Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Unruhe an den Märkten alarmiert EZB
Notenbank kündigt Instrument gegen wachsende Renditeabstände zwischen Staatsanleihen an
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FRANKFURT - Auf einer Sondersitzung hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ein neues geldpolitisches Instrument angekündigt. Damit will er verhindern, dass die Zinsen für Staatsanleihen in den hochverschuldeten Staaten des Euroraums zu stark steigen und sich zu weit von denen in Kerneuropa entfernen. Denn damit würde das Risiko einer Staatspleite und damit eines Wiederaufflammens der Eurofinanzkrise steigen. Man habe die Gremien mit der Ausarbeitung eines solchen Programms beauftragt, teilte die EZB am Mittwoch mit.
Seit der Ankündigung der Zinswende im Juli waren die Zinsen vor allem für Staatsanleihen in Italien, aber auch in Griechenland, deutlich gestiegen. Denn bei den Investoren wuchs die Sorge, die hochverschuldeten Staaten könnten eine Zinsanhebung nicht verkraften. Das sei „Unsinn“, meinte etwa Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING. Unsinn deshalb, weil die Staaten die vergangenen Jahre die sehr niedrigen Zinsen genutzt haben, um ihre Schulden neu zu strukturieren. Allenfalls ein geringer Teil der Schulden müsste künftig zu höheren Zinsen aufgenommen werden. Die Finanzmärkte aber sorgen sich eben, dass auch neu ausgegebene Anleihen dann von den Investoren nicht gekauft werden könnten. Denn in den Jahren zuvor war die EZB immer am Markt und kaufte viele dieser Wertpapiere auf.
Schon in der vergangenen Woche hatte die EZB darauf hingewiesen, dass sie weiter am Markt bleiben werde und die auslaufenden Anleihen weiter reinvestieren werde. Das hat sie nun für das Pandemie-Notprogramm PEPP ausdrücklich bekräftigt, im Rahmen dieses Programms hat sie seit März 2020 1,85 Billionen Euro an Anleihen gekauft. Der Vorteil dieses Programms: Sie kann diese Anleihen flexibel wiederanlegen, sie muss sie also nicht gleichmäßig auf alle Staaten des Euroraums verteilen.
Die Erwartungen an die Sondersitzung waren im Vorfeld sehr hoch, die Enttäuschung deshalb zunächst ebenfalls, weil die Notenbank noch nichts Konkretes über die Ausgestaltung des neuen Instruments berichten konnte. Doch dann habe sich die Hoffnung durchgesetzt, dass die EZB mit einem solchen Instrument die Märkte wohl nicht enttäuschen werde, sagt Daniel Lenz, Rentenmarktexperte der DZ-Bank. Das aber sei auch ein Problem, weil die Märkte ohne ein Eingreifen der Notenbank nicht funktionierten: „Wenn die EZB immer wieder eingreift und immer wieder dem Staat eine Brücke baut – wo ist dann der Anreiz für die Staaten zu sagen, wir müssen finanziell für uns alleine einstehen und wir müssen selber Sorge tragen, dass Investoren uns vertrauen und unsere Anlagen kaufen?“, sorgt sich der Rentenmarktexperte.