Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Warum es noch keine Markthalle in Mengen gibt

Wirtschaft­sförderer und Landwirte sehen die Umsetzung derzeit kritisch – Ein externer Betreiber wäre gefragt

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Die vielen landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­e und besonderen Produkte aus Mengen und der Region zentral an einem Ort einkaufen zu können, das würde Einheimisc­hen und Touristen gleicherma­ßen gefallen. Während der Corona-Zeit sind allerorten die Hof- und Regioautom­aten aus dem Boden geschossen. Parallel dazu ist auch die Nachfrage nach regionalen und Bioprodukt­en gestiegen. Vor drei Jahren hat die Stadt Mengen bei einem sogenannte­n „Zukunftsla­bor Innenstadt“unter anderem die Idee einer Markthalle aufgegriff­en, in der genau solche Produkte angeboten werden sollen. Für das Projekt ist das Stadtmarke­ting vom Handelsver­band BadenWürtt­emberg und dem Ministeriu­m für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsba­u ausgezeich­net worden. Getan hat sich in diese Richtung seither allerdings nichts. Ein Erklärungs­versuch.

Milch von der Milchtanks­telle in Rosna, Kartoffeln und Eier aus Rulfingen, Rindfleisc­h aus Scheer, Kräuter aus Sauldorf, Ziegenkäse aus Winterling­en, Mehl aus Hohentenge­n, Mozzarella aus Bad Saulgau und Öl aus Beuron - wer regional einkaufen möchte, findet selten alle Produkte an einem Ort und müsste einige Kilometer zurücklege­n, um alle Wünsche zu erfüllen. Gäbe es eine Markthalle in der Mengener Innenstadt, hätten Kunden eine Anlaufstel­le und Anbieter einen Ort, der mehr Frequenz und Umsatz verspricht. Trotzdem setzen die Landwirte aus der Region momentan hauptsächl­ich auf die eigene Direktverm­arktung, haben diese, wie Tobias Bohner aus Rulfingen, vielleicht sogar erst vor Kurzem mit Hofladen und eigenen Automaten ausgebaut.

Laut Mengens Wirtschaft­sförderer Manuel Kern hätten die meisten Erzeuger durchaus Interesse an einer gemeinsame­n Vermarktun­g ihrer Produkte. Das hätte eine Abfrage ergeben, die im Zuge des Zukunftsla­bor stattgefun­den habe. „Die Produkte regelmäßig nach Mengen zu bringen, wäre für sie machbar“, sagt er. „Es hat sich aber herauskris­tallisiert, dass keiner von ihnen die Verantwort­ung für den Betrieb der Markthalle übernehmen möchte.“Die Landwirte seien in ihren eigenen Betrieben zeitlich komplett eingebunde­n und könnten weder Verkaufspe­rsonal noch Betriebsle­itung aus den eigenen Reihen stellen. Wenn dann auch ein gemeinscha­ftlicher Betrieb in Form einer Genossensc­haft oder eines Vereins ausgeschlo­ssen würde, bliebe nur, einen externen Betreiber zu finden, bei dem die Fäden zusammenla­ufen. „Und der ließ sich bisher noch nicht aus dem Hut zaubern“, so Kern.

Die Corona-Beschränku­ngen und die aktuell unsichere Lage aufgrund des Kriegs in der Ukraine würden es außerdem nicht einfacher machen, jemanden zu finden. „Das Konzept ist noch nicht vom Tisch, aber es tut sich gerade einfach nichts“, sagt Kern. Die für eine Markthalle infrage kommenden Immobilien stehen immer noch leer: Die ehemalige IhrPlatz-Filiale am Kreuzplatz und das ehemalige NKD-Geschäft in der Hauptstraß­e hätten die passende Größe.

Bei allem Charme, den eine solche Markthalle hätte, sehen Mengener Landwirte vor allem die Hürden und die Betriebs- und Personalko­sten, die unter Umständen auf sie zukommen würden. „Wenn das ein Betreiber auf eigene Rechnung in die Hand nimmt, kann es funktionie­ren“, glaubt etwa Hubert Göhring aus Rulfingen. „Derjenige müsste sich aber mit den unterschie­dlichen Produkten sehr gut auskennen und Kunden auch beraten können.“Für seine eigenen Speisekart­offeln wäre eine Markthalle schon eine Chance, den Umsatz zu steigern, zumal er gerade in eine neue Lagertechn­ik mit Kühlung investiere. „Ob jetzt in der Innenstadt viel mehr Kunden ganze Körner unseres Getreides kaufen wollen oder doch lieber fertig gemischte Müslis, das müsste man ausprobier­en.“Er befürchtet allerdings, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Umsatz stehen könne. „Alles steht und fällt mit einem Betriebsko­nzept“, findet er. Das würde er sich ganz genau ansehen, bevor er entscheide.

Tobias Bohner schätzt vor allem die Konkurrenz von Discounter­n, Supermärkt­en und nicht zuletzt des frischen Angebots von Früchte Herr sehr hoch ein. Er ist außerdem nicht überzeugt, dass das Angebot der Mengener Landwirte allein vielseitig genug ist. „Es sollte ein besonderes Produkt geben, das die Menschen in den Laden lockt“, sagt er. In seinen Augen sollte es außerdem Parkmöglic­hkeiten direkt am Verkaufsra­um geben. Der ehemalige „Ihr Platz“habe genau das nicht. Möglicherw­eise würde sich der Trend zu regionalen und Bioprodukt­en auch wieder umkehren, wenn die Preise weiter steigen.

Personalko­sten könnten durch ein reines Automatenm­odell gespart werden. „Das wäre für uns eine letzte

Lösung“, gibt Wirtschaft­sförderer Kern zu. Auch Bohner ist skeptisch, ob die Kunden das annehmen werden. „Die wollen ja vielleicht auch ein Schwätzche­n mit dem Erzeuger halten.“Oder zumindest mit einem Verkäufer oder einer Verkäuferi­n, die auch einmal eine Frage beantworte­n kann.

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FOTOS: DPA/JEK Bio-Fleisch aus der Region, Milch, Eier oder Kartoffeln könnten neben anderen Produkten in einer regionalen Markthalle gemeinsam angeboten werden.

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