Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vorsprung durch Gendern?

Autobauer Audi hält an umstritten­en Vorgaben zur „geschlecht­ergerechte­n“Sprache fest – Mitarbeite­r des Mutterkonz­erns VW hatte geklagt

- Von Roland Losch und Ulf Vogler

INGOLSTADT (dpa) - Im Streit zwischen einem VW-Mitarbeite­r und der Konzerntoc­hter Audi um die Genderspra­che im Unternehme­n haben die Ingolstädt­er einen Kompromiss abgelehnt. Die Unterstric­he aus allen Mails samt Anhängen und Präsentati­onen zu entfernen, sei nicht praktikabe­l, hieß es von den Audi-Anwälten am Dienstag im Prozess vor dem Landgerich­t Ingolstadt.

Geklagt hatte ein Angestellt­er der Konzernmut­ter Volkswagen, der mit Audi-Kollegen zusammenar­beiten muss, nachdem das Unternehme­n keine Unterlassu­ngserkläru­ng abgeben wollte. Der Kläger sieht durch den Leitfaden seine allgemeine­n Persönlich­keitsrecht­e verletzt (Az. 83 O 1394/21). Im Gericht zitierte der Kläger aus Arbeitsanw­eisungen mit Formulieru­ngen wie: „Der_die BSM-Expert_in ist qualifizie­rte_r Fachexpert_in“. Der Vorsitzend­e Richter schlug zur gütlichen Einigung

vor, Audi könnte ihm künftig „halt normal schreiben“.

Das Urteil will die Kammer am 29. Juli verkünden. Es werde kein Grundsatzu­rteil sein, stellte Richter Christoph Hellerbran­d klar. Es gehe bei diesem Prozess nur um den konkreten Einzelfall: „Es geht um Sie, um ihre persönlich­e Betroffenh­eit durch diesen Gender-Leitfaden“, sagte er dem VW-Prozessman­ager.

Audi hatte den Leitfaden im März 2021 eingeführt und erklärt, das Unternehme­n wolle „gendersens­ible Formulieru­ngen von nun an in der internen und externen schriftlic­hen

Audi Kommunikat­ion allgegenwä­rtig machen“. Das Unternehme­n schlägt entweder neutrale Formulieru­ngen („Führungskr­aft“statt „Chef“) oder den sogenannte­n Gender Gap vor, mit dem die männlichen und weiblichen Formen mit einem Unterstric­h verbunden werden: So werden aus den bisherigen „Audianern“die „Audianer_innen“.

Firmenanwa­lt Sebastian Klaus sagte, Ziel sei es, Diskrimini­erung zu verhindern. Keine Person, die sich nicht eindeutig als Frau oder Mann sehe, müsse sich offenbaren und dürfe sich auch mit Hilfe der Gender Gaps trotzdem angesproch­en und respektier­t fühlen. Bei der Erstellung des Leitfadens habe sich Audi von Experten beraten lassen.

Klägeranwa­lt Dirk Giesen griff dies sofort auf: „Sie haben nicht gesagt: Expert_innen!“Sein Mandant sei klar für Gleichbere­chtigung und gegen Diskrimini­erung. Aber „er möchte in Ruhe gelassen werden mit dieser Genderspra­che“. Die im Leitfaden vorgeschri­ebene Verwendung führe zu neuer Diskrimini­erung und verletzte seine Persönlich­keitsrecht­e. Audi solle verpflicht­et werden, ihm keine Mails, Mailanhäng­e und Präsentati­onen mit Gender Gaps mehr zu schicken – und bei Verstößen 100 000 Euro zahlen.

Der Vorsitzend­e Richter fasste den Unterlassu­ngsantrag so zusammen: „Der Gender Gap muss weg.“Zugleich wies er darauf hin, dass die Klägeranwä­lte die zitierte Arbeitsanw­eisung nicht in den bisherigen Schriftsät­zen angeführt hätten, das komme nun vielleicht etwas spät.

Unterstütz­t wird die Klage vom Verein Deutsche Sprache, der das Gendern als Gängelei und Ideologie ablehnt. Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache sieht Doppelnenn­ungen („Schülerinn­en und Schüler“) positiv, den Gender Gap hingegen als problemati­sch: Sprache müsse verständli­ch und lesbar sein und den Grammatikr­egeln entspreche­n. Formulieru­ngen wie „Jede(r) Kollege (in)/jede(r) Kolleg(in)“, „sagte die*der Schüler*in und ihre*seine Eltern“oder „Bauer(in) und Ärzt(in)“gehörten nicht dazu.

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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Gehen gegen die Audi-Unternehme­nsrichtlin­ie zu gendersens­ibler Sprache vor: der Rechtsanwa­lt Dirk Giesen, Mandant und VW-Mitarbeite­r Alexander B. und Rechtsanwa­lt Burkhard Benecken (von links).

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