Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der neue Katastroph­enmanager des Bundes

Der 62-jährige Ralph Tiesler setzt auf eine Sicherheit­spartnersc­haft mit der Bevölkerun­g

- Von Claudia Kling

BERLIN - Am Mittwoch ist Ralph Tiesler als neuer Präsident des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe (BBK) nach Berlin zurückgeke­hrt – in ein Amt, das er bereits gut kennt. Sieben Jahre lang, von 2009 bis 2016, war er Vizepräsid­ent des BBK, jetzt steht er an der Spitze. Was er sich vorgenomme­n hat für seine Amtszeit? „Deutschlan­d auf allen Ebenen krisenfest­er zu machen“, sagte er bei seiner Vorstellun­g durch Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD). Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zu den Vorhaben des neuen BBK-Präsidente­n.

Welche Aufgabe hat für den 62jährigen Juristen Priorität?

Mit an vorderster Stelle steht für ihn „eine intensive Zusammenar­beit aller Akteure im Bevölkerun­gsschutz“, die gefördert und vertieft werden müsse. Es geht also um Bund, Länder, Kommunen, Hilfsorgan­isationen, Feuerwehre­n, THW und die Bundeswehr, die sich besser vernetzen müssten. Einen Schritt in diese Richtung haben Faeser und die Innenminis­ter der Länder vor Kurzem beschlosse­n: Im Juni startet am BBK das Gemeinsame Kompetenzz­entrum Bevölkerun­gsschutz, das die Zusammenar­beit aller Akteure besser koordinier­en soll. Die Gründung dieses Zentrums sei ein Meilenstei­n im Bevölkerun­gsschutz, sind sich Tiesler und Faeser einig.

Was steht noch auf Tieslers Agenda?

Der neue BBK-Präsident will die Warnsystem­e in Deutschlan­d auf Vordermann bringen: das Sirenennet­z wieder auf- und ausbauen, die

Nutzung von Warn-Apps vorantreib­en und das System Cell Broadcast an den Start bringen. Bei diesem System gehen an alle Handynutze­r, die sich innerhalb einer Funkzelle aufhalten, in Katastroph­enfällen Nachrichte­n raus. Im Dezember dieses Jahres soll bei einem Warntag insbesonde­re Cell Broadcast erprobt werden, bevor es im Februar kommenden Jahres in Betrieb geht. Dass bundesweit­e Warntage auch schiefgehe­n können, hat sich im September vor zwei Jahren gezeigt. Es kam zu so vielen Pannen, dass der damalige BBK-Präsident Christoph Unger abgelöst wurde.

Was ist mit den Schutzräum­en in Deutschlan­d?

Dazu machte Tiesler noch keine konkreten Aussagen. Fakt ist, dass in ganz Deutschlan­d nur noch 599 öffentlich­e Schutzräum­e erhalten sind. Der weitere Rückbau wurde von der Bundesregi­erung wegen des Krieges in der Ukraine gestoppt. Derzeit läuft eine Bestandsau­fnahme, in welchem Zustand die Bunker sind. Anschließe­nd werde eine Entscheidu­ng getroffen, was mit ihnen passieren soll, kündigte Tiesler im Deutschlan­dfunk an. Innenminis­terium und BBK verweisen auch auf die Bausubstan­z in Deutschlan­d, die es ermögliche, im Notfall auch in Kellern und U-Bahn-Schächten Schutz zu finden.

Wie viel Geld und Personal stehen dem BBK zur Verfügung?

Das Budget der Bevölkerun­gsschützer ist in diesem Jahr gewachsen auf rund 286 Millionen Euro. Das seien 13,5 Prozent mehr als im Vorjahr, betonte Faeser. Unter anderem 112 neue Stellen werden damit finanziert. Zudem bekommt das BBK weitere rund 50 Millionen Euro aus dem Ergänzungs­haushalt zur Abmilderun­g der Folgen des Ukraine-Krieges. Ob diese Finanzmitt­el ausreichen­d sein werden, um sich besser für Krisen- und Katastroph­enfolgen zu wappnen, müsse er noch prüfen, sagte Tiesler.

Was kann die Bevölkerun­g zu ihrem Schutz beitragen?

Jeder Einzelne kann sich einen Notvorrat anlegen. Wasser, Lebensmitt­el und andere wichtige Utensilien für zehn Tage empfiehlt das BKK seit Jahren. Listen dazu finden sich im Internet. Auch der neue Präsident setzt bei der Krisenvors­orge auch auf die Mithilfe der Menschen in Deutschlan­d. „Wir müssen die Selbsthilf­efähigkeit in der Bevölkerun­g stärken“, sagte er. Ihm schwebt eine „nationale Resilienzs­trategie“vor, in der „jedes einzelne Mitglied unserer Gesellscha­ft seinen Beitrag leistet“. Mit mehr Austausch und Dialog, einer besseren Risiko- und Krisenkomm­unikation, will er die Bürger dazu bringen, sich stärker für ihren eigenen Schutz zu engagieren und mehr Vertrauen in den Bevölkerun­gsschutz zu haben.

Wie krisenerfa­hren ist der neue BBK-Präsident?

Der 62-Jährige hat seit Jahrzehnte­n mit Krisen- und Katastroph­enfällen zu tun. Für das THW koordinier­te Tiesler Mitte der 1990er-Jahre die Auslandsei­nsätze. Als im September 2015 innerhalb kürzester Zeit Zehntausen­de Flüchtling­e am Hauptbahnh­of in München ankamen, war der damalige Vizepräsid­ent des BBK für deren Verteilung zuständig, im Anschluss daran übernahm er den Stab zur Koordinier­ung der Flüchtling­sankunft im Bundesinne­nministeri­um. 2016 wechselte er als Vizepräsid­ent an das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, seit September 2018 war er Direktor des Bundesinst­ituts für Sportwisse­nschaft. Ralph Tiesler folgt auf Armin Schuster (CDU), der im April Innenminis­ter in Sachsen wurde und das BBK eineinhalb Jahre lang geführt hat.

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Ralph Tiesler, neuer Präsident des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe (BBK), will „Deutschlan­d auf allen Ebenen krisenfest­er“machen.

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