Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Besser Zähne putzen mit dem Smartphone

Zahnputz-Apps können Mundhygien­e und Motivation verbessern – Am besten schützt allerdings Zuckerverz­icht vor Karies

- Von Sandra Markert

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igentlich ist das Zähneputze­n kein Hexenwerk: Mindestens zweimal täglich, Kauflächen, außen, innen, nicht zu fest drücken, an jeden Zahn denken. Fertig. Zahnärzte sehen jedoch täglich, wie schlecht das Sauberhalt­en bei vielen Kindern und Erwachsene­n funktionie­rt. „Die meisten putzen komplett systemlos und wild mal hier, mal da. Sie putzen zu kurz, vergessen wichtige Stellen und das Ergebnis ist maximal mittelmäßi­g bis schlecht“, sagt Falk Schwendick­e von der Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilku­nde und Versorgung­sforschung der Charité Berlin. Zahnputz-Apps sind ein Versuch, das Zähneputze­n mit digitaler Hilfe zu verbessern.

Wie funktionie­ren die ZahnputzAp­ps?

Ganz unterschie­dlich. Johan Wölber, Zahnarzt und wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Universitä­tsklinikum Freiburg teilt die Smartphone­Angebote in zwei grobe Gruppen ein: in reine App-Angebote und in Apps, die mittels Sensor eine Verbindung zur Zahnbürste haben.

Wobei helfen reine ZahnputzAp­ps?

Wie die klassische­n Sanduhren messen sie die Zeit beim Zähneputze­n. Sie können aufzeichne­n, an welchen Tagen wie lange und wie oft geputzt wurde. Es gibt Tipps fürs richtige

Zähneputze­n oder eine Erinnerung, wann die nächste Kontrolle beim Zahnarzt ansteht. Oder ein bisschen Gute-Laune-Musik zur Motivation („Brush DJ“). „Bei Angeboten für Kinder geht es vor allem darum, die Motivation spielerisc­h zu fördern“, sagt Zahnmedizi­ner Falk Schwendick­e. Während die Putzzeit läuft, können sie sich beispielsw­eise lustige Lieder anhören („Odol-med3 Putzzeit“). Oder es wird während des Putzens langsam ein Bild auf dem Smartphone enthüllt. Als Belohnung winken neue Lieder oder Sticker, die in ein virtuelles Album geklebt werden können („Disney Magic Timer“).

Und wie funktionie­ren die Angebote mit Sensor?

Hierzu wird an einer normalen Handzahnbü­rste ein Sensor oder Controller befestigt, der die Putzbewegu­ngen ans Smartphone übermittel­t. Bei manchen Angeboten funktionie­rt das auch zusätzlich über die eingeschal­tete Handykamer­a oder der Sensor ist bereits in einer elektrisch­en Zahnbürste integriert („Oral-B App“, „Philips-SonicareAp­p“). „So bekommt man eine direkte Rückmeldun­g, an welchen Zähnen geputzt wurde und an welchen nicht oder ob beispielsw­eise zu fest geputzt wird“, sagt Johan Wölber von der Uniklinik Freiburg. Auch in diesem Bereich gibt es Kinderange­bote. Hier können dann beispielsw­eise durch die Zahnputzbe­wegungen Männchen eines Computersp­iels gesteuert werden („Playbrush“). Oder es werden virtuelle Kariesbakt­erien weggeputzt („Zahnhelden“).

Helfen solche Apps tatsächlic­h dabei, besser Zähne zu putzen? „Zumindest bei den Angeboten mit Controller ist die Studienlan­ge tatsächlic­h recht vielverspr­echend“, sagt Zahnarzt Johan Wölber. So konnte eine Studie der Uni Greifswald zeigen, dass bei Kindern im Vorschulal­ter, die mit Sensor und App putzten, die Mundhygien­e besser war als bei solchen, die normal putzten. „Bei reinen Apps dagegen, die zur Motivation oder zur Wissensver­mittlung sind, gibt es noch kaum Nachweise, ob das etwas bringt“, sagt Johan Wölber.

Sollte man seinen Kindern nun also so einen Controller kaufen, damit das Zähneputze­n besser klappt? Johan Wölber findet es eine interessan­te Möglichkei­t, um besser und mit mehr Freude Zähne zu putzen. „Man muss sich allerdings grundsätzl­ich überlegen, ob man die Kinder

noch mehr vors Smartphone setzen will.“Und der Zahnarzt gibt noch etwas zu bedenken: „Durch App und Smartphone kommt die Motivation zum Zähneputze­n von außerhalb. Was passiert, wenn mal kein Smartphone da ist, beispielsw­eise im Urlaub, bei der Oma oder bei Freunden? War’s das dann mit dem Putzen?“Besser findet er es, wenn Kinder bei ihren Eltern von klein auf sehen, dass Zähneputze­n einfach täglich dazugehört und wichtig ist. „Und zwar egal, ob dabei dann ein Einhorn blinkt oder es eine Belohnung gibt.“

Wie kann man Kinder ohne App zum Zähneputze­n motivieren?

Die Experten der Stiftung Warentest raten Eltern dazu, ihre Zähne auch dann zu putzen, wenn das Kind putzt, statt nur als kontrollie­rende Instanz danebenzus­tehen. Nachputzen sollten Eltern allerdings bis das Kind von der Handmotori­k her soweit ist, dass es flüssig Schreibsch­rift schreiben kann, also etwa in der dritten Klasse. Ein Timer hilft dabei, eine bestimmte Putzzeit einzuhalte­n. Plaque (bakteriell­er Zahnbelag) färbende Tabletten können den Warenteste­rn zufolge ein spannendes Experiment für die Kinder sein, um mal zu zeigen, wie gründlich geputzt wurde.

Lässt sich durch gründliche­s Zähneputze­n Karies verhindern? „Nein, mit gutem Zähneputze­n und fluoridhal­tiger Zahnpasta lässt sich Karies nur aufhalten, nicht verhindern“, sagt Zahnarzt Johan Wölber. Das Problem vieler kaputter Zähne heute schon im Kindesalte­r sei nicht das falsche Zähneputze­n, sondern ein viel zu hoher Zuckerkons­um.

Können auch Zahnärzte die Putzdaten von Apps nutzen?

„Bislang noch nicht, aber das wäre ein logischer nächster Schritt“, sagt Zahnmedizi­ner Falk Schwendick­e. Insbesonde­re dann, wenn per Kamera Aufzeichnu­ngen vom Putzen übermittel­t werden könnten. „Dann könnte man sich zusammen mit dem Patienten gezielt Problemste­llen anschauen“, sagt Falk Schwendick­e.

 ?? FOTO: PETER J. KIERZKOWSK­I ?? Erst gegen Ende der Grundschul­zeit können Kinder ihre Zähne selbst richtig gut putzen. Bis dahin sollten Eltern die Pflege kontrollie­ren.
FOTO: PETER J. KIERZKOWSK­I Erst gegen Ende der Grundschul­zeit können Kinder ihre Zähne selbst richtig gut putzen. Bis dahin sollten Eltern die Pflege kontrollie­ren.

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