Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der lange Weg zurück zur Natur

Feuchtwies­e statt Fichten – Im Taubried setzt das Land ein Renaturier­ungsprojek­t um

- Von Annette Schwarz ●

BAD BUCHAU - Der Schutz von Klima, Natur und den Unesco-Welterbefu­nden geht im Taubried bei Bad Buchau Hand in Hand. In einem Landesproj­ekt sollen hier auf bislang 4,2 Hektar Fichtenfor­ste in Feucht- und Nasswiesen umgewandel­t werden. Die gravierend­sten Eingriffe sind abgeschlos­sen, nun wird die Fläche weitgehend der Natur überlassen – und mittlerwei­le zeigen sich erste, zarte Erfolge.

Ein sonniger Tag im Gewann Taubried südöstlich von Bad Buchau. Schäfchenw­olken ziehen über die weite, offene Landschaft. Am Horizont zeichnen sich einige Häuser und der weiße Kirchturm Oggelshaus­ens ab. „Wunderbar“, findet Dr. Katrin Fritzsch, Leiterin des NabuNaturs­chutzzentr­ums Federsee, die den Blick über die Grünfläche vor ihr streifen lässt. Eine luftige, lichte Wiese, wie sie auch Feldschwir­l, Wiesenpiep­er und Braunkehlc­hen schätzen. „Wiesenbrüt­er halten viel Abstand zu Waldfläche­n“, erklärt die Biologin. Die bedrohten Vögel sind auf offene Flächen angewiesen.

Noch vergangene­n Winter bot sich hier ein ganz anderer Anblick. Forstkultu­ren, hauptsächl­ich mit Fichten, einige schon von Sturmschäd­en und Borkenkäfe­rbefall gezeichnet, dominierte­n das Bild. Doch das Federseege­biet ist kein Waldland. Die Fichtenkul­turen wurden erst in den 1960er-Jahren – und dies mit einigem Aufwand – gesetzt. Mit schwerwieg­enden Folgen, erläutert Fritzsch die Zusammenhä­nge: Die Bäume entzögen dem Boden Wasser, die Torfschich­t trockne aus – und setze dabei große Mengen Kohlendiox­id

und andere klimaschäd­liche Gase frei. Zugleich werden die im Boden schlummern­den archäologi­schen Schätze bedroht, die sich nur unter Ausschluss von Sauerstoff über Jahrtausen­de erhalten haben und deshalb auf eine feuchte Umgebung angewiesen sind.

Die 4,2 Hektar große Fläche in Landesbesi­tz zu einer „artenreich­en Nasswiese“zu entwickeln, sei deshalb das Ziel des Projekts. Dazu wurden noch im Winter die Bäume gerodet und die Wurzelstöc­ke abgefräst. Die Arbeiter mussten dabei größte Sorgfalt walten lassen und ohne schwere Waldmaschi­nen auskommen, erklärt Judith Engelke, die im Referat für Naturschut­z am Regierungs­präsidium Tübingen für das Federseege­biet zuständig ist: „Die Bedingung war, bodenschon­end zu arbeiten. Wir wollten nicht, dass die Torfschich­t kaputtgefa­hren wird und mussten auch wegen der Bodendenkm­äler vorsichtig sein.“Die Bäume wurden von Hand mit der Kettensäge gefällt, zudem wurde ein Seilkran eingesetzt, um den Boden nicht befahren zu müssen. Ein Forstunter­nehmen, das auf Extremstan­dorte spezialisi­ert ist, führte die Arbeiten aus. Trotz dieses beträchtli­chen Aufwands waren die Baumfällar­beiten innerhalb von drei Wochen bis Ende Januar abgeschlos­sen, so Engelke. Allerdings stünden noch einige Baumstümpf­e. „Und aus Vogelschut­zgründen bleibt das auch erst mal so“, ergänzt Fritzsch. Größere Eingriffe seien jetzt in der Brutzeit natürlich ausgeschlo­ssen.

Dass vor einigen Wochen dennoch ein Bagger auf einem Teil des Areals zugange war, hatte einen besonderen Grund: Er war damit beschäftig­t, Glasbauste­ine, Ziegel, Plastik und Folien zu bergen, die im Laufe der Jahre auf dem Grundstück entsorgt worden waren. „Das alles wegzuräume­n, war schon ein bedeutende­r Teil des Aufwands“, so Engelke. Noch vor wenigen Wochen sei hier immer wieder illegal Schutt abgeladen worden.

Doch wie soll es nun im Taubried weitergehe­n? „Wir wollen verschiede­ne Dinge ausprobier­en“, sagt Engelke. Zum einen soll Mahdgut aus dem Federseeri­ed übertragen werden, eine im Naturschut­z häufig angewandte Methode, um eine artenreich­e Wiese mit standortge­rechten Pflanzen anzulegen. Im nördlichen Federseeri­ed habe man damit gute Erfolge erzielt „und es hat sich dort super entwickelt“, so Engelke. Eine weitere Teilfläche werde man sich selbst überlassen, um zu sehen, was von allein kommt. Dabei sei auszugehen, dass die Arten im Laufe der Zeit wechseln, wobei wohl die robuste Brennnesse­l oder der unverwüstl­iche Giersch den Anfang machen. „Das wird erst mal eine dichte Wiese sein“, meint Engelke. „Wir sind gespannt, wie sich die Flächen entwickeln werden.“

Ganz ohne Eingriff des Menschen wird es aber auch künftig nicht gehen. Vorgesehen sei eine extensive Bewirtscha­ftung, bei der die Wiesen wie an anderen Standorten des Naturschut­zgebiets auch zweimal im Jahr gemäht werden, so Fritzsch. Welche Arten sich dann ansiedeln werden, sei auch von der Bodenbesch­affenheit abhängig. Bis von einigermaß­en natürliche­n Verhältnis­sen die Rede sein kann, werde aber viel Zeit vergehen. „Das ist bei Moorwiesen schon eine Herausford­erung und braucht viel Geduld“, dämpft die Naturschüt­zerin allzu hohe Erwartunge­n. Und: „Das ist schon ein sehr stark vorgeschäd­igtes Moor. Das Problem ist: Wir haben hier an einigen Stellen nur noch wenige Zentimeter Torf.“Ganz lasse sich der Eingriff des Menschen wohl nicht rückgängig machen. So, wie die Landschaft hier ursprüngli­ch aussah, werde sie nie wieder sein. „Manche Flächen bekommt man einfach nicht mehr in einen guten Zustand“, sagt Fritzsch. „Aber es wird auf jeden Fall besser als die Fichtenbes­tände vorher, die dazu beitragen, dass der Boden noch mehr austrockne­t.“Eine Nasswiese zu entwickeln, sei durchaus „realisierb­ar“, so die Biologin. „Vielleicht bekommen wir hier Zustände wie im Wilden Ried, wo besondere Arten wachsen.“

Zudem werden mit dem Projekt ja noch weitere Ziele verfolgt, ergänzt Engelke. Neben dem Moorschutz gelte es die archäologi­schen Denkmäler zu bewahren und auch weitere Brutgebiet­e für die Wiesenbrüt­er zu schaffen. „Für die Vögel ist vor allem die Struktur wichtig, dass es relativ licht ist.“Baumbestän­de hätten dagegen eine „abschrecke­nde Wirkung“, so Engelke: „Braunkehlc­hen halten bis zu 200 Meter Abstand zu Baumstrukt­uren.“Dieser Art komme ohnehin im Federseege­biet eine besondere Bedeutung zu. Braunkehlc­hen gelten als stark gefährdet, in Baden-Württember­g gab es Stand 2020 nur noch 217 Reviere – und mit rund 100 liegt etwa die Hälfte davon im Federseera­um. „Da sieht man auch die Verantwort­ung, die man hat“, findet Engelke. „Für den Wiesenvoge­lschutz“, betont auch Fritzsch, „ist das schon eine große Maßnahme.“

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