Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Teures Konfliktpotenzial
SPD, Grüne und FDP debattieren, wie viel neue Schulden der Bund machen soll
BERLIN - „Es können schlicht nicht mehr alle vermeintlich sinnvollen staatlichen Ausgabenwünsche finanziert werden“, gab FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei zu Protokoll. „Wir müssen zurück zur Schuldenbremse“, betonte er angesichts der hektischen Diskussion in der Ampel-Koalition über zusätzliche Ausgaben.
Die Kontroverse hatte schon dazu geführt, dass das Kabinett den Bundeshaushalt 2023 erst am 1. Juli beschließen kann und nicht wie geplant diesen Mittwoch. Da tagt erst einmal der Koalitionsausschuss. Es gibt jede Menge Wünsche und Streitpunkte – Ausgang offen. Eine Auswahl.
● Gasversorgung
Die Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind wohl finanziell das kleinste Problem: Das Gasauktionsmodell, bei dem industrielle Abnehmer ihren Verbrauch reduzieren und diese Mengen anderen Interessenten anbieten sollen, dürfte den Bund erst einmal nichts kosten.
Damit die Gasspeicher gefüllt werden können, soll die zuständige Gesellschaft Trading Hub Europe 15 Milliarden Euro Kredit von der Staatsbank KfW bekommen. Auch dafür braucht es kein Staatsgeld, solange das Gas mindestens zum Einkaufspreis weiterverkauft werden kann.
● Kalte Progression
Finanzminister Christian Lindner (FDP) legt sehr viel Wert darauf, dass der Staat sich „nicht an der Inflation bereichert“. Dazu müssten 2023 der Grundfreibetrag gesenkt und der Steuertarif geändert werden. Das kostet zwölf Milliarden Euro, hat der Bund der Steuerzahler ausgerechnet. Das wäre sozial ungerecht, beklagt der Grünen-Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler. Insbesondere Arme und Familien bräuchten gezielte Hilfen.
● Gas- und Strompreise
Es werde weitere Entlastungen für ärmere Haushalte geben, versprach die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, ohne dies genauer zu erläutern. Denn die gestiegenen Preise seien noch gar nicht bei den Menschen angekommen. Mit dem „Klimageld“ soll ab 2023 die Erhöhung des CO2-Preises ausgeglichen werden. Solange nur diese Einnahmen umverteilt werden, kostet es den Staat nichts zusätzlich. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vorgeschlagen, dies auf Monatseinkommen von maximal 4000 Euro zu beschränken.
● Bürgergeld
Die Hartz-IV-Sätze müssen in diesem Jahr neu berechnet werden, was in jedem Fall zu Mehrausgaben führen dürfte. Heil hat ein neues Berechnungsmodell vorgeschlagen, das den Empfängern 40 bis 50 Euro mehr pro Monat bringen würde. Kosten: mindestens zehn Milliarden Euro.
● Krankenkassenbeiträge
Den Kassen droht ein Finanzloch von bis zu 25 Milliarden Euro, wenn der Bundeszuschuss nicht erhöht wird.
● Schuldenbremse
Lindner wird nicht müde zu betonen, dass er sie im nächsten Jahr wieder einhalten will. Das begrenzt neue Schulden auf wenige Milliarden Euro. Für allgemeine Vorhaben dürfe man sie nicht aussetzen, betonte er gerade wieder. Für den FDPChef ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ausnahmen sind laut Grundgesetz nur in einer „außergewöhnlichen Notsituation“möglich. Bei SPD und Grünen dagegen werden die Forderungen lauter, sie auch im nächsten Jahr auszusetzen.