Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Krankenhaus-Betrieb ist für Stadt nicht zu stemmen“
Waldsees OB Matthias Henne spricht über einen möglichen Kauf der örtlichen Klinik
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BAD WALDSEE - Der Schmerz über die bevorstehende Krankenhausschließung in Bad Waldsee sitzt tief. Indes mehrt sich der Wunsch vieler Waldseer, dass die Stadt das Krankenhaus übernehmen und damit den Betrieb aufrecht erhalten soll. Wie die Stadt dazu steht, wie es mit dem Gebäude weitergeht und wie die frühzeitige Schließung der Orthopädie und Chirurgie bei den Stadtverantwortlichen ankam, hat Wolfgang Heyer im Gespräch mit Oberbürgermeister Matthias Henne erfragt.
Herr Henne, in so mancher Kommune wird das Krankenhaus von der Stadt selbst betrieben. Ist das für Bad Waldsee auch vorstellbar? Nein. Wir haben Pflichtaufgaben zu erfüllen, zu denen Schule, Kindergarten, Infrastrukturmaßnahmen und die städtebauliche Entwicklung gehören.
Den Betrieb eines Krankenhauses können wir nicht leisten. Und es ist auch nicht unsere Aufgabe, sondern die von Bund, Land und Landkreisen. Das vergisst man nur leider immer wieder. Selbst wenn wir das Krankenhaus fortführen wollten, hätten wir die gleichen Probleme wie die Oberschwabenklinik: ein Mangel an Fachpersonal. Außerdem ist die Bettenanzahl im Landesbettenplan festgeschrieben und die Betten würde uns die OSK nicht überlassen. Wir als Stadt können den Betrieb eines Krankenhauses schlichtweg nicht stemmen.
Die Stadt selbst kann das Krankenhaus also nicht fortführen. Aber wie steht es um das Gebäude?
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RAVENSBURG - Vor fünf Jahren hatte es einen lauten Aufschrei gegeben, weil die Erbinnen der Villa Kengott in der Ravensburger Federburgstraße 33 das Schmuckstück abreißen und dort ein neues Mehrfamilienhaus hinstellen wollten. Inzwischen haben die Damen sich von ihrem Vorhaben verabschiedet und die prägnante, 1907 erbaute Stadtvilla verkauft. Der neue Eigentümer will sie, wenn irgend möglich, erhalten. Neue Wohnungen sollen auf dem weitläufigen Areal in der Ravensburger Nobelwohngegend aber auf jeden Fall entstehen. Das ist geplant.
„Wenn die ausdrucksstarke Architektur erhalten werden kann, darf die Villa bleiben“, sagt Ingo Traub. Er ist Chef-Projektentwickler des Bauunternehmens Reisch, welches unter anderem das Neubaugebiet Rinker-Areal im Ravensburger Osten hochzieht und die Villa Kengott im Februar gekauft hat. Beim Besichtigungstermin sei das gesamte Team vom „malerischen Charakter“des Gebäudes begeistert gewesen, so Traub. Beim näheren Hinschauen machte sich freilich Ernüchterung breit. Momentan untersuchen Fachleute, ob und unter welchen Bedingungen die weithin sichtbare Villa Kengott erhalten und saniert werden könnte.
Beim Vor-Ort-Termin wird deutlich: Das Gebäude, in dem drei von vier Wohnungen leer stehen, ist ziemlich heruntergekommen. Doch mit einer Renovierung ist es nicht getan, da heute in Sachen Brand- und Schallschutz andere gesetzliche Vorgaben gelten als früher, wie Traub erläutert.
Außerdem müsste man den verputzten Ziegelbau mit der Holzkonstruktion im Obergeschoss energetisch auf Vordermann bringen. Das Problem: Dämmt man die Fassade von außen, gehe ziemlich sicher der Charme der Villa verloren. Dämmt man die Wände und Böden aber von innen, zieht das einen Rattenschwanz nach sich: Dann müssten
Möchte die Stadt das Gebäude samt Grundstück kaufen?
Die Möglichkeit, das Gebäude und das Grundstück zu erwerben, haben wir kürzlich in einer Vorkaufsrechtsatzung geregelt, falls der Landkreis die Liegenschaft an einen Dritten veräußern wollte. Nun kommt es auf ein faires Angebot an, das uns der Landkreis noch unterbreiten wird. In Abstimmung mit dem Gemeinderat können wir dann über die städtebauliche Entwicklung sprechen. Nach meinem Kenntnisstand soll das angedachte Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) zunächst im Bestand etabliert werden. Wir werden aber sorgfältig und in aller Ruhe überlegen, ob ein Kauf oder eine Erbpacht für uns in Frage kommen könnte.
In der Sitzungsvorlage ist vermerkt, dass „die Krankenhausliegenschaft zu fairen Bedingungen zum Kauf oder als Erbbaurecht“angeboten werden soll. Welcher Betrag wäre für Sie fair?
Das ist spekulativ, da wäre ich vorsichtig eine Summe in den Raum zu stellen. Da bitte ich um Verständnis. Noch haben keine Gespräche mit dem Landkreis stattgefunden., Die werden aber in Kürze folgen. Ein Termin ist bereits anberaumt.
Die Bürgerinitiative sieht die Realisierung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) als Alternative zum Krankenhaus äußerst kritisch. Wie bewerten Sie die tatsächliche Realisierung eines MVZ in der Kurstadt?
Da nehme ich die Verantwortlichen samt Kreistag in die Pflicht, dem Beschluss auch Taten folgen zu lassen – und zwar so schnell wie möglich. Zur Umsetzung braucht es aber nicht nur den Willen des Kreistags und der OSK, sondern auch der niedergelassenen Ärzte sowie von Pflegern und
Schwestern. Auch die Kassenärztliche Vereinigung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Da gibt es bereits erste, gute Signale. Insgesamt ist das Konstrukt derzeit aber noch zu schwammig, da muss endlich Fleisch an den Knochen gebracht werden. Nichts desto trotz ist das im Moment unser einziger Lichtblick, an dem ich weiterhin mit Herzblut arbeite. Bad Waldsee braucht einfach eine vernünftige Grund- und vor allem Notfallversorgung. Wir müssen es anpacken. Denn wenn wir es nicht tun, haben wir schon im Vorhinein verloren.
Wie soll ein MVZ aus Ihrer Sicht finanziert werden?
Dazu habe ich noch keine abschließende Einschätzung. Wir haben einen Antrag für einen Kümmerer gestellt, der das Netzwerk zusammenbringen soll. Auch die Fragen nach der baulichen Umsetzung, der Verwaltung und eben zur Finanzierung sind bislang unbeantwortet. Ich habe schon die Erwartung, dass der Bund, das Land und der Landkreis sich ihrer Aufgabe bewusst sind und sich – auch finanziell – einbringen. Beim Breitband, bei Kindergartenund ab 2026 auch bei den Grundschulplätzen wurden die Aufgaben bereits an die Kommunen heruntergereicht. Ich sehe die Gefahr, dass man auch bei der Gesundheitsversorgung irgendwann sagt: Liebe
Stadt, das musst Du zahlen, obwohl die Finanzierungsmittel bei Bund und Land sind.
Keine 24 Stunden nach dem Kreistagsbeschluss zum KrankenhausAus wurde verkündet, dass Orthopädie und Chirurgie bereits Ende Oktober schließen müssen? Was sagen Sie dazu?
Dass die Abwicklung unseres Hauses so schnell eingeleitet wird, kam für mich sehr überraschend. Nicht nur gegenüber den Patienten, sondern auch gegenüber den Beschäftigten wirkte es emotionslos und unsensibel. Dabei hatten die Kreisräte mehr Wertschätzung für das Personal eingefordert. Das scheint aber keinen Stellenwert für die OSK-Geschäftsführung zu haben. Das ist alles schon sehr traurig.
Die Schließungsentscheidung hat Sie und die Stadt Bad Waldsee schwer getroffen. Glauben Sie, dass die Waldseer Klinik ohne vorherige Absprachen der Kreisräte hätte gerettet werden können?
Es ist ganz normal, dass es Absprachen im Sinne von Fraktionsvorüberlegungen gibt. Das ist auch in Ordnung. Dass aber Gespräche hinter den Kulissen geführt werden und man manchmal das Gefühl hatte, dass Bad Waldsee als Bauernopfer auf die Schlachtbank gelegt wurde, belastet einen schon. das Projekt in einer von Ravensburgs begehrtesten Wohngegenden inklusive Grundstückskauf insgesamt 20 Millionen Euro. Sobald heraus ist, ob die Villa saniert werden kann, will man im Herbst einen Architekturwettbewerb ausloben, „um die beste städtebauliche Lösung zu bekommen“, wie Traub erläutert. Die letzten verbleibenden Mieter haben zum Ende des Jahres die Kündigung erhalten. Der Startschuss für das Projekt fällt frühestens im Frühjahr 2023.
Und was wird eine der neuen innenstadtnahen Wohnungen mit viel Grün drum herum kosten? Günstig wird es gewiss nicht. Zumal zur exklusiven Lage noch die gerade davongaloppierenden Baukosten kommen: Laut Traub seien diese im letzten Dreivierteljahr um 15 Prozent gestiegen.