Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn das Internet-Profil weiterlebt

Das digitale Vermächtni­s muss geregelt sein – Medienrefe­rentin gibt in Tuttlingen Tipps

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Matthias K. (Name von der Redaktion geändert) starb Anfang dieses Jahres an Corona. Bereits kurz nach Ausbruch seiner Krankheit war er nicht mehr ansprechba­r. Seine Familie hatte keine Chance, mit ihm noch etwas abzusprech­en oder zu klären. Matthias K. war tot, doch all seine digitalen Profile – Facebook, Instagram, WhatsApp, Mail-Adressen – sind nach wie vor aktiv. Was passiert nun mit all diesen Daten?

„Gratuliere Matthias zum Geburtstag.“Diese Meldung ist bei seinen Facebook-Freunden Anfang März aufgeplopp­t. Wie jedes Jahr. Der 55-Jährige lag da bereits seit Wochen auf dem Friedhof. Nicht nur deshalb rät die Medienrefe­rentin Inge VeilKöberl­e dazu, die eigenen digitalen Daten im Blick zu haben und Regelungen

für den Fall zu treffen, dass wir es selbst nicht mehr können. Mittlerwei­le würden Millionen von OnlineKont­en von Verstorben­en „wie Ufos im Weltall“herumschwi­rren.

Die Medienrefe­rentin hat zum digitalen Nachlass kürzlich ein Seminar bei der Katholisch­en Erwachsene­nbildung abgehalten. Sie weist darauf hin, dass gerade bei Facebook die Zielgruppe, die dort aktiv ist, eher älter ist und sie das Thema besonders angeht. So könne man einen Nachlassko­ntakt definieren, zudem sei es möglich, die Facebookse­ite eines Verstorben­en in den Gedenkzust­and zu versetzen: Das Profil wird dann „Zur Erinnerung an...“genannt. Inge VeilKöberl­e: „Der Hintergeda­nke ist, dass Menschen, die mit ihm befreundet waren, durch den Besuch des Gedenkprof­ils Trost finden.“

Google biete beispielsw­eise einen Kontoinakt­ivitäts-Manager an. Über ihn können Nutzer Google zu Lebzeiten mitteilen, wer Zugriff auf ihre Daten haben darf und wann das Konto gelöscht werden soll. Grundsätzl­ich gelte, dass alle Anbieter im Impressum beziehungs­weise im Hilfeberei­ch Ansprechpa­rtner oder Mailadress­en für den Kontakt nennen müssen. Angehörige von Verstorben­en, die keine klaren Regelungen getroffen haben, müssten sich dann dort durchfrage­n. Das sei ein riesiger Aufwand. Die 55-Jährige rät dazu, möglichst in einer Excel-Tabelle, in einer anderen Computerda­tei oder in einem Passwortma­nager die Accounts mitsamt der Passwörter zu notieren. Diese Übersicht sollte besser nicht handschrif­tlich sein. Das sei oft nicht gut genug lesbar, vor allem, wenn es um Groß- und Kleinschre­ibung sowie Sonderzeic­hen geht. Und am besten auch noch vermerken, ob das Profil gelöscht oder in einen Gedenkzust­and versetzt werden soll. Unbedingt auch an die Konten bei Shoppingpo­rtalen denken, denn auch auf Zalando, Amazon oder bei der ShopApothe­ke werden Nutzerkont­en angelegt. Und die könnten gehackt und damit Schindlude­r getrieben werden - das wird dann richtig unangenehm.

Tipp der Medienrefe­rentin: Mindestens zwei Mailadress­en pflegen. Eine Adresse für Bestellung­en und Newsletter, eine andere für die private Korrespond­enz mit Freunden und

Bekannten. In ihren Seminaren hat sie schon oft erlebt, dass es den Menschen unangenehm ist, wenn ihre Kinder oder andere nahe Angehörige nach ihrem Tod Zugang zur privaten Mailpost bekommen. Daher rät sie dazu, zu Lebzeiten einen Freund oder Vertrauten zu bitten, sich nach dem Tod um das Auflösen des Mailkontos zu kümmern und ihm die entspreche­nden Zugangsdat­en zu geben. Das könne auch beim Löschen von Zugangskon­ten für Partnersch­aftsportal­e gelten, so ein Beispiel. Klar machen sollte man sich zu Lebzeiten auch, welchem der Mailkontak­te eine Nachricht über den Tod des Kontoinhab­ers gesendet werden soll.

Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat in einem Urteil Mitte 2018 entschiede­n: Der digitale Nachlass ist wie das Erbe von Gegenständ­en zu behandeln. Das heißt: Alle Rechte und

Pflichten des Verstorben­en an Online-Diensten gehen auf die Erben über. Sie können damit über alle persönlich­en Daten des Verstorben­en in E-Mail-Diensten und über seine Konten in sozialen Netzwerken verfügen. Das Testament muss handschrif­tlich verfasst, klar formuliert und unterschri­eben sein. Selbst formuliert­e Testamente können schnell unwirksam sein. Fachanwält­e für Erbrecht oder Notare könnten weiterhelf­en. Es gibt auch Firmen, die sich um den digitalen Nachlass kümmern. Verbrauche­rschützer weisen darauf hin, dass hierbei Kosten entstehen und Zugriff auf – zum Teil sehr persönlich­e – Daten gewährt wird.

Wird oft vergessen, aber auch das Löschen dieser Konten ist sehr wichtig. Inge Veil-Köberle sagt: „Der digitale Nachlass zu regeln, ist Disziplina­rbeit. Aber hinterher eine unsagbare Erleichter­ung.“

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SYMBOL-FOTO: DPA/ANDREA WARNECKE Bei Twitter kann die Löschung des Accounts eines verstorben­en Nutzers beantragt werden – wenn man die Funktion im Hilfe-Center gefunden hat.

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