Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Warum es noch keine Markthalle in Mengen gibt
Wirtschaftsförderer und Landwirte sehen die Umsetzung derzeit kritisch – Ein externer Betreiber wäre gefragt
MENGEN - Die vielen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und besonderen Produkte aus Mengen und der Region zentral an einem Ort einkaufen zu können, das würde Einheimischen und Touristen gleichermaßen gefallen. Während der Corona-Zeit sind allerorten die Hof- und Regioautomaten aus dem Boden geschossen. Parallel dazu ist auch die Nachfrage nach regionalen und Bioprodukten gestiegen. Vor drei Jahren hat die Stadt Mengen bei einem sogenannten „Zukunftslabor Innenstadt“unter anderem die Idee einer Markthalle aufgegriffen, in der genau solche Produkte angeboten werden sollen. Für das Projekt ist das Stadtmarketing vom Handelsverband BadenWürttemberg und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau ausgezeichnet worden. Getan hat sich in diese Richtung seither allerdings nichts. Ein Erklärungsversuch.
Milch von der Milchtankstelle in Rosna, Kartoffeln und Eier aus Rulfingen, Rindfleisch aus Scheer, Kräuter aus Sauldorf, Ziegenkäse aus Winterlingen, Mehl aus Hohentengen, Mozzarella aus Bad Saulgau und Öl aus Beuron - wer regional einkaufen möchte, findet selten alle Produkte an einem Ort und müsste einige Kilometer zurücklegen, um alle Wünsche zu erfüllen. Gäbe es eine Markthalle in der Mengener Innenstadt, hätten Kunden eine Anlaufstelle und Anbieter einen Ort, der mehr Frequenz und Umsatz verspricht. Trotzdem setzen die Landwirte aus der Region momentan hauptsächlich auf die eigene Direktvermarktung, haben diese, wie Tobias Bohner aus Rulfingen, vielleicht sogar erst vor Kurzem mit Hofladen und eigenen Automaten ausgebaut.
Laut Mengens Wirtschaftsförderer Manuel Kern hätten die meisten Erzeuger durchaus Interesse an einer gemeinsamen Vermarktung ihrer Produkte. Das hätte eine Abfrage ergeben, die im Zuge des Zukunftslabor stattgefunden habe. „Die Produkte regelmäßig nach Mengen zu bringen, wäre für sie machbar“, sagt er. „Es hat sich aber herauskristallisiert, dass keiner von ihnen die Verantwortung für den Betrieb der Markthalle übernehmen möchte.“Die Landwirte seien in ihren eigenen Betrieben zeitlich komplett eingebunden und könnten weder Verkaufspersonal noch Betriebsleitung aus den eigenen Reihen stellen. Wenn dann auch ein gemeinschaftlicher Betrieb in Form einer Genossenschaft oder eines Vereins ausgeschlossen würde, bliebe nur, einen externen Betreiber zu finden, bei dem die Fäden zusammenlaufen. „Und der ließ sich bisher noch nicht aus dem Hut zaubern“, so Kern.
Die Corona-Beschränkungen und die aktuell unsichere Lage aufgrund des Kriegs in der Ukraine würden es außerdem nicht einfacher machen, jemanden zu finden. „Das Konzept ist noch nicht vom Tisch, aber es tut sich gerade einfach nichts“, sagt Kern. Die für eine Markthalle infrage kommenden Immobilien stehen immer noch leer: Die ehemalige IhrPlatz-Filiale am Kreuzplatz und das ehemalige NKD-Geschäft in der Hauptstraße hätten die passende Größe.
Bei allem Charme, den eine solche Markthalle hätte, sehen Mengener Landwirte vor allem die Hürden und die Betriebs- und Personalkosten, die unter Umständen auf sie zukommen würden. „Wenn das ein Betreiber auf eigene Rechnung in die Hand nimmt, kann es funktionieren“, glaubt etwa Hubert Göhring aus Rulfingen. „Derjenige müsste sich aber mit den unterschiedlichen Produkten sehr gut auskennen und Kunden auch beraten können.“Für seine eigenen Speisekartoffeln wäre eine Markthalle schon eine Chance, den Umsatz zu steigern, zumal er gerade in eine neue Lagertechnik mit Kühlung investiere. „Ob jetzt in der Innenstadt viel mehr Kunden ganze Körner unseres Getreides kaufen wollen oder doch lieber fertig gemischte Müslis, das müsste man ausprobieren.“Er befürchtet allerdings, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Umsatz stehen könne. „Alles steht und fällt mit einem Betriebskonzept“, findet er. Das würde er sich ganz genau ansehen, bevor er entscheide.
Tobias Bohner schätzt vor allem die Konkurrenz von Discountern, Supermärkten und nicht zuletzt des frischen Angebots von Früchte Herr sehr hoch ein. Er ist außerdem nicht überzeugt, dass das Angebot der Mengener Landwirte allein vielseitig genug ist. „Es sollte ein besonderes Produkt geben, das die Menschen in den Laden lockt“, sagt er. In seinen Augen sollte es außerdem Parkmöglichkeiten direkt am Verkaufsraum geben. Der ehemalige „Ihr Platz“habe genau das nicht. Möglicherweise würde sich der Trend zu regionalen und Bioprodukten auch wieder umkehren, wenn die Preise weiter steigen.
Personalkosten könnten durch ein reines Automatenmodell gespart werden. „Das wäre für uns eine letzte
Lösung“, gibt Wirtschaftsförderer Kern zu. Auch Bohner ist skeptisch, ob die Kunden das annehmen werden. „Die wollen ja vielleicht auch ein Schwätzchen mit dem Erzeuger halten.“Oder zumindest mit einem Verkäufer oder einer Verkäuferin, die auch einmal eine Frage beantworten kann.