Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Streit statt der erhofften Einigkeit

Die AfD steht direkt nach dem personelle­n Neuanfang vor einer Zerreißpro­be

- Von Dominik Guggemoos

BERLIN - Der Rechtsextr­emist Björn Höcke hat in Riesa die neue Parteispit­ze gedemütigt. Tritt das gemäßigter­e Lager jetzt aus der AfD aus? Das ist möglich. Sollte es zu einem Ereignis kommen, scheint es sicher.

Björn Höcke kam mit einem ausgetüfte­lten Plan nach Riesa – und dieser ging voll auf. Am Samstag, als die AfD ihren gesamten Parteivors­tand neu gewählt hat, wurde dieser ganz in seinem Sinne besetzt – mit vielen sehr weit rechts stehenden Parteifreu­nden. Nachdem die personelle Machtfrage geklärt war, zeigte der Frontmann des rechtsextr­emen „Flügels“am Sonntag dann in der innerparte­ilichen Positionie­rung zur Europapoli­tik seine Muskeln – und demütigte die neu gewählte Parteispit­ze.

Der von ihm gestützte Antrag forderte unter anderem eine geordnete Auflösung der Euro-Zone und verharmlos­t den russischen Angriffskr­ieg als „Ukraine-Konflikt“. Für die neue Co-Parteichef­in Alice Weidel war der Antrag in dieser Form unannehmba­r – trotzdem stritt sich der Parteitag quälend lange darüber. Für eine Ablehnung fand sich keine Mehrheit. Gegen mich, ließ Höcke das Duo Weidel und Tino Chrupalla schmerzlic­h spüren, beschließt ihr gar nichts.

„Riesa hat zur Höckisieru­ng der Partei geführt“, sagt der Politikwis­senschaftl­er und AfD-Kenner Wolfgang Schroeder im Gespräch. Was bedeutet das für die im Vergleich gemäßigter­en Kräfte in der AfD, die in Riesa nahezu jede Abstimmung – und damit auch Macht – verloren haben? „Nach diesem Wochenende“, sagt Schroeder, „werden einige aus der AfD austreten“.

Hört man sich in diesem Lager um, herrscht vor allem Ratlosigke­it. Die kleine Hoffnung, dass der Berliner Landesverb­and wegen des Ausschluss­es seiner über 20 Delegierte­n den Parteitag juristisch anfechten könnte, scheint vergeblich. Der Geschäftsf­ührer der Fraktion, Ronald Gläser, sagt auf Nachfrage: „Es sieht nicht danach aus, als würde das weiterverf­olgt werden.“

Norbert Kleinwächt­er, der in Riesa Chrupalla herausgefo­rdert und ein überrasche­nd starkes Ergebnis erzielt hat, will weiterkämp­fen. Das ehemalige Vorstandsm­itglied Joana Cotar schrieb auf Twitter vielsagend: „Die Revolution frisst ihre Kinder.“Eine „großflächi­ge Austrittsb­ewegung“erwartet Politikwis­senschaftl­er Schroeder zwar nicht. „Aber die Situation der Partei ist an der Kante.“

Das gilt insbesonde­re dann, wenn die neue Parteiführ­ung sich auf den aus der Partei ausgeschlo­ssenen Andreas Kalbitz zubewegen sollte. Dieser hat laut Verfassung­sschutz Kontakte zu verbotenen rechtsextr­emen Organisati­onen und wird von diesem daher als Rechtsextr­emist geführt. Höcke erklärte bereits, nicht der Verfassung­sschutz, sondern „wir bestimmen, wer Extremist ist“.

Der Verfassung­sschutz stuft die gesamte AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all ein. Die AfD hatte präventiv gegen die Verdachtsf­all-Beobachtun­g geklagt. Das Kölner Verwaltung­sgericht entschied zugunsten des Verfassung­sschutzes. Die AfD hat Berufung eingelegt. Außerdem werden mehrere Landesverb­ände als Verdachtsf­älle geführt, darunter der von Höcke geführte in Thüringen.

Der Anwalt der AfD im juristisch­en Streit mit Kalbitz hat jedenfalls, wie „Zeit Online“berichtet, sein Mandat niedergele­gt – wegen des neu gewählten Bundesvors­tands. Klar scheint: Setzt Höcke durch, dass sein Vertrauter zurück in die AfD kommen darf, spaltet er die Partei endgültig. Allerdings würde er damit nicht nur das ehemalige MeuthenLag­er aus der Partei treiben, sondern viele mehr. Ob das auch Teil von Höckes Plan ist, werden die nächsten Wochen zeigen.

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FOTO: KAHNERT/DPA Björn Höcke

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