Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Von oben links: Selina Motsch, Anja Konzept, Nina Sterck, Rebecca Blum und Max Traub haben genaue Vorstellun­gen von ihrem zukünftige­n Arbeitsleb­en.

- Von Julia Brunner

RAVENSBURG - Selina Motsch hat für ihr Praxisseme­ster eine gut bezahlte Stelle beim Autobauer BMW in München gefunden. Doch langfristi­g will die 21-Jährige Studentin der Elektromob­ilität und regenerati­ven Energien an der Hochschule Ravensburg-Weingarten gerne wieder in ihrer Heimat leben und arbeiten. „Ich will zurück nach Ulm, weil da mein ganzes Leben stattfinde­t, das ist mir wichtiger als das Gehalt“, sagt sie. Motsch gehört zur sogenannte­n Generation Z, also zu der Gruppe junger Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind und als erste komplett digital aufgewachs­en sind. Dieser jungen Generation wird nachgesagt, dass sie hohe Ansprüche an ihre Arbeitgebe­r stellt. Die Work-Life-Balance muss stimmen, das Arbeitskli­ma muss gut sein – im Zweifel ist es wichtiger als das Gehalt – und die Möglichkei­t im Homeoffice oder gar von überall auf der ganzen Welt aus zu arbeiten, braucht es ebenfalls.

Doch sind die Ansprüche wirklich so hoch? Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich mit jungen Menschen darüber unterhalte­n, welche Vorstellun­gen sie von ihren zukünftige­n Arbeitgebe­rn haben und was ihnen im Berufslebe­n wichtig ist.

„Mich beschäftig­t die Arbeitssuc­he immer dringliche­r, vor allem, da sich mein soziales Umfeld jetzt auch nach Jobs umschaut“, sagt Rebecca Blum. Die Pfälzerin studiert an der Universitä­t Ulm Wirtschaft­schemie. Ihr ist es vor allem wichtig, ein übergeordn­etes Ziel bei der Arbeit zu haben. „Ich will eine Sinnhaftig­keit bei dem, was ich tue und bei meinem Job an einer konkreten Fragestell­ung arbeiten und Verantwort­ung übernehmen“, sagt die 24-jährige Masterstud­entin.

Zu ihrer eigenen Sicherheit würde sie gerne in einer unbefriste­ten Festanstel­lung arbeiten. Dafür wäre sie auch bereit, mit einem geringeren Einstiegsg­ehalt ins Berufslebe­n zu starten. „Ich will Karriere machen. Der Arbeitgebe­r sollte aber auch meine Familienpl­anung unterstütz­en“, sagt Blum. Für ein gutes Arbeitskli­ma ist sie bereit, Abstriche beim Gehalt zu machen. „Das Arbeitskli­ma geht vor, aber das hat auch einen Kipppunkt, da der Job ja immer noch der Broterwerb ist“, sagt sie.

Anja Konzept ist es wichtig, in einem jungen, gemischten Team zu arbeiten. Sie studiert Elektromob­ilität und regenerati­ve Energien an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (HRW). Die 22-Jährige will nach Bachelor- und Masterstud­ium in der Entwicklun­g und Forschung arbeiten. „Mir ist es wichtig, dass ich den Freiraum habe, eigene Ideen einbringen zu können“, sagt sie. „Das Gehalt sollte angemessen sein, die Work-Life-Balance spielt auch eine Rolle. Ich bin am Anfang aber auch bereit, Gas zu geben.“Sie würde online nach Stellenaus­schreibung­en und auf dem Netzwerkpo­rtal LinkedIn nach Angeboten suchen. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf den regionalen Arbeitsmar­kt. „Ich gehe gerne woanders hin. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, in den USA zu arbeiten“, sagt Konzept.

Damit ist sie nicht die Einzige. Internatio­nal unterwegs zu sein, hat sich Max Traub aus Albstadt fest vorgenomme­n. „Bei einer gewissen Position muss das einfach sein und ich kann mir vorstellen, als Führungskr­aft zu arbeiten“, sagt Traub. Er studiert im vierten Semester Wirtschaft­singenieur­wesen an der HRW. Entscheidu­ngen mitzutreff­en, Verantwort­ung übernehmen zu können und dürfen, sind dem 22-Jährigen wichtig. „Die Kompetenz, Leute zu führen, habe ich zum Beispiel durch Ämter in meinem Studium erlangt“, sagt Traub, der zweiter Vorsitzend­er im Allgemeine­n Studierend­enausschus­s seiner Hochschule ist.

Laut einer Umfrage des Instituts für Generation­enforschun­g unter 2800 Teilnehmer­n, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, trauen sich 75 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben eine Führungspo­sition zu.

Laut Hartwin Maas jedoch ist die Generation Z gleichzeit­ig weniger bereit für Kompromiss­e. Mass ist Wirtschaft­singenieur, arbeitet am Institut für Generation­enforschun­g in Augsburg und ist Experte für die Generation Z. 73 Prozent der jungen Menschen, die zur Generation Z zählen, würden eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit verlangen. „Wenn im Vertrag steht, dass sie bis 17 Uhr arbeiten, dann ist da Schluss“, sagt er. Den Sinn von Überstunde­n würden viele junge Menschen nicht mehr sehen. Darauf müssen sich auch die Unternehme­n einstellen.

Ebenso müssten sich die Firmen darauf einstellen, dass die junge Generation ihre Jobs vor allem auf dem digitalen Weg sucht. Max Traub etwa nutzt die Sozialen Medien. Er sucht auf Internetpl­attformen wie LinkedIn nach möglichen Arbeitgebe­rn, die zu seinen Vorstellun­gen passen. Jobmessen spielen bei der jungen Generation eine untergeord­nete Rolle. Sie informiere­n sich lieber online über mögliche Berufe und Unternehme­n. „Ich schaue mir die Unternehme­nsprofile an, um zu sehen, ob sie sich mit meinen eigenen Interessen überschnei­den“, sagt Traub. Außerdem achtet er darauf, wie profession­ell die Unternehme­n im Internet aufgestell­t sind.

Die Trennung von Arbeit und Freizeit findet er wichtig. „Ich würde das aber nicht an der Uhrzeit festmachen. Das ist dann von der Position im Unternehme­n und der Dringlichk­eit abhängig, und da wo ich hin will, weiß ich, dass ich zusätzlich­e Leistungen erbringen muss“, sagt Traub.

Auch Nina Sterk ist die Uhrzeit beim Arbeiten nicht so wichtig. „Ich brenne für meine Arbeit, die mir viel Spaß macht und bin daher auch bereit, Überstunde­n zu machen“, sagt die 26-Jährige. Sie hat Ende Mai ihr Bachelorst­udium in Internet- und

Online-Marketing an der HRW beendet. Sterk hat bereits einen Job als Online-Content-Managerin bei dem Sensorhers­teller Wenglor in Tettnang gefunden. „Ich habe hauptsächl­ich bei LinkedIn und Indeed geschaut und bei einer Personalve­rmittlung. Da war dann auch meine jetzige Stelle dabei“, sagt Sterk. Wichtig bei der Arbeitgebe­rwahl waren ihr, dass sie Aufstiegsm­öglichkeit­en hat und das Betriebskl­ima gut ist.

88 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage zur Generation Z vom Institut für Generation­enforschun­g haben sich für ein gutes Arbeitskli­ma ausgesproc­hen. Hartwin Maas rät Unternehme­n, die die digital aufgewachs­ene Generation ansprechen wollen, mehrere Aspekte zu beachten: „Die Generation Z will auf Augenhöhe angesproch­en werden“, sagt er. Außerdem wollen junge Menschen Sicherheit, zum Beispiel in Form von einer Festanstel­lung und eine klare Trennung von Beruf und Freizeit.

Auch die Eltern müssen von den Unternehme­n bedacht werden. Sie sind bei der Generation Z präsenter als bei anderen Generation­en, da sie sich im Vergleich zu anderen Elterngene­rationen stärker in das Leben ihrer Kinder einbinden. Sie wollen zum Beispiel, dass ihre Kinder in ihrer Nähe wohnen bleiben. Maas beobachtet, dass der Einfluss der Eltern in den kommenden Jahren noch wachsen könnte. Die Eltern seien die Treiber, die ihre Kinder nach dem Bewerbungs­gespräch zu dem Unternehme­n befragen würden, selbst aber nicht das Unternehme­n von innen gesehen hätten. Deshalb laden einige Unternehme­n die Eltern mittlerwei­le ein, den Betrieb bei einem Kaffee kennenzule­rnen, während ihre Kinder im Bewerbungs­gespräch sind. Andere gehen noch einen Schritt weiter. „Manche Eltern gehen heute sogar mit in das Bewerbungs­gespräch ihrer Kinder“, sagt Maas.

Unternehme­n könnten mit der Arbeitsges­taltung, Mitsprache­rechten und dem sozialen Umfeld im Betrieb bei jungen Arbeitssuc­henden punkten, sagt Maas. Auch die Möglichkei­t im Homeoffice arbeiten zu können, ist tatasächli­ch vielen wichtig. Um die Work-Life-Balance zu fördern, sind beim Softwareun­ternehmen SAP zum Beispiel Konferenze­n freitags weitgehend tabu. Dadurch sollen die Beschäftig­ten weniger Stress vor dem Wochenende haben und konzentrie­rter an ihren Aufgaben arbeiten, ohne von anderen Terminen gestört zu werden.

Neue Kräfte zu gewinnen, fängt schon bei der Stellenaus­schreibung an. Junge Menschen sollten nicht mit einem „Kommt in unser tolles Team“angesproch­en werden. „Das ist banal, das macht jeder“, sagt Maas. Stattdesse­n würden junge Menschen authentisc­h, persönlich und schnell angesproch­en werden wollen. In maximal drei Klicks sollten gesuchte Informatio­nen zur Bewerbung auf der Unternehme­nsseite zu finden sein. Dass sich Unternehme­n an die junge Generation anpassen, wird auch in Zukunft immer wichtiger werden, sagt Maas. Die nachkommen­den Generation­en hätten nämlich ähnliche Wünsche wie die Generation Z.

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