Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Es fehlt das Augenmaß

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

In der auf Ausgleich zwischen den Tarifparte­ien basierende­n sozialen Marktwirts­chaft tragen Gewerkscha­ften nicht nur für ihre Mitglieder Verantwort­ung, sondern sie tragen mit ihrem Wirken auch zum gesellscha­ftlichen Frieden bei, indem sie die Arbeitnehm­er an den Erfolgen der Kapitalsei­te beteiligen. Ihre Aufgabe ist es zudem, mit ihrer Arbeit die Stabilisie­rung der Wirtschaft sicherzust­ellen. Das gilt nicht zuletzt für Deutschlan­ds größte Einzelgewe­rkschaft, die IG Metall.

Die IG Metall will nun mit einer Forderung von sieben bis acht Prozent mehr Lohn in die nächste Tarifrunde gehen. Auch vor dem Hintergrun­d der massiv steigenden Preise ist diese Forderung zu hoch – und die Arbeitnehm­ervertrete­r sollten sie in den Gesprächen mit den Unternehme­n nur als Richtwert nutzen, um im Anschluss Kompromiss­bereitscha­ft zu zeigen.

Natürlich, eigentlich sollten Beschäftig­te keine Kaufkraft verlieren und die Erhöhung des Arbeitsent­geltes sollte die Teuerung ausgleiche­n. Selbst wenn Lohnerhöhu­ngen zu einem Teil auch das auslösen, was sie bekämpfen wollen: Denn die Unternehme­n werden die höheren Löhne in Form von Preisaufsc­hlägen an ihre Kunden weitergebe­n, was wiederum die Inflation treibt. In normalen Zeiten ist das zu verkraften.

In der aktuellen Situation aber, in der die Inflation durch die lockere Geldpoliti­k der vergangene­n Jahre, durch die wegen den Corona-Maßnahmen belasteten Lieferkett­en und durch die Energiekna­ppheit infolge des Ukraine-Kriegs sowieso droht, außer Kontrolle zu geraten, sind hohe Forderunge­n gefährlich. Nicht ohne Grund warnen Ökonomen vor einer Lohn-Preis-Spirale, wenn Löhne und Preise sich gegenseiti­g aufschauke­ln.

Hinzu kommt, dass die IG Metall als größte und wichtigste Vertretung von Arbeitnehm­ern in Deutschlan­d Vorbildfun­ktion für andere Branchen hat. Vor diesem Hintergrun­d und im Hinblick auf die Sicherung des sozialen Friedens muss sie im Herbst Augenmaß und Zurückhalt­ung zeigen, wenn es gilt, mit den Arbeitgebe­rn über die nun ausgesproc­hene Forderung zu sprechen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany