger werden den Sommer der Salzburger Festspiele prägen. Nach 27 Jahren ist die bisherige Präsidentin Helga Rabl-Stadler abgetreten. Kristina Hammer (Foto: dpa), vor 53 Jahren in Karlsruhe geboren, war als Wirtschaftsjuristin unter anderem bei Unternehmen wie Mercedes-Benz in leitender Position im Marketing tätig. Nun hat sie im Januar das Amt der Präsidentin der Festspiele übernommen. Wie sie ihren Start in Salzburg erlebt hat, was sie zu russischen Mäzenen sagt und wie es in der Nachwuchsarbeit läuft, erzählt sie im Gespräch mit Christine King.
Frau Hammer, Sie leben seit Januar in Salzburg. Wie war der Empfang an Ihrer neuen Arbeitsstelle?
Sehr offen. Das Team, das hier unablässig am Gelingen der Salzburger Festspiele arbeitet, ist exzellent. Ich war von Anfang an fasziniert, mit welchen herausragenden Könnern ihres Fachs ich es hier zu tun habe. Das gilt für alle Bereiche, egal ob Techniker:innen, Schneider:innen oder Bühnenbildner:innen.
Sind Sie schon richtig angekommen?
Ich habe mir in der Einarbeitungsphase Zeit für die Mitarbeiter:innen genommen, habe zugehört und viele Gespräche geführt. Wir sind ein großes Ganzes, bei dem jeder Einzelne wichtig ist. Das will ich in seiner ganzen Komplexität aufnehmen. In der Leitung sind wir ein dreiköpfiges Direktorium. Ich kümmere mich um Vertrieb, Marketing und die Presse sowie um das Sponsoring. Wesentliche Entscheidungen werden zu dritt getroffen.
Ist es schwierig, in die großen Fußstapfen Ihrer Vorgängerin Helga Rabl-Stadler zu treten, die ja 27 Jahre das Amt innehatte?
Ich spreche lieber davon, neue Akzente zu setzen, vom Ausbau und der Erweiterung des Guten und von der Förderung der Mitarbeiter:innen. Natürlich haben wir beide uns ausführlich ausgetauscht und ich freue mich sehr, dass sie mir ein wirtschaftlich gut bestelltes Feld mit einer ebensolchen Mannschaft übergeben hat. Den Übergang haben wir beiden Frauen prima hinbekommen.
Sind die Salzburger Festspiele nicht fast so etwas wie ein Selbstläufer? Muss noch groß Marketing betrieben werden?
Nichts im Leben läuft einfach so. Das ist allerhöchstes Niveau, das wir hier bieten. Und das will auch gehalten werden. Schon unsere Gründer Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal betonten in Salzburg, dass die Qualität der bestimmende Faktor sein solle. In ihrem Gründungsauftrag schrieben sie 1920: „Von Oper und Theater, von beiden das Beste“. Und dies gilt uns als Auftrag nicht nur für die Kunst, sondern für alle Bereiche des Unternehmens Salzburger Festspiele.
Es sei Ihr Ziel, den Dialog zwischen den Festspielen, dem Publikum und der Öffentlichkeit zu erweitern, sagten Sie einmal. Wie sieht das konkret aus?
Das Thema Jugend bleibt beispielsweise ein zentrales, unser Kinderund Jugendprogramm wird weiter ausgebaut und erstmals bieten wir in diesem Jahr Festspiel-Patenschaften an: Erfahrene Besucher können als Paten und Patinnen ihre Leidenschaft mit jungen Besucher:innen, die die Salzburger Festspiele erstmals erleben, im Rahmen eines gemeinsamen Festspielbesuches teilen. Auch möchten wir die Zuschauerbasis verbreitern. Ich sage bewusst nicht „verjüngen“, denn wir möchten alle Generationen ansprechen und neue Zielgruppen begeistern. Auch das Thema Digitalisierung wird uns künftig verstärkt beschäftigen: die Frage, auf welchen Kanälen wir wie mit unseren Gästen kommunizieren werden. Wir arbeiten auch vermehrt an digitalen Zusatzangeboten als steten Ausbau des Services für unsere Besucher:innen.
Inwieweit prägen die Diskussionen um russische Mäzene und Musiker Ihren Arbeitsalltag? Natürlich beschäftigt uns dies. Der Krieg in der Ukraine ist für uns alle entsetzlich und wir haben uns klar positioniert: Die Salzburger Festspiele verfolgen den russischen Angriffskrieg mit tiefer Bestürzung. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten dem ukrainischen Volk und all jenen in der russischen Bevölkerung, die jede Form von militärischer Aggression ebenso wie wir klar ablehnen. Wir bekennen uns ausdrücklich zum Gründungsauftrag der Salzburger Festspiele, ein Friedensprojekt im Geiste der Toleranz und Humanität zu sein. Die Salzburger Festspiele sind ein internationales Festival mit Besucher:innen sowie Künstler:innen aus aller Welt und fühlen sich diesen kulturell und freundschaftlich verbunden. Wir sehen jedoch keine Grundlage für eine künstlerische oder wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Institutionen
oder Einzelpersonen, die sich mit diesem Krieg, dessen Betreibern und deren Zielen identifizieren. Umgekehrt sehen wir keinen Anlass, die Zusammenarbeit mit Künstlern infrage zu stellen, die keine erkennbare Nähe zum Regime Putin aufweisen. Das gilt zum Beispiel für Teodor Currentzis, in den von ihm geleiteten Ensembles spielen etliche ukrainische Musiker, in seine Konzertprogramme hat er zuletzt bewusst Werke ukrainischer Komponisten integriert. Wirtschaftlich spielen die Beziehungen mit russischen Privatpersonen oder Institutionen eine untergeordnete Rolle. Keiner unserer Haupt- und Projektsponsoren stammt aus Russland. Und noch etwas: Kunst kann keinen Krieg beenden, aber sie kann helfen, innezuhalten, zu reflektieren und Hoffnung zu schöpfen. www.salzburgerfestspiele.at
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